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(Bild: Rethink Robotics)

Auf die Schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

  • kollaborative Roboter können die Prozessverkettung übernehmen
  • Programmierung von der Spieleindustrie abgeleitet
  • Schnelle Anpassungen durch Behavoir-Trees und Teach-in
  • Cobot trifft auf Basis von Prozessdaten Entscheidungen
  • Cobot-Display lässt sich als Maschinen-Dashboard nutzen

Obwohl moderne SPSen mit Microcontrollern ausgestattet sind, können sie ihre Abstammung von elektromagnetischen, relaisbasierten Geräten nicht verleugnen. Deshalb gestaltet sich ihr Einsatz in flexibel automatisierten Systemen oft kompliziert. Besonders in Zeiten hoher Nachfrageschwankungen und individualisierter Produkte – Stichwort Losgröße 1 – offenbart sich ihr entscheidender Nachteil: Ihre Programmierung ist umständlich und verlangt Experten. Die Konsequenz: Die Automatisierung von vielen Fertigungsschritten rechnet sich nicht, da die Anpassungen des Steuerungsprogramms und die Umrüstung der Anlagen viel zu aufwendig sind. Aber SPSen sind nicht die einzige Möglichkeit, um Aufgaben zu automatisieren. Kollaborative Roboter (Cobots) können bei vielen Applikationen eine effektive und leicht zu programmierende Alternative zur SPS sein. So lohnt beispielsweise der Einsatz kollaborativer Roboter in kleinen, spezialisierten Arbeitszellen, etwa für Test- und Prüfanwendungen sowie zur Beschickung von Maschinen mit Werkstücken.

Mehr als nur ein stupider Produktionshelfer

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Warum nicht kollaborierende Roboter für die Verkettung und Kontrolle von Prozessschritten nutzen? Rethink Robotics

Cobots sind so konstruiert, dass sie mit Mitarbeitern zusammenarbeiten und ihnen monotone, gefährliche oder unergonomische Aufgaben abnehmen können. Während traditionelle Industrieroboter fest installiert und abgeschottet monate- oder jahrelang dieselbe Aufgabe ausführen, können Cobots unkompliziert von einer Aufgabe zur anderen wechseln.

Gleichzeitig steckt in Cobots das Potenzial mehr zu sein als nur einfache Produktionshelfer: Sie ermöglichen es Unternehmen, anhand von Datenerfassung und deren Analysen in Echtzeit fundierte Entscheidungen zu treffen. Wenn Firmen ihre Produktionsdaten im Blick haben, können sie flexibel auf Fehler reagieren und so Kosten sparen. Doch die Erfassung und Auswertung dieser Daten findet vor allem in kleinen und mittelständischen Betrieben überhaupt nicht statt – weil zu kompliziert und bei ständig wechselnden Fertigungschargen zu aufwendig einzurichten. Werden Informationen erfasst, dann in der Regel von Hand, per Stichproben oder über Standalone-Systeme. Dies erschwert wiederum eine schnelle Analyse und führt zu langen Reaktionszeiten. Zudem bedarf die Datenerfassung und -analyse entsprechendes Fachwissen.

Beispiel: Cobot sammelt und verarbeitet Daten

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Mittels Behaviour-Trees lassen sich Bewegungsabläufe und Aktionen des Cobots programmieren. Rethink Robotics

751iee0218_Bild Kasten_Sawyer zeigt Produktionsdaten mit Intera 5.2

Intera 5.2, das Betriebssystem für den kollaborativen Roboter Sawyer, ermöglicht einen Einblick in unternehmenskritische Daten in Echtzeit. Rethink Robotics

Im Firmensitz von Rethink Robotics in Boston steht ein gutes Beispiel für eine Anwendung, bei der ein Cobot eine SPS ersetzt. Hier bedient ein Cobot vom Typ Sawyer drei Maschinen in der Qualitätssicherung und wertet gleichzeitig deren Daten aus. Das Setup: Anfangs kommt ein Teil beim Cobot an und er übergibt es in ein Prüfgerät. Wenn das Bauteil diesen Test besteht, transportiert der Roboter es zu einem zweiten Prüfstand und anschließend zu einem dritten. Nur wenn alle drei Tests erfolgreich waren, legt der Cobot das Teil in den Behälter für Gut-Teile. Doch warum macht es Sinn, einen kooperativen Roboter in dieser Arbeitszelle einzusetzen? Der Grund liegt darin, dass die Prüfgeräte mit Microcomputern arbeiten. Eine SPS ließe die Teststände nur wissen, wann sie anfangen oder aufhören müssen. Dem per SPS automatisierten Roboter könnten sie lediglich mitteilen, ob ein Teil erfolgreich oder fehlerhaft getestet wurde. Soweit klingt das noch einfach. Jedoch müsste ein Ingenieur sowohl eine oder sogar drei Steuerungen (der Testgeräte) als auch einen Roboter programmieren – und das mindestens in zwei verschiedenen Sprachen. Im Gegensatz dazu kann der Cobot die Messdaten der Prüfgeräte verarbeiten und darauf basierend Entscheidungen treffen – ähnlich wie eine SPS. Möglich macht das das Betriebssystem Intera 5.2. Damit verarbeitet der Roboter die Daten, die er mit seinen Sensoren auswertet, etwa die Kontrolllampe des Prüfgeräts. Der Cobot kontrolliert so die Arbeitszelle und sagt den Geräten, wann sie starten oder stoppen sollen. Aber er entscheidet auch – entsprechend dem Input, den er von den Prüfsystemen erhält – ob ein Teil den Test bestanden hat oder nicht. Der Vorteil: Der gesamte Prozess lässt sich programmieren, ohne eine Programmiersprache lernen zu müssen. Stattdessen reicht das Behaviour-Tree-Prinzip der Intera-Software aus.

Programmierung: Gaming-Industrie als Vorbild

Ursprünglich stammt das Konzept der Behaviour Trees aus der Gaming-Industrie, denn die spezialisierten Programmierer sind teuer und in dieser Branche selten. Zudem haben Game-Designer oft keine Programmierkenntnisse, müssen aber komplexe Verhaltensmuster für Videospiel-Charaktere programmieren. Das Behaviour-Tree-Prinzip lässt sich nicht nur auf Cobots übertragen, sondern im Prinzip auch auf die gesamte Arbeitszelle.

Rethink Robotics hat den kollaborativen Roboter Sawyer für den flexiblen Einsatz entlang der gesamten Produktionslinie entwickelt. Durch die einfach zu bedienende Nutzeroberfläche und das Train-by-Demonstration-Prinzip (Einlern-Modus) können Bediener dem Cobot neue Aufgaben beibringen, ohne spezielle Programmierkenntnisse zu benötigen.

Fakt ist: Der Bedarf an individualisierten Applikationen steigt. Damit nimmt auch die Anzahl der Arbeitszellen zu, in denen sich der Einsatz von Cobots anstelle von SPSen anbietet. Allerdings werden die kollaborativen Roboter nicht alle klassischen Steuerungen ersetzen, deren Stärke unbestritten in der Automatisierung von Anlagen mit großen Stückzahlen liegt. SPSen steuern Produktionslinien besser, die auf Dauer nur ein einziges Produkt herstellen oder schwere Teile bewegen. Dort braucht es nicht die Flexibilität eines Cobots und das Investment in eine SPS zahlt sich aufgrund der Dauer und Konsistenz der Nutzung aus. Wenn aber flexiblere Produktionslinien benötigt werden, lohnt der Einsatz von Cobots definitiv.

Darius Wilke

ist Director European Business bei Rethink Robotics.

(ml)

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