Besonders bei kleinen Fertigungslosen und damit ständig wechselnden Maschinenaufträgen lässt sich kein thermisch stabiler Zustand erreichen. Gleichzeitig gewinnt aber die Genauigkeit des ersten Werkstücks eine große Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit von Fertigungsaufträgen. Ständige Wechsel zwischen Bohren, Schruppen und Schlichten verstärken die Schwankungen im thermischen Zustand einer Werkzeugmaschine. Während der Schruppbearbeitung steigt die Fräsleistung auf Werte oberhalb von 80 % an, beim Schlichten werden Werte unterhalb von 10 % erreicht. Eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung des thermischen Verhaltens spielt die Positionserfassung in den Vorschubantrieben.

Thermische Stabilität von Werkzeugmaschinen

Eine wesentliche Quelle thermischer Verlagerungen sind die Vorschubachsen auf Basis von Kugelrollspindeln. Abhängig von den Vorschubgeschwindigkeiten und -kräften können sich die Temperaturverteilungen auf den Spindeln schnell ändern. Die dabei entstehenden Längenänderungen – typisch sind 100 µm/m innerhalb von 20 min – können auf Werkzeugmaschinen ohne Längenmessgeräte zu signifikanten Fehlern am Werkstück führen. Lösungen thermisch bedingte Abweichungen zu vermeiden rückend stärker denn je in den Fokus des Werkzeugmaschinenbaus. Aktive Kühlungen, symmetrisch aufgebaute Maschinenstrukturen und Temperaturmessungen sind heute bereits gängige Maßnahmen.

Position der Vorschubantriebe erfassen

Die Position einer NC-Vorschubachse lässt sich grundsätzlich über die Kugelgewindespindel in Verbindung mit einem Drehgeber oder über ein Längenmessgerät erfassen. Wird die Antriebsposition über einen Drehgeber ermittelt, übt der Kugelgewindetrieb eine Doppelfunktion aus: Als Antriebssystem muss er große Kräfte übertragen, in der Eigenschaft als positionsbestimmende Komponente aber werden hohe Genauigkeit und Konstanz der Spindelsteigung erwartet. Die Positionsregelschleife umfasst jedoch lediglich den Drehgeber. Da verschleiß- und temperaturbedingte Veränderungen in der Antriebsmechanik nicht kompensiert werden können, spricht man in diesem Fall von einem Betrieb im Semi-Closed Loop. Positionsfehler der Antriebe werden unausweichlich und können die Werkstückqualität erheblich beeinflussen.

Technik im Detail

Schruppen und Schlichten
Schruppen bezeichnet bei spanenden Fertigungsverfahren das Abheben von Werkstoff mit großem Spanvolumen. Schruppverfahren werden besonders beim Drehen und Fräsen angewendet und dienen dazu, innerhalb möglichst kurzer Bearbeitungszeit das Werkstück der Endkontur so weit wie möglich anzunähern. Dies wird durch grobzahnige Werkzeuge und eine große Schnitttiefe, sodass Späne mit einem relativ großen Volumen entstehen, erreicht. Der Schruppvorgang hinterlässt meist raue Oberflächen mit geringer Maßgenauigkeit. Das Schlichten folgt dem Schruppen mit dem Ziel, die geforderte Oberflächengüte sowie Maß- und Formgenauigkeit zu erreichen. Im Zusammenhang mit den Genauigkeitsanforderungen an das Werkstück spricht man auch von Fein- beziehungsweise Feinstschlichten. In der Regel dient das Schlichten der End- oder Fertigbearbeitung, kann jedoch auch für einen darauf folgenden Fertigungsschritt, wie beispielsweise das Polieren, erforderlich sein.

Quelle: wikipedia.org

Wird ein Längenmessgerät zur Erfassung der Schlittenposition verwendet, umfasst die Positionsregelschleife die komplette Vorschubmechanik. Man spricht deshalb von einem Betrieb im Closed Loop. Spiel und Ungenauigkeiten in den Übertragungselementen der Maschine haben keinen Einfluss auf die Genauigkeit der Positionserfassung. Die Genauigkeit der Messung hängt praktisch nur von der Präzision und dem Einbauort des Längenmessgerätes ab.

Diese grundlegende Betrachtung für Linearachsen gilt gleichermaßen für Rundachsen. Auch hier lässt sich die Position über die Getriebeuntersetzung in Verbindung mit einem Drehgeber am Motor oder über ein hochgenaues Winkelmessgerät an der Maschinenachse erfassen. Mit Winkelmessgeräten lassen sich höhere Genauigkeiten und Reproduzierbarkeiten erzielen.

Auswirkung der Antriebsgenauigkeit in der Teilefertigung

Im Bereich des Maschinenbaus zeigt sich ein zunehmender Bedarf an Kleinteilen mit geringer Losgröße. Für die Fertigungsbetriebe wird die Präzision des ersten Werkstücks somit zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Faktor. Werkzeugmaschinen für die präzise Fertigung geringer Losgrößen werden vor eine echte Herausforderung gestellt. Ständige Wechsel zwischen Rüsten, Bohren, Schruppen und Schlichten führen zu permanenten Veränderungen des thermischen Zustands einer Maschine.

In der Teilefertigung liegen typische Vorschubgeschwindigkeiten beim Schruppen zwischen 3 und 4 m/min, während beim Schlichten Vorschübe von 0,5 bis 1 m/min erreicht werden. Eilgangbewegungen in den Werkzeugwechseln erhöhen die durchschnittlichen Geschwindigkeiten noch einmal. Beim Bohren und Reiben sind die mittleren Vorschübe in Bezug auf die Erwärmung der Kugelgewindespindeln vernachlässigbar. In den einzelnen Prozessschritten ändern sich somit die Temperaturverteilungen auf den Kugelgewindetrieben bedingt durch die stark unterschiedlichen Vorschübe. Die wechselnden Belastungszustände der Kugelgewindetriebe können im Semi-Closed Loop auch bei einer Komplettbearbeitung in einer Aufspannung zu Genauigkeitseinbußen am Werkstück führen. Für eine präzise Fertigung von Kleinteilen sind daher Werkzeugmaschinen mit Längenmessgeräten (Closed Loop) eine zwingende Vorraussetzung.

Luftfahrt – Bauteile mit hohem Zerspanungsgrad

Der Nutzen von Integralbauteilen in der Luft und Raumfahrtechnik liegt in der Möglichkeit, eine bestmögliche Ausnutzung der Materialeigenschaften bei geringem Gewicht in einem Bauteil zu vereinen. Typische Integralbauteile haben einen Zerspanungsgrad von 95 % und darüber. Die Fertigungsprozesse werden heute auf HSC-Werkzeugmaschinen mit hohen Vorschüben und Schnittgeschwindigkeiten bearbeitet. Durch den Zerspanungsgrad der Bauteile sind hohe Zeitspanvolumina beim Schruppen von wirtschaftlicher Bedeutung. Bedingt durch die resultierenden Vorschübe und Bearbeitungskräfte entsteht jedoch auch eine beachtliche Reibungswärme in den Kugelgewindespindeln. Die Reibungsverluste und damit auch die Wärmedehnungen der Kugelgewindetriebe variieren zudem im Laufe eines Bearbeitungsprozesses, zum Beispiel durch unterschiedliche Vorschübe beim Schruppen und Schlichten. Bei der Serienfertigung von Integralbauteilen mit kurzen Durchlaufzeiten erwärmt sich die Kugelumlaufspindel mit steigender Loszahl. Werden die Vorschubantriebe im Semi-Closed Loop (ohne Längenmessgeräte) betrieben, so unterscheiden sich die Bauteiltoleranzen bei kleinen Losgrößen mit jedem gefertigten Einzelteil. Geforderte Fertigungstoleranzen werden wegen der Wärmedehnung gegebenenfalls nicht mehr erreicht. Solche Fehlerquellen können durch den Einsatz von Längenmessgeräten verhindert werden, da im Closed Loop Betrieb die Wärmedehnung der Kugelrollspindeln vollständig kompensiert wird.

Bei einem Anlenkhebel für die Luftfahrt müssen zwei Bohrungen im Abstand von 350 mm mit einer Toleranzklasse von IT7 gefertigt werden. Um die erreichbare Genauigkeit im Semi-Closed Loop zu bewerten, wird die Fertigung des Integralbauteils zweimal auf dem gleichen Rohteil wiederholt. Dabei wird das zweite Werkstück lediglich um 10 mm nach unten versetzt gefräst. Zwischen beiden Bearbeitungen werden zwanzig Bearbeitungszyklen des gleichen Teils über dem Rohteil abgearbeitet. Wird im Semi-Closed Loop bearbeitet, so weichen die beiden Konturen der Werkstücke voneinander ab, was durch eine Kante zu erkennen ist. Die Wärmedehnung der Kugelgewindetriebe zeigt sich am Bauteil umso deutlicher, je weiter sich die Antriebe bei der Bearbeitung von den Festlagern der Kugelgewindespindeln entfernen.

Das einzuhaltende Funktionsmaß von 350 mm mit einer Toleranzklasse von IT7 entspricht einer zulässigen Abweichung von  ±28 µm. Diese lässt sich im Semi-Closed Loop für das zweite gefertigte Teil nicht mehr einhalten. Die Abweichung beträgt 44 µm. Mit Längenmessgeräten im Closed Loop entsteht bei diesem Versuch keine Kante zwischen den beiden Werkstücken. Die verbleibenden Restabweichung im Closed Loop beträgt 10 µm und ist auf thermische Verlagerungen im Maschinengestell zurückzuführen. Das angegebene Stichmaß der beiden Bohrungen lässt sich damit auf IT5 verbessern. Auf diese Weise kann eine reproduzierbare Genauigkeit vom ersten Teil an erreicht werden.

SPS/IPC/Drives 2011
Halle 7, Stand 270

Dr. Jens Kummetz

: Leiter Applikationsentwicklung bei der Dr. Johannes Heidenhain GmbH in Traunreut.

(mf)

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Dr.-Johannes-Heidenhain-Str. 5
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