Skateboard und Pod müssen sich nicht über die gesamte Lebensdauer vereinen und können sich zum Beispiel als Tagesabschnittspartner verbünden.

(Bild: Rinspeed)

Die intelligenten und damit rasch alternden sowie die anteilsmäßig teuren Komponenten befinden sich in einem intelligenten Chassis, da beim Rinspeed Snap „Skateboard" heißt.

Die intelligenten und damit rasch alternden sowie die anteilsmäßig teuren Komponenten befinden sich in einem intelligenten Chassis, da beim Rinspeed Snap „Skateboard" heißt. Rinspeed

Betrachtet man die Entwicklung, oder besser gesagt den Einzug, von Elektronik in das Automobil, können wir verschiedene Phasen erkennen – nicht nur in punkto Lebensdauer. Begann es mit elektronischen Einspritzungen, kamen bald vorprogrammierte Bordsysteme wie ABS und ESP ins Spiel. Das gute alte DIN-Radio machte Platz für moderne Infotainment-Geräte. Aber die Komponenten hatten und haben alle eines gemeinsam: Die Funktionen gehen nicht über fest vorprogrammierte oder komfortorientiert Abläufe hinaus. Damit besteht auch nur ein beschränkter, nicht aber zwingender Bedarf an Software-Updates. Die elektronischen Steuergeräte, das ABS, das ESP, aber auch das Infotainment können so ein Fahrzeugleben lang ihre Dienste ungestört verrichten. Sollte beispielsweise das Navigationsgerät nach ein paar Jahren nicht mehr über Echtzeitangaben oder veraltete Straßenkarten verfügen, leistet ein Smartphone in der Tasche oder ein im Zubehörmarkt gekauftes PND schnell und effizient Abhilfe. Eine sich teilweise einstellende „Veraltung“ von elektronischen Bauteilen im Auto ist im schlechtesten Fall ärgerlich, aber in keiner Weise lebensbedrohlich. Es geht primär um Komfort und Annehmlichkeiten.

Dank der verbesserten Teilequalität der Zulieferer und der Automobilhersteller geht die aktuelle Lebensdauer eines durchschnittlichen Automobils in Deutschland gegen 19 Jahre. 9,4 Jahre beträgt das durchschnittliche Alter von Autos auf unseren Straßen – und auch dies jährlich steigend.

Betrachtet man hingegen die Alterungsfestigkeit von IT, hielt bereits 1965 der Forscher Gordon Moore fest, dass sich die Entwicklungsgeschwindigkeit der integrierten Schaltkreise nicht linear, sondern exponentiell entwickeln werden. Es gibt vermutlich nur noch ganz wenige Menschen (in Deutschland) die fast zehn Jahre alte IT besitzen (alte Handys der ersten Stunde als Sammlerstück in der Schublade mal ausgeschlossen), geschweige dann aktiv nutzen. 19 Jahre im Leben von IT erinnert uns schon fast an die Steinzeit.

Der Einzug vom automatisierten Fahren im baldigen Morgen

Automatisiertes Fahren ist in den letzten Jahren plötzlich auf dem Radar – und dies im wahrsten Sinne des Wortes – von unzähligen Start-ups, Zulieferern und wohl allen OEMs aufgetaucht. Was mit der DARPA-Grand-Challenge in den Nuller-Jahren dieses Jahrtausends begonnen hatte, ist zu einem wahren Eldorado der Investoren geworden. Unzählige Milliarden werden in die Systematik und in die KI investiert. Alles natürlich in der Hoffnung eines imposanten ROI sowie der Auslegung und Besetzung von neuen und wertvollen Geschäftsfeldern.

Viel diskutiert werden die Aspekte der Entwicklungen von Compute-Plattformen, deren Algorithmen sowie der integrierten KI. Daneben finden sich Themen wie Regulatoren, eine neu zu definierende Ethik und eine möglicherweise geänderte Haftung in Diskussionen rund um das autonome Fahren. Es geht in den Diskussionen aber weniger um die Erwartungshaltungen der Gesellschaft beziehungsweise die Auswirkungen exponentiell steigernder Automatisierung auf die verschiedenen Lebenszyklen der IT-Technologien.

Eckdaten

Unterschiedliche Teile eines Fahrzeugs haben eine unterschiedliche technische Lebensdauer. Ähnlich wie beim Smartphone sind nämlich bestimmte Elemente schon nach wenigen Jahren (stark) veraltet. Das hat Konsequenzen für die Fahrzeuge von morgen und wie wir sie nutzen.

Ersteres belegt in schmerzlicher Weise der Unfall eines Fahrzeugs von Uber, der sich Ende März in Tempe/Arizona ereignete. Nicht oder nur am Rande diskutiert wurden die zum Teil eklatanten Fehlverhalten der menschlichen Protagonisten. Einerseits überquert kein normal vorsichtiger Mensch nachts eine unbeleuchtete vierspurige Strasse ohne die genaue Beobachtung von eventuell ankommenden Fahrzeugen. Andererseits saß genau wieder dieser Mensch mit der Aufgabe der Verkehrsüberwachung im Fahrzeug. Hätten erstmal beide besser oder überhaupt aufgepasst, wäre ein Zusammenprall möglicherweise zu verhindern gewesen. In Frage gestellt wurde aber einzig die Selbstfahrsystematik – also die Maschine und nicht der Mensch –  die versagte (oder nicht aktiviert war).

Warum ist das so? Die breite Menschheit geht noch immer davon aus, dass die „Maschinen“ 100 Prozent fehlerfrei funktionieren werden. Und dies bitte gleich, von Null auf Hundert. Allerdings wird dies auch für lange Zeit trotz aller intelligenten und technisch möglichen Entwicklungen nicht (oder nie) der Fall sein können. Dabei stellen sich die zentralen Fragen rund um das Verhältnis von Mensch zu Maschine beim Thema autonomes Fahren: Sind wir alle nicht bereit, ein gewisses (und hoffentlich möglichst niedriges) auch menschliches „Lehr- und Leidgeld“ zu bezahlen? Wäre es sinnvoller, die Bemühungen in Richtung selbstfahrende Fahrzeuge schon heute und jetzt abzubrechen und bei den weltweiten 1,2 Millionen bekannten, tolerierten und meistens von Menschen ausgelösten Verkehrsfatalitäten zu bleiben? Die Antwort ist klar: Der Fortschritt und der Abbau von Verkehrsopfern als Vision „Zero“ definieren sich anders: Der menschliche Risikofaktor muss beim Autofahren minimiert und irgendwann mal ganz ausgeschaltet werden – und zwar durch Maschinen, die besser als der Mensch im Straßenverkehr agieren.

Das Problem der Lebensdauer

Zurück zu den immer mehr auseinander klaffenden Lebensdauern: Nehmen wir einmal an, ich kaufe mir heute ein Level 4/5-Fahrzeug. Über eine gewisse und limitierte Anzahl Jahre werde ich von den regelmässigen zur Verfügung stehenden Software-Updates das elektronische System aktuell halten können. Dabei ist es eigentlich egal, ob das Update über OTA oder in der Werkstatt eingespeist wurde. Aber dann wird der Moment kommen, wo sich die bestehend verbaute Hardware mit der neuen Software nicht mehr auseinandersetzen kann oder will, so wie wir es schon beim Computer oder Smartphone kennen. Aus welche Gründen auch immer. Was dann? Einfach wegwerfen geht beim Auto nicht.

Da ich ja schon einige Jahre mit diesem System sicher gefahren bin, werde ich es in Zukunft weiternutzen – logischerweise mit dem Stand von damals. Das bedeutet, dass ich während eines Zeitraums von über zehn Jahren keine Aktualisierung mehr erhalten werde. Will ich in ein solches Gefährt meine Liebsten setzen? Diese Frage beantwortet am besten jeder für sich.

Eine Möglichkeit zur Lösung des Problems bestünde darin, dass sich das System einfach abschaltet (und auf Level 3 zurückgeht). Oder ich schiebe das Auto in Entwicklungsländer ab, so wie heute die Dieselfahrzeuge der Klassen Euro 1, 2 und 3. In beiden Fällen wird sich meine Portemonnaie an der kurzen, aber sehr teuren Nutzung der Automatisierung nicht erfreuen.

Die Lösung: Hardware-Upgrades

Die langlebigen Fahrzeugteile befinden sich beim Konzeptfahrzeug Rinspeed Snap im „Pod" genannten Aufbau.

Die langlebigen Fahrzeugteile befinden sich beim Konzeptfahrzeug Rinspeed Snap im „Pod" genannten Aufbau. Rinspeed

Damit kommen wir zur Idee des Hardware-Upgrades, aber ist das technisch wie monetär wirklich sinnvoll? Neben der eigentlichen Compute-Plattform muss mit der Zeit in Konsequenz ja auch die Sensorik erneuert werden. Allerdings ist diese meist fest in der Windschutzscheibe, den Stoßfängern, den Spiegeln und anderen Karosseriebauteilen verbaut und auch verklebt, also nicht einfach austauschbar. Oder sind die Sensoren während – dann zumal über zwanzig – Jahren auf dem neusten und aktuellsten Stand? Man darf es anzweifeln. In der Geschichte des Automobils gab es viele Upgrade-Ideen: Von Anbau-/Austausch-Paneelen beim Smart bis hin zum individuell ausgestalteten Innenraum. Hat es je funktioniert? Nein. Und weshalb? Es war schlicht zu teuer und zu kompliziert. Kann nun automatisiertes Fahren die Geschichte neu definieren? Manche glauben ja, ich nicht.

Was folgt daraus?

Die Level-4/5-Fahrzeuge werden weder in der heutigen Ausgestaltung, noch deren Nutzungen noch in der Nutzungsdauer nahtlos an das heutige Automobil anschließen können (und wollen). Es gilt, die IT-Lebensdauer über die mechanische Lebensdauer zu legen. Das allerdings funktioniert nur, wenn das Fahrzeug (wohlgemerkt nicht das Automobil) sich mit Faktor 4 bis 6 mehr bewegt als heute. Das funktioniert sehr wohl, wenn man bedenkt, dass ein Auto doch zu 93 bis 95 Prozent der Zeit nutzlos in der Gegend herumsteht. Ein Nutzer alleine wird diese Anforderung nicht erreichen können, falls er nicht gerade in den Außendienst wechselt. Die Konsequenzen heißen daher teilen, die Nutzung neu definieren und vielleicht auch neue Fahrzeugformen erfinden.

Rinspeed Snap

Je nach Anwendung können dem „Pod" verschiedene Funktionen zumkommen.

Je nach Anwendung können dem „Pod" verschiedene Funktionen zumkommen. Rinspeed

Im Konzeptfahrzeug Rinspeed Snap sind als Lösungsansatz die intelligenten und damit rasch alternden und die anteilsmäßig teuren Komponenten getrennt von den langlebigen Fahrzeugteilen. Erstere befinden sich in einem intelligenten Chassis („Skateboard“), die anderen in einem „Pod“ genannten Aufbau. Neu daran ist, dass sich das Skateboard und der Pod nicht über die gesamte Lebensdauer vereinen müssen (aber durchwegs könnten), sondern sich als Tagesabschnittspartner verbünden.

Wichtig ist dabei, dass das Skateboard unermüdlich im Einsatz steht und sich somit die vorher erwähnten Lebensdauern überlappen. Die Pods werden – je nach Bedarf – aufgeladen und verwendet, aber sie lassen sich auch stationär als integrierter Bestandteil von Smart-Cities verwenden. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass sich alle – auch bis heute in der Mobilität noch inaktive – Industrien einbringen. Wir werden in Zukunft vom „Doctor’s Pod“, das sich für die wöchentlichen Routinekontrollen zum Patienten hinbewegt und nicht umgekehrt, bis hin zum „Sauna- oder Bier-Pod“ für die Freizeit – im Vorgarten gezielt genutzt – viele Varianten sehen. Dann stehen auch nicht 100 Prozent der Anschaffungskosten ungenutzt rum, sondern vielleicht nur deren 40 Prozent unbeweglich herum, aber dafür vermutlich aktiv genutzt. Derweil bewegt das Skateboard unermüdlich andere Pods. Das umfassende und voraussehende Snap-Eco-System bringt die Nutzer und die gewünschten Hardware-Kombinationen intelligent und effizient zusammen. In Echtzeit rechnet es auch mit allen Marktplatzteilnehmern die jeweiligen Leistungen umgehend ab.

Das omnipräsente Robotaxi als letzte Weisheit?

Ersetzt ein Chip in Zukunft nur die Hände des Fahrers, dann haben solche Gefährte relativ wenig bis keine Auswirkungen auf die Verkehrseffizienz und damit auch auf die Welt der Emissionen. Solange eine Person von einem Fahrzeug an ihr Ziel gebracht wird, ist die Systematik nicht oder zu wenig hinterfragt, geschweige denn fertig gedacht. Selbstverständlich können Sharing-Modelle die Anzahl der Insassen erhöhen, aber die be- oder eingeschränkte Nutzung von funktionsdezidierten Fahrzeugen ist offensichtlich. Während der tägliche Personenverkehr abflacht oder ruht, kann ein Robotaxi nur schwer andere Dienste erfüllen, denn es ist nicht dafür konzipiert. Und damit stehen abermals wertvolle Ressourcen ungenutzt herum. Damit schließt sich auch der Kreis: Die täglich mehrfache und notwendige Um- oder Aufrüstung des Robotaxi auf eine andere Nutzung ist zwar einleuchtend. Jedoch wird dies keiner machen (wollen oder können). Das hat uns die Geschichte bereits gelehrt.

Frank M. Rinderknecht

CEO der Rinspeed AG

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