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Bild 1: Das Fitnessarmband Lifeband Touch von LG mit 3D-Beschleunigungssensor, Kalorienanzeige, Herzfrequenzanzeige und Bluetooth LE.

Bild 1: Das Fitnessarmband Lifeband Touch von LG mit 3D-Beschleunigungssensor, Kalorienanzeige, Herzfrequenzanzeige und Bluetooth LE.Mouser

Die Fähigkeit, die Gesundheitsdaten über die am Körper getragene Messelektronik, die so genannten Wearables, fernabzufragen, verspricht messbare Erfolge bei der Gesundheitsfürsorge. Nach Aussage der internationalen Groupe Speciale Mobile Association (GSMA) hat eine Studie zu US-amerikanischen Patienten mit chronischem Herzversagen belegt, dass fernüberwachte Patienten weniger und kürzere Krankenhausaufenthalte aufwiesen als eine Kontrollgruppe, während eine weitere Studie aussagte, dass die Fernüberwachung von Patienten mit chronischem Herzversagen die Wiedereinweisungen um 72 % senken könnte. Wie die GSMA auch sieht die Continua Health Alliance – ein gemeinnütziges Industriekonsortium aus Gesundheits- und Technologieunternehmen – die Fernüberwachung oder die Telebetreuung von Patienten (Telehealth) für eine Schlüsselgröße bei Gesundheitslösungen gegen die in die Höhe schießenden Ausgaben für chronische Krankheiten von über 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Eckdaten

Am Körper tragbare, drahtlose Messelektronik erfasst Vitaldaten zur medizinischen Gesundheitsvorsorge und Langzeitüberwachung. Das ermöglicht eine schnellere und genauere Diagnostik und unterstützt die Behandlung chronischer Krankheiten. Für Entwickler von Wearables sind zunehmend Referenzdesigns und Entwicklungskits verfügbar, wie beispielsweise das Entwicklerboard Edison in SD-Karten-Größe von Intel oder die Wearables Reference Platform (WaRP) als umfangreiche und skalierbare Open-Source-Lösung mehrerer Chiphersteller.

Hier kann am Körper tragbare Messelektronik helfen, die gesundheitliche Entwicklung besser zu verfolgen als bisher. Anstelle gelegentlicher Momentaufnahmen der Vitalfunktionen in Praxen oder Krankenhäusern bieten am Körper tragbare Gesundheits- und Wellnessprodukte Langzeitmessdaten über die körperliche Konstitution des Einzelnen. Tatsächlich werden die technisch fortschrittlichsten Wearables auf gesundheitliche Vorkommnisse verzögerungsfrei reagieren können oder den Arzt in die Lage versetzen, Ferndiagnosen und Behandlungen in beschränktem Umfang durchzuführen.

Welche Mobile-Health-Geräte für den Anwender im heimischen Umfeld zum Einsatz kommen, welche Sensoren und Messtechnik das erfordert und welche Hilfsmittel insbesondere Wearables-Entwicklern zur Verfügung stehen, wird im Folgenden besprochen.

Kontinuierliche Vitaldaten durch Wearables

Während Personen ihre Herzfrequenz schon seit Jahren mit Fitnessüberwachungsgeräten rund um die Uhr verfolgen können, soll die neue Welle an leistungsstärkeren Wearables kontinuierliche Aktualisierungen von wichtigen Diagnosedaten bieten können. So übertragen zum Beispiel am Körper tragbare, drahtlose Sensorsysteme wie Blutdruckmessgerät, Funk-EKG und Oximeter von iHealth Lab die Daten über Bluetooth an Smartphones. Das ambulante Blutdruckmessgerät soll zwecks Dauerüberwachung in einer Weste getragen werden, um den normalen Tagesablauf des Trägers nicht zu stören. Die Elektroden und die Anzeige des EKG-Geräts sind in einer leichten Einheit vereint, die direkt am Brustkorb des Anwenders angebracht wird und so unter der Kleidung getragen werden kann, während Daten in die Cloud hochgeladen werden und dort den Gesundheitsdienstleistern verfügbar sind. Ähnlich verhält es sich beim Pulsoximeter, das einen Fingerspitzensensor verwendet, der an einem bequemen Armband angebracht ist und die durchgehende Messung der Blutsauerstoffsättigung ermöglicht.

Die Fitness-Tracker ihrerseits werden immer kleiner und können vom Nutzer mittlerweile durchgehend, bequem und unauffällig getragen werden. Die Fitness-Wearables der nächsten Generation wie das Lifeband Touch von LG (Bild 1), Vivofit von Garmin und Core von Sony werden immer leistungsfähiger und stellen mehr Daten für höher entwickelte Anwendungen zur Verfügung, die zunehmend Unterstützung in den Bereichen Gesundheit und Fitness leisten können.

Sensitive Kleidung

Hinter der schnellen Verbreitung dieser neuen Wearables-Generation für das Wohlbefinden stecken enorme Fortschritte in einer großen Anzahl an Technologien, zu denen neben Sensoren und Prozessoren mit äußerst geringer Leistungsaufnahme auch die Funkübertragung, flexible Elektronik und die Aufbau- und Verbindungstechnik gehören. Tatsächlich war einer der größten Durchbrüche der letzten Jahre die Fähigkeit der Hersteller, Sensoranordnungen in die Kleidung einzuweben, was die Entwicklung von diagnostischen Instrumenten ermöglichte, die bequem und unauffällig getragen werden können.

So werden zum Beispiel bei Smart Clothing von AiQ winzige Fäden aus rostfreiem Stahl in den Stoff eingewoben, die ein leitfähiges Gitter für eingebettete Sensoren darstellen, die nicht nur die Hauttemperatur und -feuchte überwachen, sondern unter anderem auch biometrische Messungen der elektrischen Aktivitäten des Herzens (EKG), des Gehirns (EEG) und in den Muskeln (EMG) durchführen können. Diese Sensorgruppe könnte, quasi unsichtbar eingebettet in Klinikkleidung wie Patientenhemden und Decken, die Gesundheitsdienstleister kontinuierlich und nicht-invasiv mit Vitaldaten versorgen.

Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Reduzierung von Fehldiagnosen in derzeitigen Untersuchungsverfahren verwendet First Warning Systems seine eigene eingebettete Sensortechnik in seinem vernetzten BH, der auf nicht-radiogene und -invasive Weise gewonnene, diagnostische Daten liefert, während er wie jeder andere BH seinen Zweck erfüllt. In diesem Smart Bra sind mehrere Sensoren eingebettet, die Daten für eine softwaregestützte Trendanalyse sammeln, welche den Arzt dann auf mögliche Anomalitäten hinweisen kann. Wie klinische Versuche belegen, können mit der Technik von First Warning Systems Gewebeveränderungen überwacht werden, die vor der Bildung von Tumoren auftreten, wodurch eine kostengünstige Frühwarnung möglich wird, die dazu beiträgt, gegenwärtige Untersuchungsverfahren noch effektiver zu machen.

Pflaster mit transkutaner Stimulation

Wearables machen aber nicht nur die Gesundheitsüberwachung leistungsfähiger, sie fassen auch langsam in der Behandlung Fuß. So entwickelt zum Beispiel Thimble Bioelectronics eine Art kleines Pflaster für die mobile Behandlung lokaler Schmerzen mithilfe der transkutanen (durch die Haut) elektrischen Nervenstimulation (TENS) und der elektrischen Muskelstimulation (EMS). Stationäre TENS-/EMS-Geräte hingegen binden den Anwender an den Aufstellungsort Zuhause oder in therapeutischen Behandlungsräumen. Somit bieten die nun verfügbaren mobilen Pflaster durch langfristige und unmittelbare Anwendung eine Chance auf weitgehende Heilung von chronischen Schmerzen.

Diabetes Manager

Der OmniPod von Insulet bietet zusammen mit einer tragbaren Insulinpumpe den Personal Diabetes Manager (PDM). Der PDM vereint in sich einen eingebauten Blutzuckermesser mit drahtloser Ansteuerung der Insulininjektion, die durch den kleinen, tragbaren Insulinspender verabreicht wird. Nicht wie bei herkömmlichen Insulininjektionssystemen kann der wasserdichte OmniPod durchgehend getragen werden – sogar beim Duschen oder Schwimmen – ohne die Gefahr einer Fehldosierung und ohne Einschränkung des aktiven Lebensstils.

Die Schaffung neuer am Körper tragbarer Produkte für Medizin-, Gesundheits- oder Fitnessanwendungen stellt uns vor neue und noch nicht dagewesene Herausforderungen. Die Entwickler müssen fortschrittlichste Sensorsysteme, Embedded-Systeme mit geringer Leistungsaufnahme und Funkübertragungstechnik in den kleinstmöglichen, biokompatiblen Packages vereinen. Gleichzeitig müssen sichtbar getragene Wearables wie Armbänder die Form und Passform eines attraktiven Modeaccessoires aufweisen und zudem die langen Betriebsphasen zwischen den eher seltenen Batterieaufladungen überstehen.

Bild 2: Der Fitness-Tracker Shine von Misfit wird durch eine austauschbare Li-Ionen-Knopfzelle CR2032 versorgt und enthält einen äußerst energiesparsamen ARM Cortex-M3-Prozessor von Silicon Laboratories.

Bild 2: Der Fitness-Tracker Shine von Misfit wird durch eine austauschbare Li-Ionen-Knopfzelle CR2032 versorgt und enthält einen äußerst energiesparsamen ARM Cortex-M3-Prozessor von Silicon Laboratories.Mouser

Klein, leistungsstark und sparsam

Für den Entwickler kommt es hier zum Konflikt der sich gegenüberstehenden Anforderungen von Energieverbrauch und Leistungsumfang. Deswegen werden in Wearables normalerweise hochintegrierte MCUs mit geringstem Energiebedarf eingesetzt. So basiert der OmniPod von Insulet auf der äußerst energiesparenden S08-Core-Architektur von Freescale Semiconductor. Diese hoch integrierten MCUs vereinen On-chip-RAM, Flash, Timer, A/D-Wandler und mehrere Schnittstellen sowie verschiedene Energiesparmodi mit überzeugenden 20 nA im Schlafzustand in sich. Durch den sehr geringen Energieverbrauch der MCU stellt Insulet sicher, dass die Energie der beiden AA-Batterien im OmniPod größtenteils für den Betrieb der relativ energiehungrigen Insulinpumpe verfügbar bleibt.

Bei seinem drahtlosen Fitness-Tracker Shine sah sich Misfit sogar noch größeren Einschränkungen in punkto Energieverbrauch gegenüber. Da häufiges Aufladen am ständig getragenen Überwachungsgerät Shine stört, wird der Fitness-Tracker bewusst mit einer Li-Ionen-Knopfzelle CR2032 versorgt, mit der die funktionsreiche Anwendung mit Funkanbindung mindestens vier Monate laufen soll. Mit seiner begrenzten Energiemenge muss der Shine Daten seines 3D-Beschleunigungssensors mit einer Reihe ausgeklügelter Algorithmen verarbeiten, gleichzeitig eine LED-basierte Bedieneroberfläche ansteuern und über Bluetooth mit der Shine-App auf dem Smartphone kommunizieren. Hier kommt die MCU Leopard Gecko zum Einsatz, eine äußerst energiesparende Implementierung des ARM Cortex-M3-Prozessors von Silicon Laboratories (Bild 2). Durch die Ausstattung des Gecko mit dem energiesparsamen Sensorinterface Lesense und dem Peripheral Reflex System (PRS) lässt sich der Energieverbrauch minimieren, weil der MCU-Prozessor im Sparmodus bleiben kann, während die Daten über Lesense erfasst und die Operationen zwischen Peripheriebausteinen über PRS autonom abgewickelt werden.

Intel hat seine Quark-MCU speziell für am Körper tragbare und ähnlich tief eingebettete Anwendungen konzipiert, wo es mehr auf geringen Energie- und Platzbedarf ankommt, als auf pure Leistung. Der ursprüngliche Quark-Baustein X1000 verfügt über einen mit 400 MHz getakteten 32-Bit-Prozessor mit 512 kByte SRAM, einen DDR3-Speicher-Controller und mehrere Schnittstellen. Als Reaktion auf den wachsenden Sicherheitsbedarf bei Wearable-Anwendungen, wurde der X1000 mit einem chipeigenen Boot-ROM ausgestattet, der einen hardwareseitigen Vertrauensanker (Root of Trust, RoT) für die Authentifizierung bildet. Mit dem Entwicklerboard Edison bietet Intel den Entwicklern von Wearables eine sehr kleine Plattform in Größe einer SD-Karte, die einen 400-MHz-Quark mit zwei Prozessoren, LPDDR2 und NAND-Flash-Speicher sowie WLAN- und BLE-Anbindung (Bluetooth Low Energy) in sich vereint (Bild 3).

Bild 3: Das Entwicklerboard Edison in SD-Karten-Größe von Intel überzeugt durch einen Dual-Core-Quark-Prozessor mit chipinternem Speicher und Anbindung über WLAN und Bluetooth LE.

Bild 3: Das Entwicklerboard Edison in SD-Karten-Größe von Intel überzeugt durch einen Dual-Core-Quark-Prozessor mit chipinternem Speicher und Anbindung über WLAN und Bluetooth LE.Mouser

Entwicklungshilfe

Trotz der Entstehung effektiverer Elektronikbauelemente und Verfahren in der Aufbau- und Verbindungstechnik müssen sich die Entwickler und Konstrukteure der schwierigen Aufgabe stellen, Hard- und Softwarebausteine in praktische und am Körper tragbare Systeme zu überführen. Um die Entwickler bei der Überwindung der technischen Hürden im Zusammenhang mit den Wearables zu unterstützen, bieten Hersteller Referenzdesigns, Designkits sowie Entwicklungsumgebungen und vieles mehr an. So soll die Wearables Reference Platform (WaRP) zum Beispiel als umfangreiche und skalierbare Open-Source-Lösung für das Design von Wearables dienen (Bild 4). Zur WaRP gehören der auf den ARM Cortex-A9 aufsetzende Anwendungsprozessor i.MX 6SoloLite von Freescale, die Intelligent Motion-Sensing Platform MMA955xL von Xtrinsic und der digitale 6-Achsen-Sensor FXOS8700CQ von Freescale mit Kynetics-Software und Hardware von Revolution Robotics.

Texas Instruments bietet sein eigenes Referenzdesign „Chronos Personal Area Network (PAN) and Sensor Node“ an, das auf eine MSP430-MCU mit integriertem Funktransceiver im Sub-GHz-Bereich aufsetzt. Die Chronos-Plattform im Sportuhren-Format kann über Funk mit Pulsüberwachungen, Schrittzählern und weiteren Messeinheiten gekoppelt werden.

Bild 4: Die Wearable Reference Platform (WaRP) mit Hauptplatine (oben) und Tochterkarte bietet die vollständige Hardware für den Entwurf von Wearables.

Bild 4: Die Wearable Reference Platform (WaRP) mit Hauptplatine (oben) und Tochterkarte bietet die vollständige Hardware für den Entwurf von Wearables.Mouser

Movea hat sich mit TI und Xm-Squared zusammengetan, um sein Wearable-Referenzdesign der Baureihe G in Armbandausführung auf den Markt zu bringen, mit der eine ganze Reihe an gesundheitsrelevanten Eigenschaften überwacht werden soll, zu denen neben Aktivität, Körperhaltung und Schlaf auch Bewegungsgeschwindigkeit und -häufigkeit gehören. Beim Referenzdesign kommen die Embedded-Bibliothek Motionsport von Movea und ein Armband-Design von Squared mit dem energiesparenden SoC CC2541 von Texas Instruments zusammen, der die Anbindung sowohl über Bluetooth Low Energy als auch über eine TI-eigene 2,4-GHz-Funktechnik leistet. Eine der Eigenschaften, die besonders für medizinische Anwendungen interessant sein dürfte, ist die Unterstützung für eine Analyse von Schlaftiefe, -verlauf und -qualität, deren Ergebnisse schon dicht an die Resultate der Polysomnografie aus Schlaflaboren heranreichen.

Fazit

Wearables können eine Antwort auf die fortwährenden Forderungen der Gesundheitsbranche nach mehr Qualität und Unmittelbarkeit der vitalen Statistikdaten sein. Durch den jetzt möglichen, sofortigen Zugriff auf Langzeitüberwachungsdaten, kann die am Körper tragbare Messelektronik den Gesundheitsdienstleistern Daten für die schnellere und genauere Diagnostik an die Hand geben – und so vielleicht zur Eindämmung der explodierenden Kosten für die Behandlung chronischer Krankheiten und Schmerzen beitragen. Durch die kontinuierliche Entwicklung und Weiterentwicklung von leistungsfähigen Sensoren, äußerst energiesparenden MCUs, flexiblen Elektronikbausteinen und in der Aufbau- und Verbindungstechnik werden Wearables in Anwendungen aus den Bereichen Medizin, Fitness und Gesundheit Einzug finden, die vorher allein teuren Krankenhausgeräten und Heimeinheiten vorbehalten gewesen sind. Für Entwickler bietet eine länger werdende Liste mit Referenzdesigns und Entwicklerkits hervorragende Ausgangspunkte, um sich von da aus in die Welt der Wearables vorzuwagen.

Steve Evanczuk

ist Mitarbeiter bei Mouser Electronics.

(jwa)

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