Audi-Chef Rupert Stadler mochte sich in seinem Eröffnungsvortrag nur am Rande mit den diversen Optionen aufhalten, wie der Fahrzeugantrieb der Zukunft aussieht. Ihn treibt vielmehr die Frage um, wie Audi die aus seiner Sicht notwendige Transformation vom Autobauer zur „Digital Premium Car Company“ bewältigt. Denn er ist überzeugt, dass die Automobile mit den vier Ringen irgendwann auf allen Straßentypen und in allen Situationen völlig autonom unterwegs sind. Dann beschäftigten sich die Passagiere über die integrierte Online-Plattform während der Fahrt mit der Organisation ihres privaten und beruflichen Alltags, hielten Videokonferenzen ab, verwandelten den Innenraum in einen Kinosaal oder schliefen.
Der seiner Einschätzung nach weltweit erste Vorstoß in die dritte von fünf Stufen der Automatisierung gelingt dem neuen Audi A8. Dabei dürfe der Fahrer auf der Autobahn bis 60 km/h einer Nebenbeschäftigung nachgehen und die Hände vom Steuer nehmen, solange er „wahrnehmungsbereit“ bleibe.
Da aber auch das Auto der Zukunft aller Voraussicht nach noch einen eigenen Antrieb brauchen wird, gab Stadler doch noch einen kurzen Ausblick auf die diesbezügliche Strategie. Danach führt Audi bis 2020 über drei Elektroautos im Programm: Auf den neuen Audi e-tron folgt 2018 der Audi e-tron Sportback und 2020 ein Premium-Elektroauto im Kompaktsegment. Ab 2021 werde Audi sukzessive alle Kernbaureihen elektrifizieren, kündigte Stadler an. Er geht davon aus, dass im Jahr 2025 jedes dritte ausgelieferte Auto einen teil- oder vollelektrischen Antrieb haben wird. Außerdem: „Das Auto der Zukunft muss emissionsfrei sein“, ist der Audi-Chef überzeugt. Deshalb sei Wasserstoff als Energieträger der nächste große Schritt. Übergangsweise sollen es die synthetischen Kraftstoffe richten. Die Vorteile hinsichtlich CO2– und Schadstoffemission sind seit langem bekannt; allein, es fehlt an der Marktakzeptanz.
Volkswagen: mehr Effizienz
Auch für Volkswagen ist die Digitalisierung des Geschäfts ein zentrales Handlungsfeld. Konzernvorstand Matthias Müller präsentierte die Antwort seines Unternehmens auf den Wandel in dem Programm „Together – Strategie 2025“. Es beschreibe, „wie wir uns in den nächsten Jahren vom Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter wandeln wollen“, sagte Müller. Dazu zählt der Aufbau eines eigenen Geschäftsfelds für neue Mobilitätslösungen mit den jeweiligen Partnern – etwa Shared-Mobility, Connected-Services oder Ride-Hailing.
Viel konkreter als sein Vorstandskollege aus Ingolstadt ging er auf die Ausgestaltung des mittelfristigen Antriebsportfolios ein, das er als „zentrales Handlungsfeld und Schlüsselelement“ des automobilen Kerngeschäfts bezeichnete. „Die Zukunft fährt elektrisch“, sagte Müller, „aber auf dem langen Weg dahin werden uns moderne, immer effizientere Verbrennungsmotoren begleiten.“ In 2025 seien noch in drei von vier Neuwagen Otto- oder Dieselmotoren verbaut. „Deshalb machen wir unsere Verbrennungsmotoren schon bis 2020 um 10 bis 15 Prozent effizienter und damit sauberer“, versprach der Konzernchef. Für diesen Entwicklungsschub will Volkswagen in den nächsten fünf Jahren rund zehn Milliarden Euro bereitstellen. Weitere sechs Milliarden Euro fließen in die Entwicklung alternativer Systeme wie Elektro-, Erd- und Flüssiggas- sowie Brennstoffzellenantriebe. Bis 2025 sollen 30 Modelle mit batterieelektrischem Antrieb auf den Markt kommen, denn Müller ist vom Potenzial des elektrochemischen Speichers überzeugt: Mit der kommenden Generation der Lithium-Ionen-Batterie seien Reichweiten von 700 Kilometer möglich. Damit der mittelfristig absehbare Antriebsmix die finanziellen Möglichkeiten nicht sprengt, soll die Variantenvielfalt in den Volumenbaureihen bis 2020 um bis zu 40 Prozent sinken. Ab diesem Zeitpunkt kommt der modulare Elektrifizierungsbaukasten (MEB) zum Einsatz.
BMW führt Flachspeicherarchitektur ein
Auch für BMW ist 2020 ein Schaltjahr in doppeltem Sinn: Ab dann führt der bayerische Hersteller nach den Ausführungen von Stefan Juraschek, Hauptabteilungsleiter der Entwicklung von elektrischen Antrieben, eine „Flachspeicherarchitektur“ ein, die ab der fünften Generation der batterieelektrischen Fahrzeuge greift. Deren Batteriezellen basieren auf einer Nickel-Mangan-Kobalt-Chemie (NMC) und sind im Unterboden zwischen den Achsen untergebracht. Integraler Bestandteil der neuen Architektur werde die hochintegrierte Einheit aus E-Maschine, Inverter und Getriebe sein. „Durch die Hochintegration entfallen unter anderem Gehäuse, Kabel, Kühlschläuche, Stecker und Steuergeräte und damit Kosten und Gewicht“, erläuterte der BMW-Entwickler.
Als „erfolgskritischsten aller Faktoren“ erachtet Juraschek die Beherrschung der Kosten. Deshalb müsse die Fahrzeugarchitektur über eine breite Modellpalette „extrem“ skalierbar sein und Skaleneffekte optimal ausnutzen. Der ab 2020 verfügbare Baukasten sei daraufhin optimiert. Als konkretes Beispiel nannte er das Inverter-Steuergerät. Es werde über alle Inverter gleich sein und damit auf hohe Stückzahlen kommen, aber nur einmalig Entwicklungskosten verursachen. „Die konsequente Umsetzung dieser Strategie wird es BMW erlauben, ab 2020 E-Fahrzeuge anzubieten, die preislich vergleichbar sind mit einem Benziner des gleichen Segments“, stellte Juraschek in Aussicht. Vorläufige Speerspitze dieses Konzepts wird der BMW iNEXT sein, der für 2021 avisiert ist.
Eine große Herausforderung bilde aus Sicht der Produktion der Antriebsbaukasten, weil eine Fertigungslinie unterschiedliche Varianten herstellen können müsse. Eine weitere bestehe darin, die Taktzeiten zu erhöhen. Dies sei notwendig, um zum einen die Kosten zu senken und zum anderen die steigende Marktnachfrage befriedigen zu können. Deshalb arbeite BMW beispielsweise an Vergussmaterialien zur thermischen Anbindung und elektrischen Isolation, die mit wesentlich kürzeren Trocknungszeiten und Aushärteverfahren auskommen.
Um technologisch dauerhaft in der Spitze mitzufahren, will BMW die E-Motoren, das Antriebsmanagement mit Leistungselektronik sowie die Hochvolt-Batterie selbst entwickeln und produzieren. Durch die Inhouse-Strategie für die „großen Drei“, wie Juraschek es formulierte, gewinne BMW ein umfassendes Verständnis sowie die Kontrolle und Flexibilität bei der Wahl der Technologie und Lieferanten. Außerdem mache die Eigenentwicklung Kostenstrukturen transparent.
Brennstoffzelle: Der Sandwichboden ist verzichtbar
Die asiatischen Automobilhersteller legen den Schwerpunkt derzeit offenkundig auf die Weiterentwicklung der Brennstoffzelle. Nobuhiro Saito, Senior Chief Engineer bei Honda, präsentierte den jüngsten Stand des „Clarity Fuel Cell“ genannten Wasserstoffantriebs. Saito zufolge ist es dabei Honda erstmals gelungen, das Aggregat komplett im Motorraum unterzubringen. Die Leistungsdichte stieg danach gegenüber dem Vorgängermodell um 60 Prozent auf jetzt 3,1 kW pro Liter. Insgesamt generiert die Brennstoffzelle eine Leistung von 103 kW. Das Fassungsvermögen der Tanks beträgt bei einem Kompressionsdruck von 700 bar 5,5 kg und soll für eine Reichweite von 750 km gut sein.
„Honda beschränkt sich nicht auf die Entwicklung von Brennstoffzellenfahrzeugen, sondern beschäftigt sich auch mit Technologien zur Produktion von Wasserstoff“, betonte Nobuhiro Saito. Das Fernziel sei eine „Wasserstoffgesellschaft“. Als Beispiel verwies er auf den von Honda entwickelten mobilen „Power Exporter“ – ein handliches Gerät, mit dem sich die Brennstoffzelle des Autos als Stromaggregat für externe Verbraucher nutzen lässt.
Auch Toyota glaubt laut Hirohisa Kishi, Managing Officer bei Toyota, an das Potenzial von Wasserstoff als Energieträger. Deshalb will der Hersteller nach dem Modell Mirai – Toyotas ersten Serien-Pkw mit Brennstoffzelle – auch einen Bus mit dieser Technik auf den Markt bringen. In einem größeren Stil will Toyota diese bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio einsetzen. Darüber hinaus sei die Brennstoffzelle auch für den Schwerverkehr geeignet, ergänzte Kishi.
Daimler begreife die Brennstoffzellentechnologie „als integralen Bestandteil seiner Antriebsstrategie“, sagte Dr. Steffen Dehn, Leiter System Engineering Brennstoffzellen-Antrieb der NuCellSys GmbH, einer hundertprozentigen Daimler-Tochter. Mit dem neuen Mercedes-Benz GLC F-CELL, der noch in diesem Jahr seine Weltpremiere feiern wird, präsentierte Dehn einen interessanten Ansatz: Das System ist als Plug-In-Hybrid ausgelegt. Dessen Hochvolt-Batterie speichert 9 kWh und kann über die Steckdose aufgeladen werden. Die zusätzliche elektrische Energie soll zumindest die kleinen Lücken in der Wasserstoff-Infrastruktur schließen und verbessert die CO2-Bilanz Well-to-Wheel (von der Energie“quelle“ bis zum Rad), sofern regenerativ erzeugter Strom geladen wird. Die Gesamtantriebsleistung, als das Zusammenspiel aus Akku und Brennstoffzellenaggregat, hat laut Dehn gegenüber dem Vorgänger (B-Klasse) um 40 Prozent auf rund 125 kW zugelegt. Die jetzt zwei – statt vorher drei – 700-bar-Behälter nehmen 4 kg Wasserstoff auf. Die Reichweite betrage nach NEFZ 500 km.
Auch bei Daimler kommt das gesamte Brennstoffzellensystem nun im Motorraum unter. Damit ist ein Sandwichunterboden nicht mehr zwingend erforderlich. Weitere Verbesserung: Die benötigte Platinmenge im Brennstoffzellen-Stapel sank um 90 Prozent.
Dieselmotor: Stickoxide im Fokus
Dr. Rolf Bulander, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions, ließ ebenso keinen Zweifel daran, dass der Pfad Richtung Elektromobilität und langfristig gern auch der Brennstoffzelle der richtige Ansatz sei, um die globale Erwärmung auf ein Plus von 2°C zu begrenzen. Er mahnte aber auch eindringlich zu mehr Pragmatismus: „Die Immissionsproblematik in den Städten ist jetzt da, und jetzt wird sie vor den Gerichten verhandelt. Die Elektromobilität kommt zu spät, wir müssen jetzt in der Flotte wirksam sein“, benannte Bulander das drängendste Aktionsfeld. Es sei ebenso notwendig wie möglich, mit dem Verbrennungsmotor nicht nur die CO2-Emissionen entscheidend zu reduzieren, sondern gleichzeitig die Immissionsgrenzwerte auch unter realen Fahrbedingungen sicher einzuhalten. Beim Benziner liege der Fokus auf dem Verbrauch, beim Diesel auf der Reduzierung der NOx-Emissionen. Auch dafür ist nach seinen Ausführungen die Technik vorhanden.
Diesel plus 48 V
Allein sechs weitere Fachvorträge von AVL, Continental, FEV, Denso, IAV und noch einmal Bosch zum Thema Dieselemissionen dokumentieren, dass die Automobilindustrie fest entschlossen ist, den Selbstzünder endgültig salonfähig zu machen. Hauptansatzpunkt aller technischen Bemühungen ist, die Abgastemperatur möglichst schnell auf mindestens 200°C zu bringen und dauerhaft auf mindestens diesem Niveau zu halten. Denn erst dann arbeitet die Abgasnachbehandlung optimal. Die Maßnahmen dazu reichen von einer variablen Ventilsteuerung auf der Auslassseite über einen elektrisch heizbaren Katalysator, Motor-Thermomanagement sowie ein ausgeklügeltes Austarieren von Hochdruck- und Niederdruck-Abgasrückführung bis zur Unterstützung des Verbrenners mit einer 48-V-E-Maschine, um dem Dieselmotor hohe Lastspitzen zu ersparen. Geradezu als Grundausstattung jedes modernen Aggregats dieser Bauart gilt künftig die systemische Einheit aus Speicherkat und SCR-Katalyse.
Continental geht noch einen Schritt weiter und will die Rohemissionen mit Hilfe eines „connected Energy Managements“ (cEM) senken. „Durch eine verbesserte Datenbasis sind wir in der Lage, die Fahrstrategie energetisch zu optimieren“, erläuterte Dr. Oliver Maiwald, Leiter Technology & Innovations bei Continental Powertrain, im Gespräch mit emobility tec. Bei bekannter Strecke (Navigation oder Streckenerkennung durch lernfähige Algorithmen) kann das cEM-Steuergerät vorausschauend entscheiden, wann das Fahrzeug am besten rollt und wann rekuperiert werden sollte.
Dieselantrieb am Scheideweg
In der Summe wird der Selbstzünder also teuer. Doch es geht ums Ganze: „Wir dürfen nicht weiter nach Grenzwerten schielen. Der Diesel muss auf der Emissionsseite über jeden Zweifel erhaben sein“, brachte Peter Lückert, Leiter der Dieselmotorenentwicklung bei Daimler, die Agenda der Entwickler auf den Punkt. Er selbst präsentierte mit dem OM 656 einen brandneuen Sechszylinder-Dieselmotor. Bis auf die elektrische Unterstützung zeichnet dieses Aggregat alles aus, was die Abgasspezialisten als neuesten Stand der Technik beschreiben. Die Einspritzanlage baut im Rail 2 500 bar auf und misst die Einspritzmenge über Piezo-Injektoren zu. Die Aufladegruppe besteht aus einem VNT- und einem Wastegate-Turbolader. Die Abgasnachbehandlung weist neben dem Oxidationskatalysator (DOC) und dem SCR-Katalysator auch einen SCR-beschichteten Partikelfilter auf, der in den als besonders kritisch einzustufenden Niedriglastkollektiven einen Großteil der NOx-Minderung übernimmt.
Herausgekommen ist unter dem Strich ein Aggregat, das schon ab 1 000 U/min ein Drehmoment von 600 Nm und ab 1 200 U/min das Maximum von 700 Nm aufbringt. Zwischen 3 600 und 4 400 U/min stehen 250 kW (340 PS) zur Verfügung. Trotz mehr Leistung und Drehmoment gegenüber dem direkten Vorgänger (350 V6 „BlueTec“) soll der neue Motor im realen Fahrbetrieb um bis zu 10 Prozent weniger verbrauchen und die NOx-Grenzwerte unter allen Fahrbedingungen einhalten.
Da auch die anderen Hersteller auf den Diesel in der überschaubaren Zukunft nicht verzichten wollen und können, dürfte das von Daimler gezeigte Technikpaket in der einen oder anderen Ausprägung schnell Nachahmer finden. Das wäre die deutlich überzeugendere Antwort auf die in Teilen sicher überzogene Kritik an diesem Verbrennungskonzept, als sie Prof. Hans Peter Lenz, Leiter und Initiator des Wiener Motorensymposiums, noch zu Beginn der Veranstaltung ins Gespräch gebracht hatte: „Zuerst hat man durch geringe Besteuerung des Dieselkraftstoffs die Leute zum Dieselmotor gelockt. Jetzt will man ihn plötzlich verbieten. Kämpfen wir mit juristischen Mitteln gegen solche Fahrverbotsideen.“ Mit einem in den Stickoxiden um 60 Prozent reduzierten „Super Clean Diesel“, wie Continental sein Konzept zusammenfasst, hätte sich das erledigt.
Wilhelm Missler
(av)