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Continental

Der Entwicklung einer neuen Fahrzeuggeneration geht eine großflächige Analyse der zukünftigen Fahrzeugführer vorweg. Es wird überprüft, welche Zielgruppen mit dem Fahrzeug erreicht, welche Ansprüche befriedigt werden müssen. Dabei entfernt sich die Entwicklung zwangsläufig von den individuellen Wünschen des Einzelnen und fasst sie in die Wünsche der möglichen Käuferzielgruppen zusammen. Welche Wünsche und Vorlieben am Ende der Fahrer selbst hat, muss in der Entwicklung für die gesamte Zielgruppe integriert sein und kann gerade deshalb nie ganz genau getroffen werden.

Auf einen Blick

Was macht der Fahrer?
Mit den passenden Sensoren kann das Fahrzeug zusätzliche Infos über den Fahrer beziehungsweise über dessen aktuellen Zustand bekommen. Auf Basis dieser Informationen ermöglichen Komfortfunktionen dann ein angenehmeres Fahren, während Assistenzfunktionen bei Bedarf auch schon früher eingreifen können als dies bisher möglich war. Mit einer Infrarot-Innenraumkamera erhält das Fahrzeug zum Beispiel bereits Informationen, die in diversen Situationen bereits einen frühzeitigeren Bremseingriff bei potenziellen Gefahrensituationen ermöglichen.

Dabei ist es von sehr großer Bedeutung für aktuelle und zukünftige Fahrzeugsysteme, zu wissen, um welchen Fahrer oder welche Fahrerin es sich mit welchen Wünschen, Vorlieben und Interessen handelt. Wenn diese Wünsche und Interessen dann passend zur aktuellen Fahrsituation bekannt sind, dann wird das Fahrzeug wirklich zum „Digitalen Companion“ des Fahrers. Das Fahrzeug lässt sich tatsächlich in all den verschiedenen Domänen auf den Fahrer einstellen, es kann den Fahrer individuell unterstützen und bei Bedarf sogar die Fahraufgabe rechtzeitig übernehmen, ohne dass eine potenziell gefährliche Situation wirklich zur Gefahr wurde.

Um dies zu realisieren, müssen Fahrzeuge der nächsten Fahrzeuggeneration eine Möglichkeit erhalten, mehr über den Fahrzeuglenker zu erfahren als bislang über die reine Wahl eines Fahrprofils, die Wahl des Automatikschalters oder die Art und Weise, wie er Gas, Kupplung und Bremse bedient. Schließlich hat jeder Fahrer eine unterschiedliche Herangehensweise an die Herausforderungen im Straßenverkehr, fühlt sich in anderen Geschwindigkeitsbereichen wohl, verlangt anders geartete Charakteristika des Fahrzeugs in den alltäglichen und den besonderen Fahrsituationen. Das Verhalten und die Bedürfnisse der Menschen am Steuer sind sehr unterschiedlich, man könnte auch sagen „nicht-linear verteilt“.

Der Regelkreis von Fahrzeug, Umwelt und Fahrer

Aktuelle Serienfahrzeuge bieten dem Autofahrer bereits eine große Anzahl von Möglichkeiten, die auf größtmögliche Passgenauigkeit im Hinblick auf eine sehr vielfältige Käufergruppe entwickelten Fahrzeugfunktionen zu personalisieren. Continental hat das mit seinem „Simplify your Drive“-Konzept sehr deutlich skizziert: Mit einem Tastendruck kann hier der Fahrer aus einem Profilset seine aktuellen Wünsche in Bezug auf die Fahr- und Komfortfunktionen direkt mitteilen. Das Fahrzeug ist daraufhin genau darüber informiert, ob der Fahrer jetzt gerade besonders komfortabel, sportlich oder ökonomisch unterwegs sein möchte.

So muss das Fahrzeug in der Chassis-Domäne bei gewähltem Sport-Profil nicht mehr auf eine sanfte Dämpfung achten: Es kommt schließlich darauf an, keine Kompromisse mehr zu machen.

Bild 1: In der nächsten Generation des Head-Up-Displays werden die Informationen direkt auf die Straße wandern, während Simplify your Drive es schon heute ermöglicht, mit einem Knopfdruck das Fahrzeug gemäß den Wünschen des Fahrers zu konfigurieren.

Bild 1: In der nächsten Generation des Head-Up-Displays werden die Informationen direkt auf die Straße wandern, während Simplify your Drive es schon heute ermöglicht, mit einem Knopfdruck das Fahrzeug gemäß den Wünschen des Fahrers zu konfigurieren.Continental

Im Eco-Profil kann sich die Motorsteuerung ganz darauf fokussieren, den Wunsch nach Vortrieb im perfekten Einklang mit niedrigsten Verbrauchs- und Emissionswerten zu bringen. Gleichzeitig kann die Beleuchtung der Instrumente und des Innenraums das aktuelle Fahrgefühl unterstützen. So hat das Wissen über die aktuelle Befindlichkeit des Fahrers direkte Auswirkungen auf die Reaktion des Fahrzeugs und damit wiederum auf die Zufriedenheit und Verbundenheit des Fahrers mit seinem Fahrzeug.

Damit ist der Regelkreis jedoch langfristig noch nicht geschlossen. Der Fahrer muss eine Möglichkeit bekommen, kurzfristig ein gewähltes Profil zu überstimmen, beispielsweise wenn die Verkehrssituation mehr Leistung erfordert als im Eco-Profil gerade notwendig. Das lässt sich über den klassischen Kick-down leicht realisieren. Eine Aufgabe für eine Sensor-Fusion wäre es, eine möglicherweise sich kritisch verändernde Fahrsituation zu erkennen und aus einer komfortablen Dämpfereinstellung kurzfristig zu einer auf nochmals verkürzten Anhalteweg optimierten Dämpfereinstellung zu wechseln. So wird ein die Vorfahrt missachtender anderer Verkehrsteilnehmer direkt zu einem Trigger für die Änderung der eigenen Fahrzeugeinstellung. Gleichzeitig können die Fahrerinformationssysteme in einem solchen Moment den Fahrer die dabei unterstützen, die mögliche Gefahrensituation schneller zu erfassen.

110 Jahre Informationen für den unbekannten Fahrer

Als Otto Schulze 1902 das Prinzip des Wirbelstromtachos zum Patent anmeldete, war die Lösung für ein immer deutlicher werdendes Problem gefunden: Der Mensch hat kein Sinnesorgan für Geschwindigkeit. Der Tacho ist notwendig, denn der Mensch kann mit seinem Gleichgewichtsorgan zwar positive oder negative Beschleunigung erfühlen, bei konstanten Geschwindigkeiten muss er allerdings passen. Hinzu kommt, dass wir uns schnell an eine Geschwindigkeit gewöhnen. Diese Situation kennt jeder, der schon einmal nach einer längeren Autobahnfahrt in einer Tempo 30-Zone versucht, die eigene Geschwindigkeit richtig einzuschätzen.

Bild 2: Eine Mikrokamera kann sowohl Gesten erkennen als auch eine genaue Analyse der Blickrichtung vornehmen.

Bild 2: Eine Mikrokamera kann sowohl Gesten erkennen als auch eine genaue Analyse der Blickrichtung vornehmen. Continental

Über die Jahrzehnte der Fahrerinformation sind die Instrumente und die anzuzeigenden Informationen vielfältiger geworden. Moderne Kombi-Instrumente mit großflächigen Displays und leicht ablesbaren Rundinstrumenten bieten die Möglichkeit, je nach Fahrsituation und Fahrerwunsch angepasste Informationen zu vermitteln. Mit der entsprechenden Fahrzeugvernetzung lässt sich dann die eine oder andere Vorliebe über den Fahrer ableiten, aber mehr über den Fahrer selbst weiß das Fahrzeug dann allerdings noch nicht.

Unterstützung durch Gesten

Bei der Bedienung der verschiedenen Fahrzeugsysteme geht die Unterstützung des Fahrers inzwischen auch einige Schritte weiter. Das oberste Prinzip einer möglichst ablenkungsfreien Bedienung ist bei Infotainment-Systemen deutlich zu erkennen. Bedienelemente müssen so weit wie möglich „blind“ bedient werden können. Eine Hilfestellung bieten Systeme, die eine Annährung des bedienenden Fingers auf dem Display frühzeitig erkennen und entsprechend den anvisierten Bereich des Systems individuell vergrößern. Das erleichtert Eingaben und verkürzt die zur Bedienung erforderliche Zeitspanne. Die Fahrerinformation passt sich an den Fahrer an.

Head-Up-Displays

Die höchste Stufe dieser Individualisierung sind die zukünftigen Head-Up-Displays. Wo aktuelle Head-Up-Displays bereits seit 2003 dafür sorgen, dass der Fahrer seinen Blick auch in schwierigen Verkehrssituationen beim Abrufen von farbigen Navigationsinformationen nicht mehr von der Straße nehmen muss, werden zukünftige Augmented-Reality-Head-up-Displays (AR-HUD) noch einen Schritt weitergehen. Die Informationen werden dort im Sichtfeld des Fahrers eingeblendet, wo sie entsprechend der Fahrsituation auch im Kontext hingehören: Kontaktanaloge Darstellungen bringen den Abbiegepfeil tatsächlich auf die Abbiegespur – angepasst an die aktuelle Verkehrssituation. Um eine derartige Informationsgüte zu erreichen, muss eine wichtige Information über den Fahrer bekannt sein: Die Blickrichtung. Continental arbeitet daran, diese Systeme im Jahr 2016 in die Serie zu bringen.

Innenraumkamera: Der unbekannte Fahrer im Blick

Eine Infrarot-Innenraumkamera macht aus dem unbekannten Fahrer eine bekannte Größe im Regelkreis des Straßenverkehrs. Die Blickrichtung und die Fahrerabsicht werden leichter erkennbar und lassen sich frühzeitig in die Fahrzeugregelung einbeziehen. Dabei nutzen ganz unterschiedliche Systeme diese Daten, um so ihre Funktionen zu optimieren. Eine im Cockpit integrierte Kamera wird die Daten liefern, mit deren Hilfe das Fahrzeug sehr viel genauer als heute seinen Fahrer unterstützen kann.

Im letzten Jahrzehnt war die Innenraumkamera vor allen Dingen als Sensor für den Sekundenschlaf angedacht. Die Innenraumkamera liefert hier deutlicher und vor allen Dingen direktere Informationen über den Fahrerzustand als die Ableitung über die Lenkbewegungen es jemals könnte. Die Innenraumkamera liefert jedoch noch viel mehr: Die Blickrichtung des Fahrers lässt sich analysieren, so dass der Fahrerwunsch und die augenblickliche Aufmerksamkeit genau bekannt ist. Fahrerassistenz- und Fahrerinformationssysteme können so Hand in Hand zusammenspielen, um dem Fahrer in aufkommenden kritischen Fahrsituationen frühzeitig zusätzliche Informationen zu liefern, oder – langfristig – sogar auf Basis einer erkannten deutlichen Willensäußerung automatisierte Fahrmanöver durchzuführen.

Bild 3: Der Digitale Autoschlüssel ist ein erster Schritt, mehr über die Wünsche des Autofahrers zu erfahren – schon vor dem Einsteigen.

Bild 3: Der Digitale Autoschlüssel ist ein erster Schritt, mehr über die Wünsche des Autofahrers zu erfahren – schon vor dem Einsteigen.Continental

Heutige Fahrerassistenzsysteme reagieren auf Verkehrssituationen mit standardisierten Fahrermodellen. Dabei haben sie nicht die Möglichkeit, den aktuellen Fahrerstatus mit in die Reaktion einzuberechnen. Sobald jedoch die Innenraumkamera Daten darüber liefert, ob der Fahrer eine potenzielle Gefahr überhaupt gesehen haben kann, können Fahrerinformations- und Fahrerassistenzsysteme sehr viel direkter unterstützen.

Wird ein Mindestabstand zum Vordermann überschritten, so greifen heutige Systeme außerhalb des Abstandsregeltempomate erst ein, wenn eine Notbremsung notwendig ist. Zukünftig kann in Abhängigkeit zum Fahrerfokus das Bremsmanöver frühzeitig automatisch und vor allen Dingen mit geringerer Verzögerung begonnen werden, wenn klar ist, dass der Fahrer in diesem Augenblick seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt hat. Eine Notbremsung wird vermieden und auch der nachfolgende Verkehr wird frühzeitiger gewarnt, so dass dieser eben keine Notbremsung vornehmen muss, wodurch der Verkehrsfluss erhalten bleibt. Gleichzeitig können die Fahrerinformationssysteme den Fahrer dezent auf die mögliche Gefahr hinweisen, die Aufmerksamkeit gezielt auf genau auf die entsprechende Zone mit Gefahrenpotenzial hinführen. So wird der Blick in den Rückspiegel oder zu einem Kind auf einem der Rücksitze nicht mehr dazu führen, dass eine Gefahr von vorne zu spät gesehen wird.

Fazit

Die Innenraumkamera ist allerdings nicht der alleinige Schlüssel zum besseren Verständnis des Fahrerwunsches. Das Wissen über den Fahrer verringert die heute noch oftmals notwendige Routinearbeit und gibt dem Fahrer die Freiheit, jene Dinge zu tun, die ihm tatsächlich wichtig sind.

Ralf Lenninger

ist Leiter Systementwicklung, Innovation und Strategie der Division Interior bei Continental.

(av)

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