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(Bild: LUHbots)

Beim RoboCup 2015, der in China ausgetragen wurde, traten mehr als 90 Teams aus aller Welt in unterschiedlichen Liegen gegeneinander an. In der Robo@Work-Liga waren es sechs Teams, die b-it-bots (Ger), WF-Wolves (Ger), robOTTO (Ger), KeJan Workers (China) sowie Robo-Erectus (Singapur) und die LUHbots (Ger). In dieser Klasse darf jedes Team seinen eigenen Roboter bauen. Jedoch setzen alle Teams auf Youbots auf, eine Plattform mit 5-Achs-Arm und Parallelgreifer, die modifiziert, ‚frisiert‘ wurden. Die meisten Teams ersetzten die Rechner-Plattform des Youbot sowie die komplette Sensorik (Laserscanner, Kamera). Das LUHbots-Team entwickelte zudem einen eigenen, von Servomotoren angetriebenen Greifer, bei dem über die Stromstärke eine Kraft-Regelung erfolgt. Zudem kommen Soft-Gripperbacken zum Einsatz.

Testbeds für Roboter: Produktionsalltag nachgestellt

Team-LUHbots im Detail

Die Weltmeister aus Hannover
Die LUHbots sind ein rein studentisches Team der Leibniz Universität Hannover. Gegründet im Jahr 2012 am Institut für Mechatronische Systeme ist die Gruppe inzwischen am MZH (Mechatronik-Zentrum-Hannover) angesiedelt. Derzeit hat das Team sieben Mitglieder aus den Studiengängen Maschinenbau, Mechatronik, Navigations- und Umweltrobotik sowie Informatik.

Jede der verschiedenen Handling-Aufgaben und Navigationstests müssen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erledigt sein. Werden bei einem Test alle Aufgaben ohne Fehler erledigt, gibt es einen Bonus von 50 Punkten, plus den verbleibenden Sekunden mal 0,75. Allerdings gibt es keinen Zeitbonus, wenn der Lauf nicht komplett fehlerfrei war. Ziel des Basic Navigation Test (BNT) ist es, in der ‚Arena‘ bestimmte Punkte auf Positions- und Orientierungsgenauigkeit anzufahren.

Dabei können die Teams verschiedene Schwierigkeitsgrade wählen. Abhängig davon muss der Roboter dann die vorgegebene Position präziser anfahren oder auf dem Parcours vorher nicht bekannte Hindernisse umfahren. Letztere muss der Roboter selbständig erkennen und seinen Weg entsprechend anpassen. Je nachdem, welche Aufgaben ein Roboter beherrscht, können die Teams auf diesem Weg zusätzliche Punkte sammeln.

Beim Basic Manipulation Test (BMT) müssen die Roboter drei Objekte von einer Plattform aufheben und auf einer benachbarten Plattform ablegen. Hier liegt der Fokus auf dem Manipulieren. Zusätzliche Punkte können durch undefinierte Positionen, Orientierungen, verschiedene Objekte oder Störobjekte erzielt werden. Der Precision Placement Test (PPT) stellt eine Steigerung des BMT dar: Hier sind von einer Plattform drei Objekte aufzunehmen und jeweils in den Objekten entsprechenden Formen abzulegen.

Bei diesem Szenario kann sich der Roboter nicht mehr aussuchen, wo er auf der Plattform das Objekt ablegt. Jetzt muss er erkennen, wo sich das passende Loch zum Objekt befindet und wie es ausgerichtet ist. Eine Kombination von Navigation (BNT) und Manipulation (BMT) stellt der Basic Transportation Test (BTT) dar: Der Roboter muss drei Objekte von zwei Plattformen aufgreifen und auf zwei weiteren Plattformen ablegen. Dabei sind deutlich längere Strecken zwischen den Plattformen zurückzulegen. Extended Transportation Test: Im Unterschied zum BTT gibt es neun Objekte, die es zu transportieren gilt. Dementsprechend größer sind der Planungsaufwand und die Optimierungsmöglichkeiten, in welcher Reihenfolge die Objekte transportiert werden.

Nach diesen Tests folgen am zweiten und dritten WM-Tag die Semi-Finals und das Finale mit nochmals verschärften Aufgabenstellungen: Sieben Objekte, beziehungsweise zehn im Finale, sind zu transportieren, von denen zwei (Finale: drei) auf der PPT-Area, also in die passenden Formen abgelegt werden müssen.

RoboCup Tag 1: Holpriger Start in den Wettkampf

Fussballer würden ‚schweres Geläuf‘ dazu sagen: Der für industrielle Szenarien untypische Teppichboden bereitete anfangs Probleme bei der exakten Positionsfahrt.

Fussballer würden ‚schweres Geläuf‘ dazu sagen: Der für industrielle Szenarien untypische Teppichboden bereitete anfangs Probleme bei der exakten Positionsfahrt. LUHbots

Am Anfang des Wettbewerbs hatte das LUHbots-Team mit der Navigation zu kämpfen. Die Software wurde vor der WM neu programmiert und war nicht auf Teppichböden getestet worden. Das Problem: Bei den Omni-Wheels des Youbots kann der Reibwert des Bodens die Lokalisierung (Berechnung der Position anhand der Radumdrehungen) negativ beeinflussen. Besonders bei Drehungen traten sogenannte Odometriefehler (Messung der Radumdrehungen und -winkel) auf. Zudem wurden Hindernisse, die in einem spitzen Winkel zum Laserscanner lagen, nicht richtig erkannt, da die Objekte sehr stark reflektierten.

Durch eine leichte Kollision mit einem der Hindernisse schaffte der Roboter keinen perfekten Lauf. Daher mussten wir uns nach dem ersten Test mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Beim BMT waren wir wie erwartet sehr schnell. Allerdings rutschte dem Roboter eine kleine Mutter nach dem Greifen aus dem Softgripper.

Die Konsequenz: Erneut ein verpatzter Lauf und abermals kein Zeit­bonus. Nach dem zweiten Test waren wir weiterhin auf dem zweiten Platz, jedoch hatte die Führung gewechselt. Aber eine gute Vorrunde macht schließlich noch keinen Weltmeister.

Der dritte Test war PPT: Unser Roboter legte ein Profil nicht ganz passend ein, sodass auch hier durch einen kleinen Fehler der perfekte Lauf verpasst wurde. Daher gab es nur 630, statt der möglichen 1 500 Punkte. Robo-Erectus vom Team aus Singapur, der derzeit drittplatzierte, schaffte dagegen einen perfekten Lauf mit 1 405 Punkten und konnte sich mit 600 Punkten Vorsprung deutlich absetzen. Ein drittes Mal wechselte der erste Platz, während das LUHbots-Team konstant auf dem zweiten Platz blieb.

Keine groben Schnitzer: Platz zwei gesichert

Da der Roboter immer nur eine Kleinigkeit falsch machte, konnten wir vor dem zweiten Wettkampftag weitere Kontrollen und Verbesserungen bezüglich Manipulator und Orientierung implementieren. Nicht nur beim Aufnehmen der Teile, testeten wir mittels Kraftregelung, ob der Greifer tatsächlich etwas ‚in der Hand hält‘. Auch vor dem Ablegen auf der Transportplattform des Youbot wurde nochmals geprüft, ob die Mutter even­tuell aus dem Softgripper gefallen war.Auch was die PPT-Area betraf, wurde ein neuer, spezieller Bewegungsablauf implementiert. Dieser sorgt dafür, dass der Roboter auch dann das Objekt ins Loch befördert, wenn der Greifer nicht exakt ausgerichtet sein sollte.

RoboCup Tag 2: Die Aufholjagt beginnt

Mit einem fehlerfreien Lauf beim BTT konnte das LUHbots-Team die Führung übernehmen und mit der höchsten Punktzahl beim Extended Transportation Test weiter ausbauen. Wir hatten neun Objekte transportiert, von denen eins jedoch eine Fehl-Erkennung war. Wieder kein perfekter Lauf. Die anderen Teams konnten in der vorgegebenen Zeit jedoch nicht alle neun Objekte aufsammeln und transportieren. Das Semi-Final: Wir hatten aus unseren vereinzelnd auftretenden Fehlern gelernt und weitere Recoveries hinzugefügt, um die  Robustheit unseres Systems zu erhöhen. Und das machte sich bezahlt: Mit einem endlich perfekten Lauf im Semi-Final wurde das Punktepolster nochmals etwas ausgebaut. Jedoch gibt es im Finale noch genug Punkte zu holen, sodass noch nichts entschieden war.

RoboCup Tag 3: Das große Finale

Die Siegerehrung: In der Liga Robo@Work wurde das Team LUHbots der Leibniz Universität Hannover Weltmeister.

Die Siegerehrung: In der Liga Robo@Work wurde das Team LUHbots der Leibniz Universität Hannover Weltmeister. LUHbots

Nach dem perfekten Lauf im Semi-Finale wussten wir: Wenn alles normal Laufen würde, fährt unser Roboter den Sieg nach Hause. Gebeutelt von der Vorjahres-Final-Erfahrung in Brasilien – damals fiel die Kamera aus, sodass kein einziges Objekt erkannt werden konnte – war die Konzentration dennoch hoch. Alles wurde vor dem Lauf gecheckt. Mit den meisten Punkten im Finallauf konnten wir unseren Vorsprung nochmals ausbauen und behielten den ersten Platz bis zum Ende: Weltmeister.

Ziel der Robo@Work-Liga

Die Liga soll zeigen, welche Aufgaben mobile und autonome Roboter erledigen können. Zwar kommt autonome mobile Navigation in der Industrie zum Teil schon zum Einsatz. Wenn der Roboter aber etwas bewegen soll, dann ist er in der Regel noch fest im Boden verankert. Es gilt also, den Nachweis zu erbringen, dass mobile Robotik ausreichend genau, schnell und zuverlässig ist – unter anderem im Rahmen der RoboCups.

In den kommenden Jahren werden die Test-Areale größer, um die Intelligenz ‚Taskplaning‘ weiter zu fördern. Ebenso sind in Zukunft mehr Objekte in kürzerer Zeit zu befördern, um die weitere Optimierung der Bewegungsabläufe zu forcieren. Des Weiteren gibt es bereits Aufgaben, in denen sich bewegende Objekte aufzunehmen sind. Auf den RoboCup-Events 2016 in Leipzig und Einthoven werden daher wieder  Förderbänder Bestandteil des Testaufbaus sein. Für die Saison 2016 angedacht ist ein Fahrzeugmodell, auf dessen Achsen der Roboter Räder stecken muss. Ein weiterer Aufbau sieht vor, dass die Roboter eine Kontur nachfahren, zum Beispiel mit einem Laserpointer, oder bestimmte Punkte einer Kontur anfahren. Radmontage, Schweißen und Punktschweißen sind typische Applikationen aus der Automobilfertigung.

Vorteil und Nachteil der mobilen Robotik

Gleichermaßen Vorteil und Nachteil der mobilen Robotik ist, dass der Roboter nicht immer exakt auf derselben Stelle zum Objekt steht. Er muss sich mithilfe von Sensoren am Objekt ausrichten. Dadurch hat er zwar die Möglichkeit, auch um das Objekt herumzufahren und von mehreren Seiten an das Objekt heranzukommen. Im Vergleich zur stationären Robotik bedeutet das jedoch ein Defizit in der Genauigkeit, das es durch geschicktes Ausnutzen von Sensoren zu kompensieren gilt. Auch dynamische Hindernisse sollen in Zukunft Bestandteil der Tests sein. Dies soll das kooperative Verhalten und Zusammenspiel der Roboter untereinander, wie auch mit Menschen fördern.

Wenn sichergestellt ist, dass der Roboter mit dynamischen Hindernissen zurechtkommt, folgen Tests, in denen mehrere Roboter verschiedener Teams gegeneinander auf dem gleichen Parcours antreten. Das Problem: Derzeit ist unklar, wer im Fall einer Kollision zweier Roboter den möglichen Schaden tragen muss. Grund für das langsame Voranschreiten der Liga ist die finanzielle Ausstattung der Teams; mobile Robotik ist als Zukunftsvision noch nicht überall in der Industrie angekommen und wenn, dann ist es keine aktive Unterstützung, sondern mehr ein Abwarten und Beobachten, ob etwas daraus wird.

Torben Carstensen

ist Teamleiter LUHbots am Institut für Mechatronische Systeme der Leibniz Universität Hannover.

(sk)

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