Das hochgenaue Kartenmaterial aus der Cloud basiert auf aktuellen Sensordaten.

Das hochgenaue Kartenmaterial aus der Cloud basiert auf aktuellen Sensordaten. (Bild: Here)

Eckdaten

Here als Entwickler und Anbieter von cloudbasierten Kartendiensten hat eine Schnittstellenspezifikation entwickelt, die definiert, wie sich sensorbasierte Daten verschiedener Fahrzeugtypen in einer Cloud verarbeiten lassen, und unterstützt damit die Automobilindustrie bei der Weiterentwicklung von Technologien zum automatisierten Fahren.

Einige Jahre wird es noch dauern, bis autonome Fahrzeuge auf den Straßen einträchtig neben herkömmlichen Autos unterwegs sind. Bis dahin gilt es, die eine oder andere Frage zu klären. Beispielsweise ist noch unklar, welche Sensoren zum Einsatz kommen. Auch die Fahrzeugarchitektur befindet sich in der Entwicklung. In einem sind sich aber Experten einig: Autonome Fahrzeuge müssen auf präzise und dynamische digitale Karten zugreifen können, die valide und vor allem aktuelle Informationen zur Umgebung bereitstellen. Man denke etwa an Baustellen und Straßenschäden oder an eine Kreuzung, an der sich die Vorfahrt geändert hat.

Datenaktualisierung: Geben und Nehmen

Die Entwicklung solcher präzisen Karten ist bereits weit fortgeschritten. Dank moderner Lidar-Technologie kann man heute Daten von Straßen und Umgebung aufnehmen, auf deren Basis sich spurgenaue, dreidimensionale Karten entwickeln lassen. Damit aber Fahrzeuge künftig zunehmend automatisiert fahren können, muss sichergestellt sein, dass die Karten zu jeder Zeit auf dem aktuellen Stand sind. Zusätzlich benötigen sie ad-hoc sicherheitsrelevante Informationen, zum Beispiel über Glätte, Gegenstände auf der Fahrbahn oder temporäre Spurbeschränkungen.

Die vielversprechendste Möglichkeit, das Kartenmaterial nahezu in Echtzeit zu aktualisieren, ist die Auswertung der Sensordaten vernetzter Fahrzeuge. Der Nutzen, der sich aus diesen Daten in Verbindung mit den GPS-Daten ziehen lässt, ist enorm. Beispielsweise weiß die digitale Karte dann aufgrund der Daten aus Regen- und ABS-Sensor, wo die Straße gerade gefährlich nass ist; oder anhand der Auswertung der Kamerabilder und Lenksensoren, wo die Straße im Moment nur einspurig befahrbar ist. Informationen wie diese lassen sich dann über die Cloud mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen.

Big Data auf der Straße

Laut Prognose des Marktforschungsunternehmens SBD kommen bis zum Jahr 2020 jährlich rund 33 Millionen vernetzungsfähige Fahrzeuge auf die Straßen. Diese Fahrzeuge werden pro Jahr mehr als 163 Millionen Terabytes an Daten erzeugen, die sie über ihre Kameras und Sensoren erfassen. Teilen die Fahrzeuge ihre Informationen über die Cloud miteinander, können sie ein Bild ihrer Umgebung konstruieren, das weit umfangreicher ist, als es allein mit den eigenen Sensoren möglich wäre. Als Basis dafür benötigen sie allerdings einen gemeinsamen Standard, quasi als Datendolmetscher, der die Informationen für alle verständlich und nutzbar macht.

Mit solchen sensorbasierten Daten sammelt Here seit einigen Jahren Erfahrungen, wobei klar ist, dass digitale Karten umso exakter werden, je mehr Fahrzeuge sich an der Kommunikation beteiligen. Für die Übermittlung der Daten müssen jedoch alle Fahrzeuge die gleiche Sprache sprechen, um sich gegenseitig zu verstehen. Dafür braucht es einen Industriestandard, denn aktuell verwenden die Hersteller für ein und dieselbe Information unterschiedliche Maßeinheiten. Übermittelt Fahrzeug A beispielsweise, es habe um drei Grad nach rechts ausweichen müssen, sendet Fahrzeug B die Botschaft, das Gyroskop habe 2,3 Volt gemessen. Gemeint ist aber das Gleiche. Bei der Auswertung und dem Abgleich der Daten entstünde in solchen Fällen ein Datensalat, der nur mit großem Aufwand zu entwirren ist.

Zu den Vorteilen der Spezifikation gehört die Echtzeitaktualisierung der digitalen Karten und die Kommunikationsfähigkeit von Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller miteinander.

Zu den Vorteilen der Spezifikation gehört die Echtzeitaktualisierung der digitalen Karten und die Kommunikationsfähigkeit von Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller miteinander. Here

Gemeinsamer Standard für die Branche

Die Lösung besteht in einer Schnittstellenspezifikation, die eindeutig definiert, in welchem Format die Sensoren vernetzter Fahrzeuge Daten übertragen sollen. Eine solche Spezifikation hat Here gemeinsam mit Partnern entwickelt und in die eigene Location Cloud implementiert. Aktuell nutzt das Unternehmen bereits die Sensordaten eines OEMs, um von Fahrzeugen gemeldete Geschwindigkeitsbegrenzungen mit seiner Karte abzugleichen. Man analysiert die Sensordaten aktuell auch, um zeitnah über Änderungen im Straßenbild wie neue Einbahnstraßen, Straßensperrungen oder Kreisverkehre informiert zu sein. Einige Aktualisierungen werden bereits direkt in die Karte übernommen, andere zusätzlich noch von firmeneigenen Aufnahmefahrzeugen vor Ort überprüft, beispielsweise, ob ein Fahrzeug zu Recht eine neu gebaute Straße gemeldet hat oder ob lediglich eine Leitplanke gesetzt wurde. Schon bald werden Fahrzeuge auch selbst in der Lage sein, komplexe Veränderungen zu deuten, beispielsweise temporäre Fahrbahnmarkierungen.

Fahrzeuge im Dialog

Wenn es soweit ist, kann die Schnittstellenspezifikation weitere wertvolle Dienste leisten. Dank eines Industriestandards wären Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller dann in der Lage, Informationen nahezu in Echtzeit miteinander zu teilen. Noch während sich beispielsweise Fahrzeug B auf eine sich in Kürze verengende Spur zubewegt, könnte Fahrzeug A ihm bereits ein entsprechendes Signal übermitteln. Außerdem lassen sich über eine einheitliche Schnittstelle Daten schneller in einer Cloud zu Empfehlungen verarbeiten. Das verhindert Unfälle und reduziert die Zeit, die Menschen in Staus vergeuden.

Die Spezifikation definiert auch die Datenpakete.

Die Spezifikation definiert auch die Datenpakete. Here

Akzeptanz dank Transparenz

Die von den Kartenspezialisten entwickelte Schnittstellenspezifikation kann die Evolution hin zum autonomen Fahren beschleunigen. Voraussetzung dafür ist ihre branchenweite Akzeptanz als Standard. Deshalb hat das Unternehmen die Schnittstellenspezifikation offengelegt und lädt Kunden, Partner und Mitbewerber dazu ein, sie gemeinschaftlich weiterzuentwickeln.

Die Leitung dieses Prozesses hat Here an Ertico-ITS Europe übergeben, eine öffentlich-private Partnerschaft von mehr als 100 Unternehmen und Organisationen, die sich intelligenten Transportsystemen widmen. Als neutraler Dritter hat Ertico die Innovationsplattform Sensoris gegründet, an der sich derzeit rund ein Dutzend Unternehmen beteiligen, darunter außer Here zum Beispiel auch Bosch, Continental, Daimler und TomTom.

Innovationsplattform entwickelt Standard weiter

Die Mitglieder von Sensoris diskutieren unter anderem, welche Datentypen in den Standard aufzunehmen sind und in welchen Situationen autonome Fahrzeuge einander warnen sollen. Beispielsweise könnte ein Fahrzeug über die Schnittstellenspezifikation anderen mitteilen, dass sein Airbag ausgelöst wurde. Solche außerordentlich dynamischen Ereignisse sind schon heute erfassbar. Darüber hinaus diskutiert das Forum das Thema Objekterkennung. Genügt es, wenn Fahrzeuge Straßenschilder korrekt erkennen, oder sollen sie beispielsweise nach einem Sturm auch umgestürzte Bäume melden?

Damit dies gelingen kann, müssten die Fahrzeuge eine ausgeklügelte künstliche Intelligenz bekommen – aber auch an der Beseitigung dieser Hürde wird bereits aktiv gerabeitet.

Dietmar Rabel

(Bild: Here)
Direktor Produktmanagement Autonomes Fahren bei Here.

(pet)

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