Das Straßenbahnnetz des Regierungssitzes der Niederlande, Den Haag, ist eines der größten in Europa. Die Betreibergesellschaft ist die Haagsche Tramweg-Maatschappij (HTM, Haagsche Straßenbahngesellschaft), die ebenfalls das städtische Busnetz betreibt. Die Straßenbahnlinie wurde bereits 1864 als Pferdebahn eröffnet, die 1905 elektrifizierte Strecke ist bis heute als Teil der Linie 1 in Betrieb.
Gemeinsam mit dem Systemintegrator VCS Observation stattet die HTM bereits seit vielen Jahren ihre Fahrzeuge des ÖPNV mit Netzwerk-Sicherheitstechnik aus. Auch bei dem aktuellen Projekt, der Aufrüstung von 47 Straßenbahnwagen mit Videoüberwachungstechnik zur Verbesserung der Fahrgastsicherheit, kooperierten die beiden Unternehmen. Nach ausführlichen Tests entschied man sich, neben Produkten weiterer Hersteller, für die zwei Moxa-Produkte MXNVR-MO4 und V2616. Hierbei handelt es sich zum einen um ein Exemplar des Netzwerkvideorekorders (NVR) und zum anderen um eine Version des Schienenverkehrscomputers V2616-XPE-CT.
VCS Observation entschied sich für den Einsatz von Moxa V2616, da es sich um ein robustes Industriegerät mit Serienreife handelt. Insgesamt wurden 47 Geräte installiert. Darüber hinaus verfügt der Netzwerkvideorekorder über die einschlägigen Zertifizierungen für den Einsatz in Schienenfahrzeugen und ein flexibles, modulares Design. Die planmäßige Inbetriebnahme erfolgtel am 1. August 2012.
Robustes Industriegerät
Um Netzwerke und Computing-Geräte in Schienenfahrzeugen installieren zu können, müssen diese zwingend gemäß der Norm IEC 60571 für die elektronische Ausrüstung in Schienenfahrzeugen konstruiert worden sein. Dazu gehört unter anderen der sichere Schutz gegen Schock und Vibrationen. Für eine zuverlässige Videoaufnahme und -wiedergabe sind hohe Leistungsfähigkeit in Bezug auf Computing- und Speichervermögen erforderlich. Besonderer Wert wurde zudem auf die nahtlose Integration der Computer in den vorhandenen Kommunikations-Backbone gelegt sowie die Kompatibilität mit den Videoüberwachungskomponenten. Der Forderung nach einem robusten Design für den zuverlässigen Betrieb unter Extrembedingungen wird der Computer unter anderem durch seine lüfterlose Konstruktion ohne bewegliche Teile gerecht.
Das IP-basierte Videoüberwachungssystem verfügt über Ethernet Switches und Embedded-Computer für den Betrieb der im gesamten Zug installierten digitalen Kameras und für die Videodatenspeicherung. Sofern im System neben IP-Videokameras auch analoge Kameras vorhanden sind, können zusätzlich Videoserver zur Datenformatumwandlung eingesetzt werden. Im Führerhaus des Zuges befindet sich ein Monitor für die Echtzeit-Videoüberwachung oder die Wiedergabe spezifischer auf dem Computer gespeicherter Dateien.
Die in den verschiedenen Waggons installierten Kameras nehmen ununterbrochen Bilder auf. Um Netzwerkengpässen bei der Bündelung von Datenströmen entgegenzuwirken, werden in betriebskritischen Anwendungen die Netzwerkvideorekorder zunehmend dezentral platziert. Die Datenströme dieser Vielzahl von Kameras werden dann an einem zentralen Ort sichtbar gemacht, meist im Führerhaus der Bahn oder in einer Leitstelle, zu der die Datenübertragung drahtlos erfolgt. Im Fall der Haagschen Straßenbahn wurden die V2616-Computer im Führerhaus installiert, wo sie neben der Echtzeit-Überwachung des Geschehens im Inneren der einzelnen Waggons auch gleichzeitig die Wiedergabe der aufgenommenen Daten übernehmen. Außerdem zeichnen sie die Bilder für die später eventuell notwendige Auswertung auf. Mithilfe eines Bildschirms im Führerhaus kann der Zugführer die Bilder ausgewählter Kameras wiedergeben.
Umfangreiche Datenspeicherkapazitäten sind erforderlich, um die zuverlässige Speicherung großer digitaler Videodateien gewährleisten zu können. Massenspeichermedien wie USB-Flash-Laufwerke, SD-Speicherkarten oder Festplatten werden zu diesem Zweck üblicherweise im System eingesetzt.
In der Datenspeicherung liegt die Haupteinschränkung auf dem NVR-System. Das gesamte Überwachungssystem erzeugt eine riesige Datenmenge, die für eine eventuelle spätere Durchsicht gesichert werden muss. Auch muss eine solche Anwendung oftmals separat von den anderen Zuganwendungen agieren, da aufgrund der Fahrtgeschwindigkeiten nicht immer eine sichere Verbindung zu einem bodengebundenen Netzwerk gewährleistet werden kann. Aus diesem Grund sollte das NVR-System soweit wie möglich autark sein und nicht zu stark von konstanten externen Datensicherungen abhängen. Die Bewegung des Zuges stellt die Datenspeicherung per NVR-System vor eine weitere Herausforderung: Eine Betriebsumgebung mit Stößen, Erschütterungen und Vibrationen ist nicht unproblematisch für empfindliche elektronische Geräte wie Festplatten.
Widerstandfähigkeit gegen Erschütterungen und Vibrationen
Solid State Drives (SSDs) sind eine Möglichkeit, Systeme zu schaffen, die widerstandsfähig gegen Erschütterungen und Vibrationen in Schienenfahrzeugen und Bussen sind. Die bessere Alternative ist jedoch der Einsatz eines besonderen Hardware-Designs, das die Auswirkungen von Erschütterungen und Vibrationen reduziert, so dass handelsübliche, preisgünstige Festplatten mit hoher Speicherkapazität vorbehaltslos eingesetzt werden können. So wird die Kosteneffizienz des Systems ohne Kompromisse bei Zuverlässigkeit oder Speicherkapazität erhöht.
Moxas Schienenverkehrscomputer verfügen über einen Festplattenschutz, der Erschütterungen und Vibrationen zuverlässig abdämpft. Die Embedded-Computer unterliegen überdies einer Reihe von Tests, um die Positionierung aller Hardwarekomponenten zu optimieren und den äußeren Einfluss durch Bewegung zu minimieren.
Einfacherer Austausch von Laufwerken
Da der Austausch von Festplatten einen großen Anteil an den Wartungsarbeiten hat, kann eine Vereinfachung dieser Aufgabe die Effizienz deutlich verbessern. Ein so genanntes Hot-Swap-Laufwerk lässt sich wechseln, ohne den Computer auszuschalten. Ähnlich komfortabel gestaltet sich der Wechsel eines Einschublaufwerks, das ohne Werkzeuge entfernt und wieder installiert werden kann.
Moxas EN 50155-zertifizierte Embedded-Computer V2416 und V2616 verfügen über ein beziehungsweise zwei eingebaute(s) sowie je zwei herausnehmbare Einschublaufwerke für 2,5-Zoll- SSDs oder -HDDs. Eine zusätzliche Software ermöglicht den Wechsel des Laufwerks ohne den Computer auszuschalten.
Robustes Design für den zuverlässigen Betrieb unter Extrembedingungen
Die Anforderungen an Videoüberwachungssysteme in Schienenfahrzeuge sind äußerst hoch. Durch intelligentes Hardware-Design lassen sich die Einschränkungen, die Netzwerkvideorekorder-Systeme mit sich bringen, überwinden. So können moderne Systeme mit großer Speicherkapazität zu einem angemessenen Preis-Leistungsverhältnis installiert sowie die Wartungskosten reduziert werden und die Effizienz der Anwendungen lässt sich langfristig steigern.
(ah)