In punkto Ausstattung und Palette der durchführbaren Tests dürfte das neue „VDE Testlab Batterie und Umwelt“ derzeit europaweit in der Spitzenliga mitspielen. Allein in die Anlagentechnik hat der VDE rund 9,6 Millionen Euro investiert. Die Prüfstände sind so dimensioniert, dass sie auch Lkw-Batterien mit bis zu 400 kg Masse und Abmessungen von bis zu 120 x 120 cm2 aufnehmen können. Das neue Zentrum steht Automobilherstellern und Zulieferern, aber auch Forschungsinstitutionen und Behörden als Dienstleister zur Verfügung.
„Wenn Sicherheit eine olympische Disziplin wäre, dann hätte Deutschland gute Medaillen-Chancen“, konstatierte der VDE-Vorstandsvorsitzende Dr.-Ing. Hans Heinz Zimmer im Rahmen der Eröffnung. „Der VDE vereint in einzigartiger Weise Wissenschaft, Normung und Prüfung.“ Die Elektromobilität entspricht für ihn „eher einem Marathonlauf oder einem Zehnkampf als einem Sprint“, so dass ein langer Atem nötig ist, aber „langfristig gibt es zur Elektromobilität keine Alternative“, und dafür müssten sich die Hersteller jetzt fit machen.
Sicherheitstests
Ein Kernelement des neuen Prüfzentrums ist eine Anlage zur Untersuchung des Batterieverhaltens bei besonders schweren Unfällen. Dazu gehört ein Fallturm, in dem die zu untersuchende Batterie aus bis zu 10 m Höhe im freien Fall auf einen auf dem Betonfundament liegenden simulierten Laternenpfahl aufprallt und dabei eine Endgeschwindigkeit von rund 50 km/h erreicht. Eine Hochgeschwindigkeitskamera filmt den Aufprall und ermöglicht den VDE-Ingenieuren so eine detaillierte Auswertung. In einem weiteren Gebäudeteil können Batterien mit definierten Kräften gequetscht oder durch das Eindringen eines Metalldorns zerstört werden. Die in verschiedenen Industrienormen festgelegten Testkriterien – zum Beispiel die Eindringgeschwindigkeit des Dorns – lassen sich bei diesen Prüfungen genau einhalten.
Langzeitstabilität
Nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Langzeitstabilität von Traktionsbatterien untersuchen die Ingenieure in dem neuen Testzentrum. Spezielle Prüfstandsaufbauten ermöglichen es, wichtige Fragen zu beantworten, die über die Lebensdauer der Batterie entscheiden: Ist die Batterie ausreichend gegen Spritzwasser oder eindringenden Staub geschützt? Halten die verwendeten Kunststoffe auch bei längerer Einwirkung von UV-Strahlung? Korrodieren Bauteile bei einem hohen Salz- und Feuchtigkeitsgehalt der Luft? Wie verhält sich eine Batterie bei minus 70 Grad Celsius, und welchen Einfluss hat ein Temperaturschock von bis zu 24 K/min auf die Dauerfestigkeit? Wie verhält sich die Batterie beim Transport in der Luft unter Unterdruckbedingungen?
So simuliert beispielsweise ein großer Schwingungsprüfstand mechanische Belastungen, wie sie im Fahrzeug auf schlechten Straßen auftreten; die Batterie ist bei diesem Test Kräften von bis zu 120 kN ausgesetzt, deren Richtung in Sekundenbruchteilen wechselt. Da der Schwingungstisch sich in einer extra nach den Vorgaben des VDE gebauten Klimakammer befindet, sind wirklich extreme Belastungstests möglich. „Thermografie-Kameras erlauben hierbei die frühe Erkennung von Hotspots, während Gassensoren die Analyse der Luft in der Klimakammer ermöglichen“, erklärt Heiko Sattler, der als „Leiter Kompetenzzentrm Fachbereich FG81 Batterien und Brennstoffzellen“ beim VDE für den Aufbau und den Betrieb des neuen Testzentrums verantwortlich ist. „Falls sich die Vorboten eines Thermal Runaway abzeichnen, besteht die Möglichkeit, sofort die Temperatur in der Klimakammer drastisch abzusenken, aber im Notfall ist auch die Kühlung mit flüssigem CO2 möglich.“
Als elektrochemischer Energiespeicher verändert sich das Verhalten eines Lithium-Ionen-Akkus im Lauf der Zeit, abhängig davon, wie oft und wie schnell er be- und entladen wurde. Die meisten Prüfeinrichtungen sind daher so gestaltet, dass die Batterie während der Tests ge- und entladen werden kann, um so auch die Wechselwirkung der Batteriealterung mit anderen Einflussgrößen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit zu untersuchen. Zyklisierer laden und entladen die Prüflinge nach einem frei programmierbaren Rhythmus mit Spannungen von bis zu 1.000 V bei maximalen Stromstärken von 800 A, die kurzzeitig auch bis auf über 1.000 A steigen dürfen. Diese Zyklisierer befinden sich in einem zentralen Raum und lassen sich den einzelnen Prüfräumen individuell zuweisen, so dass sich praktisch alle Tests auch im zyklischen Lade/Entladebetrieb durchführen lassen. Um dabei nicht unnötig elektrische Energie in Wärme umzuwandeln erfolgt beispielsweise bei einem Entladetest mit 500 kW eine Rückspeisung in das Stromnetz mit einem Wirkungsgrad von 93%. Da die Gesamt-Netzanschlussleistung des Testzentrums 3,2 MW beträgt und das Testgelände sich direkt neben einem Umspannwerk befindet, dürfte es in punkto Netzanbindung keine Probleme geben.
Auf der 1600 m2 großen Testfläche (+ 880 m2 Bürofläche) befinden sich auch Staubkammern, in denen sich die Auswirkungen von Staubtests mit Talkum, Arizona-Staub und Portland-Zement untersuchen lassen. Wasser- beziehungsweise Dichtigkeitsprüfungen sind sowohl mit Spritzwasser als auch mit einem Druck von bis zu 100 m Wassersäule möglich, und auch für IK9-Prüfungen mit einem Gemisch aus Wasser und Staub ist das Testzentrum gerüstet. Hinzu kommen Salznebel-Sprühtests und SO2-Sprühtests zur Simulation von saurem Regen. Die Klimakammern schaffen die für die UN-Transporttests geforderten Temperaturgradienten von 5 K/min.
Das Sicherheitskonzept des Testzentrums
Von einer zentralen Leitwarte aus steuert das Bedienpersonal, das derzeit etwa 20 Personen umfasst, alle Prüfstände des Zentrums; mit Video- und Wärmebildkameras können sie das Geschehen auf dem Prüfstand verfolgen. Kritische Prüfstände sind mit elektrisch gesicherten Türen versehen, die ein versehentliches Betreten des Prüfstandes im laufenden Betrieb verhindern. Die Lagerung der Batterien erfolgt in einem vom übrigen Prüfbetrieb abgesetzten Gebäudeteil. Eine Notstromversorgung sorgt dafür, dass Steuerungs- und Sicherheitseinrichtungen jederzeit funktionsfähig bleiben. „Wir haben bei den Sicherheitssystemen echte Pionierarbeit geleistet, indem wir beispielsweise spezielle Abluftsysteme installiert haben“, erklärt Wilfried Jäger, Vorsitzender der Geschäftsführung der VDE Prüf- und Zertifizierungsinstituts GmbH.
Prüfkette für die Elektromobilität
Das neue Batterie- und Umwelttestzentrum ist nur ein Teil der Prüfeinrichtungen, mit denen der VDE die komplette Wertschöpfungskette der Elektromobilität abdeckt. Dazu gehören das Testen der Funktionsfähigkeit und Sicherheit von Elektromotoren. Die Strom-Spezialisten des VDE arbeiten bei der Typzulassung (Homologation) von Elektrofahrzeugen in einer strategischen Partnerschaft eng mit der GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung) zusammen. Darüber hinaus zertifiziert der VDE auch Einrichtungen der Ladeinfrastruktur: von der elektrischen Sicherheit bis hin zur Funktionsfähigkeit des Kommunikationsprotokolls (Interoperabilität). Hierfür steht den Prüfern auch ein Labor für die Überprüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit von Elektrofahrzeugen zur Verfügung. In Planung befindet sich für die Erweiterung des Offenbacher Prüfzentrums eine befahrbare Klima-Prüfkammer, in der sich auch komplette Fahrzeuge bis zur Größe eines Verteiler-Lkw auf Herz und Nieren untersuchen lassen.
Obwohl das Automobil im Mittelpunkt des neuen Testzentrums in Offenbach steht, können die VDE-Prüfer darin auch die Traktionsbatterien anderer Elektrofahrzeuge wie beispielsweise Pedelecs (Fahrräder mit elektrischem Hilfsmotor) untersuchen. Dieses Marktsegment wächst stark und ist noch weitgehend unreguliert. Auch Batterien/Akkus für viele weitere Anwendungsfälle, wie beispielsweise Energienetze oder Elektrowerkzeuge lassen sich dort prüfen. „Schritt für Schritt erweitern wir das Testzentrum auch für den Test von Storage-Systemen“, erläutert Wilfried Jäger.
(av)
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