Bald auch ohne Hingucken: Mit Touchdisplays der nächsten Generation spürt der Nutzer wo eine Taste aufhört und die nächste beginnt.

Bald auch ohne Hingucken: Mit Touchdisplays der nächsten Generation spürt der Nutzer wo eine Taste aufhört und die nächste beginnt.Fotolia.com

Auf der virtuellen Tastatur eines Smartphones ist eine falsche Taste schnell gedrückt, da der Bediener die Kanten einer Taste nicht fühlen kann oder sich nicht sicher ist, ob er die Taste überhaupt richtig berührt hat. Außerdem sind glatte Glasoberflächen eine unnatürliche Oberfläche, um diese kreativ zu nutzen. Die geringe Reibung von Papier und Leinwand ist meist einfacher zu handhaben, wenn man mit einem Stift oder dem Finger schreibt oder zeichnet. Wie oft haben sie schon ein Paket von einem Lieferdienst entgegengenommen und versucht, mit dem Stift des Handheld-Terminals eine halbwegs saubere Unterschrift auf der glatten, haptiklosen Glasoberfläche hinzubekommen? Es ist also wichtig, die Greifbarkeit und Haptik von Oberflächen auf den Bereich der virtuellen Schnittstellen zu überführen.

Haptik der ersten Generation

Die Berührungstechnik ist nur ein kleiner Teil der Mobiltelefon-Erfahrung aus vergleichsweise frühen Tagen. Die Hersteller führten eine mehr oder weniger leise Vibrationsfunktion für die Geräte ein, da Nutzer andere Personen nicht durch Klingeltöne bei eingehenden Anrufen oder Textnachrichten stören wollen. Die Vibration macht auf einen Anruf oder eine Nachricht aufmerksam, ohne einen Ton über den Lautsprecher abzugeben. Eine außermittig angebrachte Masse auf einem Elektromotor (ERM; Eccentric Rotating Mass) erzeugt die Vibration und damit eine einfache Form von Haptik.

Obwohl der Vibrationsalarm hilfreich bei der Benachrichtigung des Nutzers ist, ist die Spannweite an möglichen Sinneseindrücken eingeschränkt, da eine starke Resonanzfrequenz vorliegt und das ganze Gerät vibriert. Lediglich die Einschaltdauer lässt sich anpassen, um eine Signalvarianz zu erzeugen. Dies gestaltet sich aber aufgrund der rotierenden Masse auf einem Motor schwierig.

Andere Anwendungen nutzen ebenfalls diese einfache haptische Schnittstelle. Vibration kommt in Fly-by-Wire-Flugzeugen mit elektronischer Flugzeugsteuerung zum Einsatz, um den Widerstand herkömmlicher manueller Steuerungen zu simulieren, oder das Flattern anzuzeigen, bevor die gefährliche Situation eines Strömungsabrisses eintritt. In Fahrzeugen überwacht der Spurhalteassistent das Fahren innerhalb einer Fahrspur. Bewegt sich das Fahrzeug aus der Spur ist dies ein Anzeichen mangelnder Konzentration des Fahrers. Dann vibrieren das Lenkrad oder der Fahrersitz, um den Effekt eines Rüttelstreifens zu imitieren.

Der Touchcontroller dieses Displays unterstützt bis zu 11 Piezo-Touch-Tasten, die jeweils mit Treibern für LED-Anzeigen ausgestattet sind, um auch eine visuelle Rückmeldung zu geben. Außerdem ist auch ein Summer für eine akustische Rückmeldung integriert.

Der Touchcontroller dieses Displays unterstützt bis zu 11 Piezo-Touch-Tasten, die jeweils mit Treibern für LED-Anzeigen ausgestattet sind, um auch eine visuelle Rückmeldung zu geben. Außerdem ist auch ein Summer für eine akustische Rückmeldung integriert.Aito

Haptik der zweiten Generation

Aus ähnlichen Gründen lässt sich diese einfache Haptik auch in Computerspiele integrieren. In Autorennen geht eine Kollision oder ein Verlassen der Rennstrecke mit dem Vibrieren des Steuerknüppel oder des Handheld-Geräts einher, was das Spiel um eine neue Dimension von Realismus erweitert.

Das Vibrieren des gesamten Gerätegehäuses hat aber auch seine Grenzen. Aufgrund der großen Energiemenge, die zur Bewegung der Masse erforderlich ist, ist der Stromverbrauch hoch. Für ein Smartphone mag dies noch hinnehmbar sein, bei Haushaltsgeräten hätte dies aber praktische Einschränkungen. Eine vibrierende Mikrowelle, die so das Drücken einer Taste bestätigt, macht keinen Sinn.

Haptik der zweiten Generation zielt darauf ab, die Vorrichtung in zwei Teile zu trennen: den Teil, der berührt wird und den Teil, der nicht berührt wird. Bei einem Mobiltelefon kann das Display über eine flexible Befestigung quasi schwebend vom Gerätegehäuse getrennt sein. Ein oder mehrere Aktoren können dann nur das Display bewegen, was den Stromverbrauch senkt und die Empfindlichkeit der Signale erhöht. Damit ergeben sich klarere, besser definierte Empfindungen bei einem Tastendruck.

Haptik der dritten Generation

Diese Systeme der zweiten Generation sind bezüglich der Empfindlichkeit taktiler Informationen, die an den Nutzer abgegeben werden, beschränkt, denn sie werden ebenfalls an das gesamte Panel abgegeben. In einer Multitouch-Umgebung wären sie deswegen nutzlos, da die Empfindung an einer Stelle des Panels konzentriert und anderswo gedämpft werden muss.

Hier kommt Haptik der dritten Generation ins Spiel. Techniken mit mehreren Aktoren ermöglichen ein lokalisiertes haptisches Empfinden an einer bestimmten Kontaktstelle. Zusammen mit der detaillierten haptischen Empfindung der zweiten Generation, lässt sich so eine Wahrnehmung von Oberflächenmerkmalen, Texturen und Rückkopplungen erzeugen, was die Benutzerfreundlichkeit von Mobiltelefonen und Tablets erhöht.

Die haptische Wahrnehmung nutzt die Kräfte, die durch Aktoren erzeugt werden, um ein Oberflächengefühl zu vermitteln, das sich von der eigentlichen physikalischen Oberfläche unterscheidet. Die haptische Wahrnehmung beruht auch auf der Tatsache, dass viele Berührungsempfindungen nicht durch die Berührung des Objekts entstehen, sondern auch wie sich Gliedmaßen und Finger bei einem Tastendruck bewegen. Eine weiche gummiartige Oberfläche fühlt sich anders an als eine Glasoberfläche, da der Finger beim Drücken einer Taste einen geringeren Widerstand empfindet.

Der Touchscreen ist mir vier Touch-Feldern ausgestattet, die unterschiedliche haptische Feedbacks geben. 1 ist ein Stellrad, das verschiedenen Oberflächenstrukturen simulieren kann. 2 ist ein Kameraknopf für leichtes Drücken zum Fokussieren und festes Drü

Der Touchscreen ist mir vier Touch-Feldern ausgestattet, die unterschiedliche haptische Feedbacks geben. 1 ist ein Stellrad, das verschiedenen Oberflächenstrukturen simulieren kann. 2 ist ein Kameraknopf für leichtes Drücken zum Fokussieren und festes DrüRedux Lab

Verschiedene haptische Rückkopplungstechniken

Drei verschiedene Techniken liefern in Elektronikgeräten ein taktiles Empfinden: Resonanzmasse, Elektrostatik und Biegewellen. Zu der Kategorie ‚Resonanzmasse‘ zählen die beschriebene ERM, LRAs (Linear-Resonanz-Aktoren) und piezoelektrische Vorrichtungen mit einer schwingenden Masse. Im Allgemeinen können sie als Masse auf Federn bezeichnet werden, die eine hohe Resonanzfrequenz besitzen. Techniken zum Pulsieren oder Modulieren dieser Resonanz ermöglichen eine kleine Auswahl von Empfindungen, die sich voneinander unterscheiden lassen.

Die Elektrostatik basiert auf der Coulomb-Kraft, die dafür sorgt, dass ein Ballon haften bleibt, wenn man ihn an seinen Haaren reibt. Durch ein elektrisches Feld, das eine hohe Spannung unter der Oberfläche des Gerätepanels besitzt, kann ein elektrostatischer, haptischer Aktor das Gefühl einer Anziehung zwischen Finger und Touchscreen erzeugen. Die Kraft ist sehr schwach, aber der haptische Effekt lässt sich durch eine Hochfrequenz-Modulation des elektrischen Feldes verstärken. Ist die Feldstärke hoch, neigt der Finger dazu, an der Oberfläche haften zu bleiben. Diese Modulation erzeugt das Gefühl von Reibung, wenn sich der Finger über die Oberfläche bewegt. Obwohl die elektrostatische Ansteuerung Tastenbetätigungen nicht direkt simuliert, definiert sie die Kanten virtueller Tasten, indem sich Teile der Oberfläche rauer anfühlen. Um ein elektrisches Feld groß genug für ein wirksames haptisches Empfinden zu halten, müssen Hersteller komplexe Beschichtungen auf das Displayglas aufbringen. Das Display muss auch aufwendig montiert werden, um die haptischen Empfindungen zu ermöglichen.

Die dritte Variante sind Biegewellen. Die alternative Haptik-Technik der dritten Generation nutzt bewegliche Spulenaktoren, um eine haptische Rückkopplung mit geringeren Spannungen zu ermöglichen. Mit Biegewellen lassen sich Flachpanels aus Display-Glas in Lautsprecher umwandeln. Sie nutzen niederfrequente Eigenresonanzen des Touchpanels oder Displays, um eine haptische Rückkopplung zu erzeugen, einschließlich Oberflächenstrukturen, und das Gefühl einer Tastenbetätigung. Dabei wird die taktile Rückkopplung an bestimmten Punkten der Touchscreen-Oberfläche konzentriert, während sie an anderen Punkten verringert wird, was eine echte Multitouch-/Multifeel-Umgebung erzeugt.

Piezoelektrische Aktuatoren, die aus Materialien bestehen, die sich beim Anlegen einer elektrischen Spannung verbiegen, sorgen ebenfalls für eine Kraft zwischen dem Display und seiner Befestigung in Biegewellensystemen. Sie lassen sich auch über flexible Oberfläche verteilen, um eine lokalisierte Rückkopplung zu erhalten. Auch elektroaktive Polymere und andere Materialien erzeugen Vibrationen in Geräten, um grundlegende haptische Rückkopplung zu bieten.

Neben benutzerfreundlicheren Smartphones erhöhen Benutzerschnittstellen mit Biegewellenhaptik auch die Sicherheit von Fahrern und Bedienpersonal industrieller Einrichtungen, die Änderungen bei Steuerungen vornehmen und ihre Aufmerksamkeit zugleich auf die Straße oder das zu handhabende System richten müssen.

Übergang zur Haptik der vierten Generation

Das Zusammenspiel zwischen Körperbewegung und der Oberfläche ist entscheidend für fortschrittliche Touch-Schnittstellen, wie sie in Haptik-Einrichtungen der dritten Generation zu finden sind. Zusammen mit der Betätigungstechnik ergibt sich der nächste Schritt: hochauflösende Haptik-Controller und druckempfindliche Schnittstellen – feste Oberflächen, die auf die Art und Weise reagieren, in der der Nutzer auf die Oberfläche drückt.

Ein passendes Beispiel ist ein Lichtschalter. Wird er betätigt, erwarten wir drei Dinge: wir fühlen, dass sich der Zustand des Schalters ändert, wir hören das Klicken, und wir sehen, wie das Licht angeht. Findet eine dieser Reaktionen nicht statt, gehen wir von einem defekten System aus. Diese sinnliche Wahrnehmung erlaubt das Erkennen von Qualität – den Unterschied zwischen einem billigen und einem teuren Schalter oder zwischen einem alten Auto oder einem neuen BMW. Fühlen ist also wichtig und muss in unsere Elektronikgeräte integriert werden, um die Wahrnehmung für Qualität, Zweck und Produktivität zu ermöglichen.

Durch das Erzeugen einer Kraft, sobald ein Finger einen Punkt berührt, lässt sich dieses Oberflächen-Gefühl simulieren. Für den Nutzer erscheint die Oberfläche damit weicher als sie physikalisch ist. Gibt die Kraft plötzlich nach, sobald der Finger nach unten gedrückt wird, lässt sich die Bewegung einer mechanischen Taste simulieren und somit die Illusion erzeugen, dass das Objekt berührt wird. Dieses schnell reagierende Verhalten in Bezug auf Kraft oder Druck sorgt für eine überzeugende Haptik. Diese Art von Rückkopplung ist zum Beispiel bei Grafik-Tablets für Bildbearbeitung von Nutzen, wenn ein höherer Druck die Breite des Stifts erhöht. Ein Nutzer kann so auch auf Hyperlinks aufmerksam gemacht werden: ein festeres Drücken ruft den Link einer Webseite auf. Versehentliche und falsche Betätigungen erübrigen sich damit. Eine Krafterkennung kann auf verschiedene Arten integriert werden: von einfachen Kraftmesswiderständen bis hin zu druckbarer elektroaktiver Tinte und Rechenverfahren, die auf stromerzeugender Berührungserkennungstechnik basieren.

James Lewis

ist CEO der Redux Laboratories in Little Gransden (Großbritannien).

(mf)

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