Wie laufen die Geschäfte bei Softing?

Wolfgang Trier: Im Moment läuft es bei uns eigentlich gut. Es geht uns so wie allen anderen: Wir suchen Mitarbeiter, wir haben mehr Projekte als wir abwickeln können. Um unsere Projekte umsetzen zu können, benötigen wir erfahrene Mitarbeiter. Hier legen wir hohen Wert auf die Qualität unserer Mitarbeiter und wollen dementsprechend nur Leute einstellen, von denen wir überzeugt sind. Es bringt uns nichts, nur auf Masse zu gehen, Personal einzustellen und im Nachhinein Schwierigkeiten bei Kundenprojekten zu haben. Deswegen sagte ich „eigentlich“.

Dr. Wolfgang Trier (rechts) und Dr. Peter Biermann: „Mit der App wird das Tablet oder Smartphone zu einem kompletten Diagnosesystem, das mit den 
offiziellen Diagnosedaten der OEMs arbeitet.“

Dr. Wolfgang Trier (rechts) und Dr. Peter Biermann: „Mit der App wird das Tablet oder Smartphone zu einem kompletten Diagnosesystem, das mit den offiziellen Diagnosedaten der OEMs arbeitet.“Alfred Vollmer

Ein wichtiger Punkt ist, dass wir uns international stärker aufgestellt haben, beispielsweise in den USA. Auch in Japan werden unsere Produkte und Lösungen immer stärker nachgefragt, denn die japanische Automobilindustrie folgt nun auch der ODX-Standardisierung. Als Referenz dient uns hier die Diagnoselösung bei Daimler, die von der Entwicklung über die Produktion bis zum Service reicht.

Welche strategischen Wachstumspläne haben sie?

Wolfgang Trier: Umsatztechnisch werden wir uns weiter positiv entwickeln. Sowohl bei der Diagnose als auch bei der Messtechnik wollen wir weiter wachsen. Derzeit haben wir diverse Großprojekte in der Akquise. So hat beispielsweise ein OEM ein komplettes Diagnosesystem ausgeschrieben.

Softing konzentriert sich schon immer sehr stark auf den Bereich Diagnose. Wie sieht es heute aus?

Peter Biermann: Nur wenige Hersteller leben die Durchgängigkeit der Diagnose auf Basis von Standards so konsequent wie wir. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, all unsere alten Produkte auf Standards basierend umzusetzen. Damit können die Kunden und auch wir die Investitionen langfristig sichern.

In Kombination mit unseren weiteren Schwerpunktthemen Messen und Testen haben wir ein rundes Gesamtportfolio. Für den Zugriff auf das Fahrzeug brauchen wir in Zukunft höhere Datenraten. Durch einen Zukauf haben wir uns auf AG-Ebene vor knapp zwei Jahren viel Know-how im Ethernet-Umfeld gesichert, so dass wir auch über dieses Thema mit den OEMs reden können.

Matthias Ziegel: „Um die Komplexität zu beherrschen, wechseln alle OEMs zu standardbasierten Datenformaten und Tools... Nur mit nicht-proprietären Technologien können sie ihre Herausforderungen meistern.“

Matthias Ziegel: „Um die Komplexität zu beherrschen, wechseln alle OEMs zu standardbasierten Datenformaten und Tools... Nur mit nicht-proprietären Technologien können sie ihre Herausforderungen meistern.“Alfred Vollmer

Matthias Ziegel: Der Großteil heutiger Innovationen basiert auf Softwareentwicklungen. Auch Fahrzeuge bilden hier keine Ausnahme. Software-Innovationen steigern die Leistung der Autos und erhöhen die Sicherheit sowie die Nachhaltigkeit der Mobilität. Dabei nehmen die Anzahl der Steuergeräte und deren Vernetzung untereinander kontinuierlich zu. Neben den eigentlichen Steuerungsfunktionen haben Diagnosefunktionen eine immer größere Bedeutung bekommen. In aktuellen Motorsteuergeräten beträgt der Diagnoseanteil bereits bis zu 70 %. Übernahm die Diagnose ursprünglich nur eine Kontrollfunktion für die Einhaltung gesetzlicher Abgasstandards, kommt sie heute in der gesamten Wertschöpfungskette der Fahrzeughersteller zum Einsatz: In der Entwicklung, bei Test und Validierung, in der Produktion und schließlich im Kundenservice. Auch die Komfortfunktionen moderner Fahrzeuge basieren zum großen Teil auf Diagnosefunktionen.

Wir sind bei Softing seit mehr als 20 Jahren im Bereich der Diagnose tätig. Softing war da von Anfang an in der Standardisierung sehr aktiv und hat die aktuelle Landschaft der internationalen Standards mitgeprägt.

Unsere Produktfamilie Diagnostic Tool Set ermöglicht Entwicklern, Ingenieuren und Technikern, konsistente Diagnosedaten und -abläufe auf Basis internationaler Standards zu erstellen und zu verarbeiten. Damit kann über die gesamte Wertschöpfungskette sichergestellt werden, dass die Diagnosekommunikation zuverlässig funktioniert. Kernelement ist ein standardisiertes Diagnose-Laufzeitsystem. Dieses ist unser Kern-Know-how. Wir sind einer der wenigen Anbieter auf der Welt, die ein derartiges Laufzeitsystem haben. Inzwischen haben wir eine sehr große installierte Basis im hohen fünfstelligen Stückzahlbereich.

Diagnosefunktionen sind auch beim autonomen Fahren wichtig, um zu wissen, welche Elemente zuverlässig arbeiten…

Matthias Ziegel: Ja, obwohl das kein direktes Thema bei uns ist. Beim autonomen Fahren erhöhen sich die Anforderungen an die Zuverlässigkeit aller Teilsysteme nochmals. Bei der Absicherung des erforderlichen Status‘ aller Teilsysteme spielen auch Diagnosefunktionen eine wichtige Rolle.

Dr. Peter Biermann (im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Redakteur Alfred Vollmer): „Nur wenige Hersteller leben die Durchgängigkeit der Diagnose auf Basis von Standards so konsequent wie wir.“

Dr. Peter Biermann (im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Redakteur Alfred Vollmer): „Nur wenige Hersteller leben die Durchgängigkeit der Diagnose auf Basis von Standards so konsequent wie wir.“Alfred Vollmer

Welche Bedeutung haben dabei die Standards?

Peter Biermann: Das Diagnostic Tool Set hat jetzt eine Versionsnummer 8 mit Release 10; entsprechend groß ist unsere Historie und unser Know-how. In den letzten zehn Jahren haben sich die großen Fahrzeughersteller recht konsequent auf die Standardisierung konzentriert. Für viele kleine und mittlere Hersteller weltweit ist eine entsprechende Eigenentwicklung viel zu aufwendig, zu teuer und nicht kompatibel genug. Jetzt findet der Umstieg auf Standardlösungen statt, und das ist der Grund, warum wir in diesem Bereich erfolgreich sind.

Worin liegt der Unterschied zu den bisherigen Lösungen?

Matthias Ziegel: In der Vergangenheit wurde sehr viel Zeit und Geld in die Entwicklung nicht kompatibler Technologien investiert. Heute kann sich das kein Fahrzeughersteller mehr leisten. Die sich immer weiter erhöhende Komplexität erfordert stetig zunehmend den Austausch von Diagnose-Daten und zwar sowohl zwischen verschiedenen Bereichen eines Fahrzeugherstellers als auch mit Steuergeräteherstellern, Systemlieferanten, Tool-Herstellern und innerhalb von Kooperationen verschiedener Fahrzeughersteller. Dies lässt sich technisch ebenso wie wirtschaftlich nur durch die Verwendung nicht-proprietärer Technologien wie zum Beispiel Open Diagnostic Data Exchange (ODX) als standardisiertes Datenaustauschformat meistern.

Die Verwendung unseres standardisierten Laufzeitsystems für die Diagnose-Kommunikation vereinfacht und beschleunigt die Entwicklung eigener Applikationen gewaltig. Es unterstützt die aktuellen internationalen Automotive-Standards und Datenformate, beispielsweise ASAM MCD-3D 3.0, ODX 2.0.1 und 2.2, OTX 1.0 sowie DoIP.

In wie weit spielt das Thema Industrie 4.0 eine Rolle bei Softing Automotive?

Matthias Ziegel: Industrie 4.0 ist das Kernthema unseres Schwestersegments Industrial Automation. Mit DTS Automation gibt es eine spezielle Lösung für Produktions- und Prüfstandsanwendungen. An dieser speziell von uns entwickelten Schnittstelle treffen sich Automotive-Technologie und die Industrie-Automatisierung, die eigentlich getrennte Welten sind. Wir nutzen hier gezielt das OPC-Know-how aus Softings zweitem Geschäftsbereich Industrial Automation.

Peter Biermann: So können wir auch die Fahrzeugdiagnose über OPC, Labview von National Instruments, oder diverse andere Programmierschnittstellen bieten. Es ist ein vereinfachter Zugriff über unser Tool DTS Monaco: speziell für Produktions- und Prüfstandsanwendungen. Das Flashen erledigt DTS Monaco gleich mit. Wir bieten unser System auf verschiedenen Betriebssystemen an: nicht nur für die Microsoft-Welt sondern auch auf Linux und Android, um damit die unterschiedlichen Plattformen bedienen zu können.

Mittlerweile hat jedes Auto seine individuelle Software. Wie geht Softing mit der Variantenvielzahl um?

Matthias Ziegel: ODX bietet die Möglichkeit, alle Steuergerätevarianten einer Fahrzeug-Baureihe, ausgehend von einer Basis-Variante, zu beschreiben. Redundanzen werden dabei unter anderem durch Bibliotheken, Vererbung und Referenzen vermieden. Zusätzliche Varianten können im Lebenszyklus jederzeit nachgepflegt werden. Dadurch bieten wir dem jeweiligen OEM eine flexible Lösung an, um den Anforderungen der Software gerecht zu werden.

Peter Biermann: Mit ODX sinken die Kosten, und die Wahrscheinlichkeit für Fehler sinkt ebenfalls, weil man sich intensiver dem Testen widmen kann – und das ist auch der Hauptansatzpunkt für das Diagnostic Tool Set von Softing. Wir haben bei der Version 8 von Anfang an eine Vielzahl alter Zöpfe abgeschnitten, die wir in der Vergangenheit für einzelne OEMs gemacht haben, und unterstützen nun ganz konsequent nur noch ISO-Standards. Damit grenzt sich Softing deutlich von allen anderen ab. Dieser Ansatz ist sehr erfolgreich, gerade auch im internationalen Bereich und besonders stark in Japan.

Bedeutet das, dass Softing europäische Technik intensiv in Japan verkauft?

Matthias Ziegel: Ja, mehrere große japanische Fahrzeughersteller setzen unsere Produkte ein. Dies ist auch in den USA, in China, in Südkorea der Fall; man kann also sagen nahezu weltweit. Wir reden mit allen großen Automobilherstellern.

Wie sieht es dabei mit der Datensicherheit aus?

Peter Biermann: Unsere Systeme benötigen immer die ODX-Datenbasis des jeweiligen OEMs, die da mit eingeklinkt wird. Erst nach dem Import der ODX-Daten des Herstellers kann man mit DTS Monaco an dem entsprechenden Fahrzeug arbeiten. Durch diese Entkopplung ergeben sich auch keinerlei Probleme mit Tuning, verbotenen Eingriffen und Änderungen. Wir bieten hier natürlich auch eine spezielle Verschlüsselung der Daten für jeden OEM an, um den Zugriff zu regulieren.

An welchen Themen arbeitet Softing gerade?

Peter Biermann: Ein ganz wesentliches Thema ist DoIP, also Diagnose über Ethernet. Außerdem bringen wir immer mehr Komfortfunktionen in DTS Monaco hinein, zum Beispiel zur Variantencodierung. Das Simplifizieren der Produkte ist ein ganz wichtiger Ansatz für uns, damit unser hochleistungsfähiges Produkt noch anwenderfreundlicher wird. Um den Marktanforderungen für mobile Diagnose Rechnung zu tragen, arbeiten wir derzeit mit Hochdruck an gekoppelten App-Lösungen für Smartphone und Tablet; diese sind bereits bei einem OEM im Einsatz.

Was tut sich im Bereich der Schnittstellen?

Martin Sirch: „Wir bieten die ganzen Funktionen, die in der Werkstatt für die geführte Fehlersuche erforderlich sind – und zwar mit verschiedenen Ansätzen zur Variantencodierung.“

Martin Sirch: „Wir bieten die ganzen Funktionen, die in der Werkstatt für die geführte Fehlersuche erforderlich sind – und zwar mit verschiedenen Ansätzen zur Variantencodierung.“Alfred Vollmer

Martin Sirch: Je nach Einsatzort haben Interfaces unterschiedliche Charakteristika. Auch der Preis spielt eine Rolle, und wenn man nur einen CAN-Kanal braucht, wird es hier sehr preisgünstig. Für Anwendungen in der Steuergeräte-Entwicklung und für unterschiedlichste Testszenarien bieten wir auch Geräte mit bis zu sechs CAN-Schnittstellen sowie Flexray- und LIN-Schnittstellen.

Softing steht gerade für intelligente Interfaces, die besonders in der Entwicklung, Produktion und im Service ihren Einsatz finden. Hier wurden bereits mehr als 100.000 Geräte vermarktet.

Worin liegt der Unterschied zu den 30-Euro-Geräten aus China?

Martin Sirch: Die Billigprodukte bieten meist nur die OBD-Funktionalitäten und eine sehr abgespeckte Funktionalität. Wir bieten die ganzen Funktionen, die in der Werkstatt für die geführte Fehlersuche erforderlich sind – und zwar mit verschiedenen Ansätzen zur Variantencodierung, aber das funktioniert nur mit Zugriff auf die Datenbank. Außerdem erledigen unsere Interfaces das gesamte Protokoll-Handling, eine Voraussetzung für die hohe Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit dieser Produkte.

Peter Biermann: In diesen Tagen bringt unsere Tochterfirma Samtec mit VINING 1000 ein im mittleren Leistungsspektrum angesiedeltes intelligentes VCI für Produktions- und Serviceanwendungen auf den Markt. Parallel dazu werden wir auch das Branding ändern, denn langfristig sollen alle unsere Produkte den Namen Softing tragen, auch wenn sie von Tochterunternehmen kommen.

Welche langfristige Strategie fährt Softing?

Martin Sirch: Bald kommt auch unser VINING 600 auf den Markt; das „VIN“ steht für „Vehicle Information Network“, und das „ING“ kommt vom Namen Softing. VINING 600 ist eigentlich eine Bridge zwischen WLAN und Ethernet: ganz ohne CAN-Anschluss und nur für Diagnostics-over-IP-Anwendungen. VINING eignet sich bestens als sehr schlanke und kostengünstige Verbindung mit Apps. So lassen sich auf einem Tablet oder Smartphone die gleichen Funktionen erledigen, die wir bisher auf einem Notebook hatten. Genau in diese Richtung geht die Softing-App.

Peter Biermann: Langfristig werden wir unser Produkt-Portfolio komplett umbauen, sodass wir später einmal praktisch nur noch VINING-Produkte im Programm haben werden, die sich mindestens über das gesamte bisher abgedeckte Spektrum erstrecken. Die VINING-Serie ist dann komplett modularisiert. Der Kunde kann dann basierend auf einem Einstiegsmodul entscheiden, welchen Anwendungsfall er abdecken möchte.

Was genau erledigt die Softing-App?

Martin Sirch: Mit der App wird das Tablet oder Smartphone zu einem kompletten Diagnosesystem, das mit den offiziellen Diagnosedaten der OEMs arbeitet. So lassen sich mobile Anwendungsfälle in Entwicklung, Erprobung und Service abbilden. Basierend auf unserer jahrzehntelangen Erfahrung mit der Anbindung von Fahrzeugen und anderen Schnittstellen bieten wir den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei der Integration und Realisierung anspruchsvollster Projekte.

Peter Biermann: Da wir mit den OEMs direkt zusammen arbeiten, können wir an den jeweiligen OEM entsprechende Statistiken aus dem Feld zurück liefern. Das wird beim Thema autonomes Fahren ein ganz wichtiges Thema, denn der OEM muss per Diagnose sicherstellen, dass das Fahrzeug keine Fehler hat. In der Landtechnik und bei den fahrenden Arbeitsmaschinen ist die Diagnose mit permanenter Anbindung an einen Remote-Server schon nahezu standardisiert, um eine möglichst hohe Verfügbarkeit zu ermöglichen. Diese permanente Diagnose mit Online-Anbindung kommt jetzt auch viel stärker in Pkws. Ähnlich wie bei Google und Apple können die OEMs dann ganz gezielt ihre Daten auswerten. 

Alfred Vollmer

Redakteur AUTOMOBIL-ELEKTRONIK, führte dieses Interview.

(av)

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