Dr. Jan Burgard, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors,

Die Elektroauto-Start-ups sind laut Dr. Jan Burgard, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors, unter Druck. (Bild: Berylls)

Viele neue E-Automarken stehen wirtschaftlich unter Druck. Zu dieser Einschätzung kommt die Beratung Berylls Strategy Advisors in einer Marktbetrachtung. Jüngstes Beispiel ist eGo Mobile. Seit Mitte März ruht die Produktion, staatliche Hilfen konnten bislang nicht beantragt werden. Nun sieht sich das Unternehmen gezwungen, ein Schutzschirmverfahren in die Wege zu leiten, um sich vor dem Zugriff durch die Gläubiger zu schützen und so eine mögliche Insolvenz zu vermeiden.

So wie viele E-Auto-Start-ups kämpft e.Go Mobile seit längerem mit Problemen. Unter anderem konnte das für 2019 anvisierte Ziel von 1000 verkauften Autos nicht erfüllt werden – es waren lediglich 540. Dr. Jan Burgard, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors: „eGo Mobile war schon vor der Krise nahezu unsichtbar im Markt.“ Nach Ende des Shutdowns müssten die Aachener dann gegen die neuen E-Modelle der bekannten Hersteller antreten. Es sei noch nicht sicher, dass dem geschwächten Unternehmen dieser Kraftakt gelingen werde.

Dabei ließen die E-Auto Zahlen in Deutschland zuletzt eine Trendwende vermuten. Im März wurden mehr als 10.300 batterieelektrische Autos zugelassen, ein neuer Rekordwert, der den Vorjahresmonat um 56 Prozent übertrifft. Offenbar wirkt die erhöhte E-Autoförderung, denn auch der Januar und Februar waren hierzulande E-Auto-Erfolgsmonate.

Was jedoch passiert, wenn die Förderung gestrichen oder reduziert wird, zeigt ein Blick nach China. Das Jahr 2019 war eines der schlimmsten für die dortige Automobilindustrie, insbesondere die NEVs (BEVs und PHEVs) entwickelten sich stark rückläufig. Der chinesische Verband der Automobilindustrie veröffentlichte Verkaufsdaten für 2019, die vor allem durch die starke Kürzung der Subventionen, aber auch durch die allgemein schwächelnde Konjunktur beeinflusst wurden. Im Vergleich zu 2018 ging der Verkauf von NEVs um 4 Prozent zurück und lag bei 120.6000 Einheiten.

Seit 2009, dem Jahr, in dem die Fördermaßnahmen für den NEV-Absatz gestartet wurden, ist das der erste Rückgang überhaupt. Vom Absatzeinbruch sind jedoch nicht alle Hersteller gleichermaßen betroffen. Burgard: „Vor allem die noch nicht richtig im Markt verwurzelten E-Auto-Start-ups kämpfen seit 2019 um Leben und Tod.“ Das Covid-19-Virus habe das Potenzial, diesen Kampf zu beschleunigen.

China setzt strenge Zulassungsbeschränkungen für neue Kfz außer Kraft

Nicht zuletzt, weil die chinesische Administration ein ganzes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht hat, um den Autoabsatz anzukurbeln. Dazu gehört auch eine Aussetzung der strengen Zulassungsbeschränkungen für Neufahrzeuge. Von der waren bislang nahezu ausschließlich Autos mit konventionellem Antrieb betroffen (Ausnahme: Peking). Können nun wieder im großen Stil Verbrenner zugelassen werden, würde sich der Gegenwind für die E-Autos verschärfen.

Die ohnehin nicht hohen Verkaufsziele wurden vielfach deutlich unterschritten. NIO legte das 2019er Absatzziel nach dem ersten Quartal auf 30.000 Einheiten fest und erreichte am Ende nur 20.565. XPeng wollte zu Jahresbeginn 40.000 Fahrzeuge absetzen und meldet letztlich nur etwas mehr als 16.000 Verkäufe. Die Marke Weltmeister liegt ebenfalls in diesem Bereich. Die drei genannten Hersteller stehen symbolisch für die Schwäche der jungen E-Auto-Unternehmen. Kein chinesisches Branchen-Start-up konnte im Februar mehr als 1.000 Einheiten verkaufen. Tesla dagegen meldet einen Absatz von 3.900 Autos.

Zur Absatzschwäche kommt vielfach eine sehr dünne Kapitaldecke, auch NIO ist betroffen. Tatsächlich besteht für NIO ein Unterstützungsangebot durch die Regierung von Hefei über umgerechnet 1,30 Mrd. Euro. Es sei jedoch offen, wann das Geld fließt. Die eigenen Mittel reichen laut Berylls jedoch nur noch für wenige Monate.

Auch bei Weltmeister gebe es Probleme mit der Finanzierung. Der Hersteller fährt deshalb einen harten Sparkurs und hat beispielsweise nach dem chinesischen Neujahrsfest alle Mitarbeiterprämien gestrichen. Bei Qiantu warten einige Angestellte seit Juli letzten Jahres auf ihre Gehälter. Byton kann laut Berylls aktuell seine Schuldzahlungen über umgerechnet 61 Millionen Euro nicht bedienen.

NIO reduziert Zahl der Mitarbeiter um 3000

Die Folgen der Misere sind vielfältig. Byton war gezwungen die erste Modelleinführung erneut zu verschieben – von Ende 2019 auf Mitte 2020. XPeng wird das Modell P7 voraussichtlich erst im April auf den Markt bringen und verliert damit einen Monat. Die Auslieferung des Lixiang ONE wurde von 2019 auf einen unbestimmten Termin im Jahr 2020 verschoben, gleichzeitig soll die Entwicklung eines zusätzlichen Modells auf Eis gelegt worden sein.

2019 hat eine Reihe von Führungskräften ihre Position verloren und Anfang 2020 ist die Zahl der ausscheidenden Spitzenmanager bei den Newcomer-Firmen weiter gestiegen. Nun kommen noch Entlassungen dazu und beschleunigen das Personalkarussell. NIO hat sich ein Umstrukturierungsprogamm auferlegt und die Zahl der Mitarbeiter von ca. 10.000 im Jahr 2019 auf knapp 7.000 reduziert.

„Zwar haben die chinesischen E-Auto Start-ups das turbulente Jahr 2019 überlebt, aber selbst die kürzlich angekündigten Maßnahmen der Regierung sind kein Garant für ihr weiteres Fortbestehen,“ meinte Burgard. Denn nun habe sich mit Tesla ein arrivierter Hersteller die führende Position auf dem chinesischen NEV-Markt erobert, verdränge angeschlagene Konkurrenten und feiere im ersten Quartal 2020 globale Absatzrekorde.

(gk)

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