Ricky Hudi (Audi): „Das Licht der Zukunft wird vollelektronisch.“

Ricky Hudi (Audi): „Das Licht der Zukunft wird vollelektronisch.“Quelle: Fotografie Nathalie Balleis

Zu Beginn entführte Ricky Hudi die Teilnehmer mit einem Kurzvideo auf eine Zeitreise ins Jahr 2028 – in eine Welt ohne Staus, mit pilotierten Fahrsystemen, mit Medien-Streaming ins Auto, auf Knopfdruck veränderbaren Wagenfarben und einem per Online-Service schnell funktionierenden Fahrzeug-Bringdienst. „Als ich diesen Film das erste Mal gesehen habe, ist etwas in mir und mit mir passiert“, sagte Ricky Hudi. „Es war nämlich das erste Mal, wo ich mir selber wirklich vorstellen konnte, kein eigenes Auto mehr zu besitzen, sondern im Rahmen einer Premium-Flatrate die Autos, die ich mir wünsche, nach Hause zu bestellen … und danach fahren sie wieder weiter.“ Er zeigte auf, dass der Pfad in Richtung einer neuen Mobilität bereits heute konsequent und Stück für Stück vorbereitet wird, so dass Teile dieser Vision in den nächsten Jahren Realität werden können.

Pilotiertes Fahren

Ricky Hudi betonte, dass die Zeiten, in denen hochwertige Fahrerassistenzsysteme (ADAS) nur im Premium-Segment zu finden waren, jetzt Vergangenheit sind. „Wenn ich nicht fahren will, in Situationen wie beispielsweise einem Stau oder beim Parken, wo mir wertvolle Zeit verloren geht, da lasse ich das Auto fahren, und wenn ich Spaß haben will, dann fahre ich selber – das ist unsere Vision vom pilotierten Fahren.“ Dabei spricht er bewusst nicht vom autonomen Fahren, weil ähnlich wie im Flugzeug die finale Verantwortung beim Fahrer liegt. Wenn beispielsweise das Fahrzeug einen Stau erkennt, übernimmt es die Steuerung, so dass der Fahrer die Zeit effektiv nutzen kann. Danach übernimmt der Fahrer wieder die Kontrolle. „Das ist kein Science-Fiction mehr, sondern ganz klar in der Entwicklungs-Roadmap beschrieben; es wird in Stufen in den nächsten Jahren realisiert werden“, führt Hudi weiter aus.

Ricky Hudi: „Pilotiertes Fahren wird in diesem Jahrzehnt realisiert.“

Ricky Hudi: „Pilotiertes Fahren wird in diesem Jahrzehnt realisiert.“Audi

Analog hierzu zeigte er den Weg zum pilotierten Parken auf, bei dem das Fahrzeug nicht nur über freie Parkplätze informiert, sondern auch selbstständig auf den Parkplatz im Parkhaus fährt, während der Fahrer bereits vor dem Parkplatz ausgestiegen ist. Bei Bedarf lädt das Fahrzeug auch gleich selbstständig die Traktionsbatterie induktiv nach. Per Smartphone weckt der Fahrer das Fahrzeug und fordert es an. „Es geht nicht mehr darum, zu zeigen, dass ein Fahrzeug autonom von A nach B fahren kann“, betont Ricky Hudi, „sondern darum, diese Sensoren und Rechner in ganz konkrete Serientechnik zu bringen.“ Im Rahmen der dreidimensionalen Umfelderkennung entwickle Audi derzeit „einen Laserscanner, der insbesondere horizontal in der Breite und auch in der entsprechenden Entfernung noch das Umfeld abtastet“ sowie „einen PMD-Sensor auch für den aktiven Fußgängerschutz“. So werde das Fahrzeug seine Umgebung in einer dreidimensionalen Karte ablegen und in Echtzeit online darauf zurückgreifen können.
Für das pilotierte Fahren und Parken entwickelt Audi gemeinsam mit TTTech ein „zentrales Fahrerassistenzsystem-Steuergerät“, wobei die gesamte Architektur „von vornherein auf ASIL-Level konzipiert“ ist. Diese ECU wird „eine Rechenleistung in sich bergen, die vergleichbar ist mit der kompletten Elektronik-Architektur eines Fahrzeugs vor einem Jahr“. Hudi erklärt, „pilotiertes Fahren wird in diesem Jahrzehnt realisiert“, aber er gibt auch zu Bedenken, dass vielleicht über 50 % der Arbeit auf dem Weg zum pilotierten Fahren aus nichttechnischen Aspekten besteht: Lobbyarbeit, Zulassungen, Gesetze… „Hier müssen wir alle an einem Strang ziehen.“

Vernetzung

„In diesem Jahrzehnt wird sich das Fahrzeug nahtlos mit dem Kunden und seiner gesamten Umgebung vernetzen“, führt Ricky Hudi weiter aus. So soll es bald Car-to-X-Dienste geben, wobei die Verbindung über den WLAN-Standard 802.11p sowie wohl auch per LTE erfolgt. „Unser Weg ist die Verschmelzung der Consumer-Welt mit der Fahrzeug-Welt und eine optimale Integration ins Audi-MMI-Bedien- und -Anzeigekonzept“, erläutert Ricky Hudi.

Bedienung und Anzeige

Bei den Anzeigen sieht Hudi als Trends „dünnere, breitere, hellere und hochauflösendere Displays“, aber auch 3D-Anzeigen, OLEDs, Splitscreen, Dual-View und biegbare Displays sowie ein kontaktanaloges Headup-Display. Hinzu kämen hochwertige Grafiken und Animationen „Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Jahrzehnt OLED-Displays mehr und mehr, vielleicht sogar – wenn es gut läuft – flächendeckend in allen Fahrzeugen Einzug halten werden“, prognostiziert Ricky Hudi. Bei der Bedienung sieht er einen Trend hin zu „hochwertigem Feedback“, natürlich sprachlichem Dialog, Gestenbedienung sowie einer Ausweitung der Bedienung über das Touchpad.

Infotainment

In seiner Keynote auf dem Fachkongress Automobil-Elektronik im Jahr 2009 kündigte Ricky Hudi den MIB genannten Modularen Infotainment-Baukasten für den gesamten Volkswagen-Konzern an, und in diesem Jahr berichtete Ricky Hudi über die Details. MIB trennt die Hardware von der Software, um so eine höhere Wiederverwendbarkeit der Software zu erreichen. Die Hardware ist unterteilt in zwei Elemente: Im Basis-Board (RCC, Radio & Car Control Unit) ist die alte Welt rund um Radio, Verstärker, Power-Management, Diagnose und autospezifische Funktionen mit den langsamen Entwicklungszyklen beheimatet, während das gemeinsam mit dem strategischen Partner Nvidia entwickelte MMX-Board (Multimedia Extension) die moderne schnelle Welt beinhaltet – und dazu gehören HMI, Navigation, Connectivity, Sprachbedienung und Multimedia.

Mit dem MIB kommen auch neue Formen der Zusammenarbeit: „Es gibt auf der ganzen Welt keinen Tier-1-Supplier mehr, der in der Lage ist, ein Infotainment-High-System so umzusetzen, wie wir es haben wollen und so wie wir es auch brauchen“, konstatiert Ricky Hudi. „Deshalb sind wir mit der Realisierung des MIB-High einen vollkommen neuen radikalen Weg gegangen, indem wir zusammen mit Elektrobit das Joint-Venture e-solution gegründet haben, das die High-End-Funktionen auf dem MMX-Board realisiert.“
Er hielt ein RCC-Board und ein MMX-Board in die Luft und bemerkte: „Damit geht das derzeit umfassendste und modernste Infotainment-System der Welt jetzt in Serie. Es ist lange nach Genivi angekündigt worden und wurde deutlich vor Genivi fertiggestellt.“

Lichttechnologie

„Fahrzeugsysteme, die noch Glühlampensysteme haben, werden Stück für Stück verschwinden“, gibt Hudi die Richtung vor. „Wir haben mittlerweile flächendeckend LED-Systeme im Einsatz“, teilweise noch in Kombination mit Xenon-Scheinwerfern: „Das Licht der Zukunft wird vollelektronisch.“ Ansonsten werden nicht nur adaptive Lichtsteuerung sondern auch Wischende Blinker, LED-Matrix-Beam-Scheinwerfer, Laser-Nebelschlussleuchten, MID-Technologie und OLEDs in den Autos von morgen Einzug finden.

Elektromobilität

Audi hat in Ingolstadt ein Kompetenzzentrum für HV-Batteriesysteme aufgebaut, das sich bewusst nicht mit der Herstellung von Zellen beschäftigt, „aber ab der Zelle muss ein OEM verstehen, wie ein Batteriesystem aufgebaut ist“, hebt Hudi hervor: Von der fertigen Zelle über Anbauteile, Batteriemanagement-System (BMS), CMC (Cell Module Controller), Bodenplatte, Kühlung, interne Verkabelung und Steckverbinder bis zu Schützen, Stromsensoren etc. müsse ein OEM das entsprechende Know-how im eigenen Hause haben.

Architektur/Prozesse

„Eine E-Maschine für 48 V mit 8 bis 10 kW wird kommen, und damit einhergehend eine 48-V-Li-Ionen-Batterie“, betont Ricky Hudi. „Dabei handelt es sich nicht nur um eine Infrastruktur-Maßnahme, die wir brauchen. Vielmehr hat die 48-V-Technik auch sichtbare Vorteile für den Kunden.“ Zu diesen Vorteilen zählen neben einer Erhaltungs-Klimatisierung und einem besonders komfortablen Start-Stopp-Betrieb sowie einer Freilauf-Möglichkeit mit ausgeschaltetem Motor bei jeder beliebigen Geschwindigkeit auch eine „deutlich größere Rekuperationsfähigkeit als bei 12-V-Systemen“

Ricky Hudi: „Eine E-Maschine für 48 V mit 8 bis 10 kW wird kommen.“

Ricky Hudi: „Eine E-Maschine für 48 V mit 8 bis 10 kW wird kommen.“Quelle: Fotografie Nathalie Balleis

Er erklärte, dass schon bald im Fahrzeug eine Bandbreite von 3 GBit/s benötigt wird, und er setzte gleich einen passenden Action-Item in der hochkarätigen Runde: „Wir müssen daran arbeiten“. Außerdem wird es eine weitere Höchstintegration der Domänenrechner geben. Darüber hinaus ist Hudi „davon überzeugt, dass sich das Fahrzeug in diesem Jahrzehnt komplett over-the-air updaten wird“. Das sei ein weiterer Megatrend, bei dem es gelte, die Themen des Handlings, der Datensicherheit und ähnliches zu betrachten. Außerdem habe Audi seine „Beziehungen und die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Halbleiterlieferanten auf eine vollkommen neue Ebene gestellt“, denn „wer die Halbleiter nicht versteht, versteht die Quelle der Innovation der Elektronik nicht; wer Halbleiter versteht, hat den Schlüssel zur Innovation“.    

Alfred Vollmer

ist Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK

(av)

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