
Der Wandel zur lokal emissionsfreien Mobilität in Europa erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der das gesamte Automobilökosystem einbezieht und durch klare politische Rahmenbedingungen gestützt wird. (Bild: Roman @ AdobeStock)
Die europäische Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen. Deshalb hat die EU-Kommis-sion Anfang des Jahres mit ihr einen strategischen Dialog begonnen. Wenn dieser zu greifbaren Ergebnissen führen soll, muss er das gesamte Automobilökosystem einbeziehen. Also nicht nur Automobilhersteller, sondern auch Zulieferer von Batterien, Halbleitern, Software sowie Anbieter von Lade-infrastruktur.
Ab 2035 sollen nur noch lokal emissionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden – so der Plan der EU. Das unterstreicht einmal mehr die Bedeutung von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen. Denn andere Technologien stehen weiterhin vor erheblichen technischen und infrastrukturellen Herausforderungen, bevor sie in puncto Marktreife vollauf überzeugen können. Dennoch ist ein klares Bekenntnis der politischen Entscheidungsträger zur Elektromobilität als Schlüsseltechnologie dringend erforderlich. Und zwar auf nationaler und auf europäischer Ebene. Denn es geht für das gesamte Ökosystem Elektromobilität um Planungssicherheit für bereits getätigte Investitionen.
ZVEI-Gastkommentar: Was der ZVEI dazu sagt

Der ZVEI vertritt als einer der größten deutschen Industrieverbände die wirtschafts-, technologie- und umweltpolitischen Interessen der deutschen Elektroindustrie und Digitalindustrie. Rund 870.000 Beschäftigte arbeiten in der Elektronikindustrie und erwirtschaften so einem Gesamtumsatz von etwa 181 Milliarden Euro, was sie zum zweitgrößten Industriezweig Deutschlands macht. Verschiedene Arbeitsgruppen arbeiten im ZVEI an der Umsetzung verschiedener Anliegen. Was das für Anliegen sind:
- Gastkommentar: Software und globale Herausforderungen
- Gastkommentar: Bidirektionales Laden – AC oder DC?
- Gastkommentar: Hindernisse bei mess- und eichrechtlichen Vorgaben
- Gastkommentar: EU-Batterieverordnung ist in Kraft
- Gastkommentar: CBAM – Wir müssen uns die Zeit nehmen!
- Gastkommentar: Qualifikation von Zwischenkreiskondensatoren
- Kommentar: Automotive-Halbleiter – Neues ZVEI Fact Sheet
Vorteile betonen, Lücken in der Ladeinfrastruktur schließen
Öffentliche Diskussionen zum Thema Elek-tromobilität sind bislang vorbelastet. Hier braucht es einen Umschwung, der ihre Vorteile stärker in den Vordergrund stellt. Geringe Emissionen, höhere Effizienz oder günstigere Wartungskosten sind vor allem im Sinne der Verbraucher. Und gerade deren Perspektive sollte beim Festsetzen der Ziele und deren Umsetzung stets berücksichtigt werden. Gegenwärtig sind für jeden zweiten Haushalt in Deutschland die noch bestehenden Lücken in der Ladeinfrastruktur ein Hindernis, das von der Anschaffung eines E-Fahrzeugs abhält. Immer noch fehlen bei rund einem Drittel aller Gemeinden die öffentlichen Normalladepunkte, drei Viertel stehen bei den Schnellladepunkten noch unterversorgt da. Dringend auszubauen ist auch die Ladeinfrastruktur in Mehrparteienhäusern in Großstädten: 2023 verfügten gerade einmal sieben Prozent mit mehr als zehn Stellplätzen über eine Wallbox oder eine Ladesäule.
Temporäre Kaufanreize sind eine weitere Möglichkeit, den Hochlauf der Elektromobilität anzukurbeln. Grundsätzlich gilt es, Förderungen in einen intelligenten Rahmen zu setzen und zeitlich zu begrenzen. Langfristig sollte das Ziel darin bestehen, eine wirtschaftlich tragfähige und eigenständige Elektromobilitätsbranche zu schaffen, die ohne staatliche Zuschüsse auskommt. Letztlich liegt der Schlüssel für einen erfolgreichen Ausbau der E-Mobilität in der Förderung der Ladeinfrastruktur sowie der Verbesserung der industriellen Standortbedingungen in Deutschland und Europa. Eine stärkere Förderung von Forschung und Entwicklung in den für das Ökosystem Elektromobilität entscheidenden Bereichen Batterietechnologie, Halbleiter, Leistungselektronik sowie E-Maschinen ist hierbei unverzichtbar.
Langfristige Strategie erarbeiten, Forschung fördern
Ungefähr ein Drittel des Gesamtwerts eines batterieelektrischen Fahrzeugs hängt an der Batterie. Zwar verfügt die EU über ein hervorragendes Batterieökosystem über fast alle Wertschöpfungsstufen hinweg. Um dies zu sichern, sollte sie trotzdem eine Strategie für ein langfristig wettbewerbsfähiges europäisches Batterie-Ökosystem erarbeiten, die
alle Beteiligten in der Batteriewertschöpfungskette miteinbezieht. Unverständlicherweise wurden in Deutschland Forschungsgelder für Batterietechnologie um mehr als 50 Prozent gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen gekürzt. Ohne ausreichende Förderung der Batterieforschung droht die einheimische Industrie jedoch, bei einer der zentralen Zukunftstechnologien dauerhaft in Abhängigkeiten zu geraten.
Chips, Mikrocontroller, Sensoren und andere mikroelektronische Komponenten sind die Basis der digitalen und grünen Transformation. Die Förderinstrumente wie nationale Rahmenprogramme und europäische IPCEI müssen nicht nur fortgeführt, sondern auch weiterentwickelt und optimiert werden. Ziel muss es sein, dass alle wesentlichen Stufen der Wertschöpfungskette in Europa angesiedelt sind. Denn Halbleiterproduktion ist enorm kapital-intensiv und Europa steht im Standortwettbewerb mit den USA, China, Taiwan, Korea und Japan, die ihre Halbleiterindustrien massiv unterstützen.
Vor allem aber gilt: Die aktuellen Transformationsprozesse erfordern einige Anstrengungen, bieten aber auch erhebliche Potenziale für Innovation, Wachstum und Fortschritt. Umso wichtiger ist es, dass die EU-Kommission das gesamte Ökosystem bei ihrem strategischen Dialog mit der
Automobilindustrie berücksichtigt!