Auf dem Weg zur Verwirklichung der Vision vom autonomen Fahren lernen Fahrzeuge, das Umfeld immer genauer zu erfassen und sich darin zu orientieren. Das setzt ein detailliertes und stets aktuelles Abbild der Fahrzeugumgebung voraus. Die Grundlage dafür bilden leistungsfähige Umfeldsensoren wie Kamera, Radar oder Laserscanner sowie hochgenaue Straßenkarten mit einer prädiktiven Vorausschau auf die Fahrstrecke, auch bekannt als elektronischer Horizont. Um insbesondere Sicherheit und Effizienz im Straßenverkehr weiter zu erhöhen, wird auch die Fahrzeugvernetzung mittels V2X-Kommunikation (V2X: Vehicle-to-X) eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Für einen Werkzeuganbieter bedeutet dies zum Beispiel, etablierte Entwicklungs- und Testumgebungen um standardisierte V2X-Protokoll- und -Hardware-Unterstützung zu erweitern. Zudem spielt die Bereitstellung geeigneter Instrumentierung zur Visualisierung der Verkehrslage und weiterer V2X-spezifischer Informationen eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sind auch komfortable und effiziente Methoden zur Erstellung und Ausführung von Tests gefragt, um dem insgesamt steigenden Testaufwand entgegenzuwirken.

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Die V2X-Technologie, oft auch als C2X oder Car2X bezeichnet, erlaubt den Austausch von Informationen über ein WLAN-basiertes Ad-hoc-Netzwerk gemäß dem Standard IEEE 802.11p. Das „X“ steht dabei für andere Objekte in der Umgebung wie Fremdfahrzeuge oder auch Teile der Infrastruktur, beispielsweise Baustellen oder Ampeln. Die Netzwerkteilnehmer versenden Botschaften unter anderem mit Angaben zur eigenen Position, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung sowie zu erkannten Ereignissen wie Staus oder Straßenglätte. Die Markteinführung in Serienfahrzeuge wird in Europa im Rahmen einer gemeinsamen Strategie durch das CAR 2 CAR Communication Consortium (C2C-CC) vorangetrieben. Das Konsortium aus Fahrzeugherstellern, Zulieferern, Werkzeuganbietern und Forschungseinrichtungen arbeitet in enger Kooperation mit den Standardisierungsgremien ETSI (European Telecommunications Standards Institute) und CEN (Comité Européen de Normalisation) an Kommunikationsstandards und -protokollen. Zusätzlich werden relevante V2X-Anwendungen, einheitliche Kriterien zur Erkennung von Ereignissen im Straßenverkehr und Konzepte für Datensicherheit definiert. Auch in den USA wird intensiv an der Einführung von V2X gearbeitet. Die dort festgelegten Standards ähneln der europäischen Lösung in vielen Bereichen. Im Gegensatz zum Vorgehen in Europa diskutieren die Experten in den USA jedoch über eine gesetzlich verpflichtende Vorgabe.

Funktionsmodell an V2X anbinden

Das dSPACE-V2X-Blockset für Simulink.

Das dSPACE-V2X-Blockset für Simulink.dSPACE

Die modellbasierte Entwicklung von Anwendungsfunktionen findet im Bereich Automotive weite Verbreitung und Akzeptanz. Daher besteht der Bedarf, auch neue Technologien wie V2X in die gewohnte Entwicklungsumgebung zu integrieren. Dabei gilt es zu beachten, dass im Fokus der Ingenieure die Implementierung der eigentlichen Anwendungsalgorithmen steht, weniger die Umsetzung technologiespezifischer Software-Schichten und Standards.

Im Rahmen der V2X Solution bietet dSPACE mit dem V2X-Blockset einen direkten Zugang aus einer modellbasierten Anwendung in Simulink zur Welt der V2X-Kommunikation. Dazu stehen dem Funktionsentwickler dedizierte Blöcke zur Verfügung, die einen Informationsaustausch durch zyklische CAMs (Cooperative Awareness Message) und ereignisbasierte DENMs (Decentralized Environmental Notification Message) in beide Richtungen unterstützen (Bild 1). Die Codierungs- und Decodierungsblöcke für V2X-Botschaften werden direkt aus den von ETSI standardisierten ASN.1 (Abstract Syntax Notation One) -Protokollbeschreibungen abgeleitet. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Anpassungen an neue Versionen der Protokolle komfortabel erfolgen können.

Die Blöcke sind jeweils mit Signalvektoren ausgestattet, die direkten Zugriff auf zunächst beliebige Inhalte einer Botschaft erlauben. Da aber eine Anwendung üblicherweise nicht alle Informationen benötigt beziehungsweise bereitstellt, kann der Entwickler auf Wunsch mithilfe eines Dialogfensters einen eingebauten Filtermechanismus konfigurieren. Der Filter stellt nur relevante Botschaftsinhalte als Signale im Modell bereit und trägt damit zur besseren Übersicht bei. Der nachgeschaltete Transportblock sorgt als Bindeglied zur V2X-Welt für den Austausch von Botschaften zwischen dem Modell und einem geeigneten V2X-Hardware-Adapter. Die Datenübertragung findet dabei bidirektional per Ethernet (UDP/IP) mithilfe des Basic Transport Protocols (BTP) gemäß ETSI-Standard statt. Die Ankopplung des Blocksets an den realen Funkkanal kann so zum Beispiel mit einer MK5-OBU von Cohda Wireless erfolgen.

Mit LDM Botschaften verwalten

Eckdaten

Im Rahmen der V2X Solution bietet dSPACE mit dem V2X-Blockset einen direkten Zugang aus einer modellbasierten Anwendung in Simulink zur Welt der V2X-Kommunikation. Testexperten empfehlen, mit der Absicherung möglichst früh im Entwicklungsprozess zu beginnen. Das signalbasierte Testen unterstützt die frühe Testerstellung.

Zum wichtigen Bestandteil einer V2X-Anwendung gehört die Verarbeitung ankommender Botschaften. Dazu müssen zunächst Botschaftsinhalte hinsichtlich Relevanz und Aktualität überprüft und die verwertbaren Daten dann häufig verwaltet werden. Der Anwendungsentwickler steht dabei vor der Entscheidung, ob er diese Aufgabe in der einzelnen Anwendung umsetzt oder alternativ auf eine zentrale Einheit zurückgreift, die von einer Vielzahl von Anwendungen verwendet werden kann und bezüglich Performance und Speicherbedarf optimiert ist.

Das V2X-Blockset unterstützt beide Ansätze: zum einen durch direkte Bereitstellung aller Informationen der Decodierungsblöcke über die Signalvektoren, zum anderen durch selektive Informationsverteilung mithilfe der nach ETSI-Standard entwickelten LDM (Local Dynamic Map). Die LDM speichert, verwaltet und verteilt alle relevanten Informationen zur lokalen Verkehrslage wie Fahrzeugpositionen und -geschwindigkeiten, aber auch Ampelstatus, Baustellen und Unfälle; außerdem werden die Inhalte laufend aktualisiert. Für den Empfang ausgewählter Nachrichteninhalte, zum Beispiel aller DENMs mit Warnungen zu verunglückten Fahrzeugen, müssen sich die Anwendungen zunächst registrieren. Die LDM sorgt anschließend automatisch für die Zuteilung relevanter Informationen. Sind Nachrichten veraltet oder beziehen sie sich auf zu weit entfernte Objekte, so werden sie automatisch gelöscht.

GNSS-Datenauswertung nach NMEA 0183

Die Erfassung und die Bereitstellung eigener Positions- und Zeitinformationen sind Voraussetzung für die V2X-Kommunikation. Diese Daten stellt der angeschlossene V2X-Hardware-Adapter der Anwendung häufig mithilfe eines integrierten GNSS-Empfängers bereit. Alternativ unterstützt die V2X-Solution auch den Anschluss eines separaten Empfängers. Dazu stehen dedizierte Blöcke zur Auswertung von GNSS-Daten gemäß NMEA 0183 zur Verfügung. Bei NMEA 0183 handelt es sich um einen von der National Marine Electronics Association entwickelten Standard für die Kommunikation zwischen GNSS-Empfängern und PCs sowie mobilen Endgeräten.

Durchgehende Entwicklungs- und Testumgebung

Entwicklungs- und Testumgebung für V2X-Anwendungen.

Entwicklungs- und Testumgebung für V2X-Anwendungen.dSPACE

Das V2X-Blockset stellt einerseits einen einfachen Zugang zur WLAN-Ad-hoc-Kommunikation im Rahmen der schnellen Funktionsentwicklung (Rapid Prototyping) dar, andererseits ist es ein zentrales Element für die durchgängige Absicherung einer V2X-Anwendung – angefangen bei der MIL/SIL- (Model-/Software-in-the-Loop) bis hin zur HIL-Simulation (Hardware-in-the-Loop, Bild 2). Im Rahmen der Absicherung besteht in der Regel der Wunsch, das Verhalten einer Anwendung im simulierten Fahrzeug im Zusammenspiel mit anderen Kommunikationsteilnehmern wie Fremdfahrzeugen zu untersuchen.

Dazu ist das V2X-Blockset nahtlos in die dSPACE Automotive Simulation Models (ASM) integriert. Die ASM sind offene echtzeitfähige Simulink-Modelle zur Simulation des Fahrzeugverhaltens, der Umgebungssensoren, des Fahrers und der Fahrzeugumgebung. Die Bewertung der Reaktion einer V2X-Anwendung auf Störungen wie Signal- oder Botschaftsverfälschungen liefert wichtige Aussagen zur Robustheit und Zuverlässigkeit. Daher gehören entsprechende Tests oftmals zum festen Bestandteil der Absicherung – neben der Sicherstellung der Konformität mit geltenden Anforderungen und Standards. Die dafür häufig erforderliche Manipulation von Fahrzeugbus- oder V2X-Botschaften sowie die synchrone Aufzeichnung und die Analyse von Messdaten aus unterschiedlichen Quellen, zum Beispiel vom Sender und Empfänger, unterstützt die Experimentiersoftware Control Desk direkt.

Besseren Durchblick schaffen

Bei komplexeren Verkehrsszenarien mit mehreren Beteiligten sind grafische Mittel zur Unterstützung der Datenanalyse und Plausibilisierung des Verhaltens einer Anwendung sehr hilfreich – und das sowohl während der Entwicklung als auch später in der Testphase. Die V2X-Solution erweitert dazu Control Desk um ein speziell entwickeltes Karteninstrument, das von der LDM laufend mit Daten versorgt wird. Dadurch zeigt das Instrument stets aktuell auf einer digitalen Straßenkarte die gleichen Informationen an, die auch V2X-Anwendungen zur Verfügung stehen. Dazu gehören zum Beispiel die Bewegungsdaten einzelner Verkehrsteilnehmer des Ad-hoc-Netzwerks, bestehende Staus oder Baustellen und deren Relevanzbereiche. Die Inhalte der Kartendarstellung lassen sich individuell konfigurieren.

Signalbasiertes Testen in Automation Desk (Beispiel: Schleudergefahr-Warnung).

Signalbasiertes Testen in Automation Desk (Beispiel: Schleudergefahr-Warnung).dSPACE

Insbesondere bei der Absicherung ist es darüber hinaus sinnvoll, ein genaueres Bild auf das aktuelle Geschehen zu richten. Die Animationssoftware MotionDesk erlaubt dazu detailliertere Einblicke in laufende Testszenarien. Parallel zur Simulation kann der Testingenieur dabei das Verhalten einer V2X-Anwendung aus verschiedenen 3D-Perspektiven untersuchen, zum Beispiel die Ausgabe aktueller V2X-Meldungen im Kombiinstrument aus Sicht des Fahrers. Auch die Aufzeichnung von Szenarien für die spätere Analyse wird von MotionDesk unterstützt.

Testszenarien direkt erstellen

Im Vergleich zur Absicherung klassischer Fahrzeugfunktionen wie ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm) ist beim Testen von V2X-Anwendungen mit einem höheren Aufwand zu rechnen. Begründet wird diese Einschätzung unter anderem durch den erweiterten Testparameterraum weit über das Fahrzeug hinaus. So muss zum Beispiel der Algorithmus eines Kreuzungsassistenten bei der Ermittlung von Kollisionsgefahr regelmäßig nicht nur Position, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung des eigenen Fahrzeugs auswerten sondern auch entsprechende Informationen aus Botschaften anderer Verkehrsteilnehmer.

Die sich daraus ergebende Signalvielfalt ist für einen Testentwickler leichter handhabbar, wenn er sie in einer einheitlichen Darstellung erfassen, analysieren und bewerten kann. Dazu bietet das Testwerkzeug AutomationDesk mit signalbasiertem Testen eine neue Art von Testbeschreibung, fast so einfach wie auf einem Blatt Papier. Dabei vereint das Tool in einem grafischen Editor alle Testschritte von der Erstellung notwendiger Stimuli über die Darstellung erfasster Messsignale bis hin zur Auswertung. Es nutzt hierzu eine intuitive und dem Entwickler vertraute Form als Signalbeschreibung. Die direkte Gegenüberstellung aller relevanten Signale vereinfacht den Vergleich zwischen Ursache und Wirkung und erleichtert die Interpretation der Testergebnisse. Das zeigt auch das Beispiel eines konkreten Testfalls (Bild 3). Nachdem das Antiblockiersystem (ABS) des Fahrzeugs infolge einer leichten Bremsung über längere Zeit aktiv bleibt, erkennt die V2X-Anwendung dieses Ereignis als Schleudergefahr und sendet daraufhin erwartungsgemäß die entsprechende DENM-Botschaft.

Die manuelle Testerstellung ist trotz verbesserter Werkzeugunterstützung weiterhin eine der wesentlichen Aufgaben des Testentwicklers. Um diesen Schritt zu erleichtern, bietet dSPACE passend zu typischen V2X-Anwendungen einen Testkatalog an, den die Testingenieure unmittelbar nutzen oder als Vorlage für die eigene Testentwicklung verwenden können.

Zeit und Ressourcen effizient nutzen

Testexperten empfehlen, mit der Absicherung möglichst früh im Entwicklungsprozess zu beginnen. Dagegen spricht oft der zu Anfang noch unreife Entwicklungsstand oder eine lückenhafte Testumgebung. Das signalbasierte Testen unterstützt die frühe Testerstellung. Dazu lässt sich zu jedem Mess- oder Stimulussignal vorläufig ein Referenzsignal definieren und in die Auswertung einbeziehen. In einer späteren Iterationsstufe ersetzen die Testingenieure diese Referenz einfach durch ein reales Signal, meistens ohne dabei die Testauswertung erneut anpassen zu müssen.

Die Testmanager stehen oft vor der Herausforderung, wichtige Ressourcen, zum Beispiel kostenintensive HIL-Systeme, möglichst optimal einplanen zu müssen. Ein erster Schritt dahin kann darin bestehen, die Zeit am Simulator nur für die wirklich notwendigen Aufgaben zu verplanen. Dazu bietet der V2X-Testkatalog von dSPACE einen komfortablen Testausführungsrahmen, der neben einer zeitlich gekoppelten Testausführung und -auswertung auch die komplette Trennung dieser Abläufe unterstützt.

Dabei umfasst die Testausführung alle Schritte von der Parametrierung über die Stimulation bis zur Erfassung von Messdaten und setzt damit üblicherweise eine Simulationsplattform voraus. Die Testauswertung basiert hingegen auf bereits vorhandenen Messdaten und kann so zu einem späteren Zeitpunkt auf einem PC ohne Simulationsumgebung erfolgen. In der so gewonnenen Zeit steht der Simulator schon für weitere Tests zur Verfügung. Der Testausführungsrahmen verwendet im Hintergrund das signalbasierte Testen; daher sind alle Abläufe innerhalb des Rahmens automatisiert – und zwar Auswertung und Protokollerstellung.

Gregor Hordys

Product Engineer Advanced Applications and Technologies bei dSPACE.

Sebastian Schulte

Application Engineer bei dSPACE.

(av)

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