Geschäftsführer Matthias Holsten im Bilanz-Gespräch zum fünfjährigen Bestehen der Plath EFT.

Geschäftsführer Matthias Holsten im Bilanz-Gespräch zum fünfjährigen Bestehen der Plath EFT.

Productronic: Muss man als Angestellter nicht allen Mut zusammennehmen, in einer schwierigen Marktlage seiner Geschäftsleitung die Empfehlung zu geben, die Fachabteilung für elektronische Fertigung als eigenständiges Unternehmen auszubauen?

Matthias Holsten: Von außen betrachtet, sah das nach einem hohen Einsatz auf einer Karte aus. Die Pleite der Siemens-Tochter BenQ Mobile war symptomatisch für die Schwierigkeiten, die damals der EMS-Branche zu schaffen machten. Aus der Situation der heutigen Muttergesellschaft, der Hamburger Plath GmbH, sprach für mich jedoch Einiges dafür, diesen Schritt zu wagen. Das unbeständige Inhouse-Projektgeschäft zwang damals zwar zur Kurzarbeit, der zunehmende Umsatz des Drittgeschäfts forderte hingegen zur Expansion. Das war, räumlich gesehen, am Hamburger Standort nicht mehr möglich. Zwei aussichtsreiche Outsourcing-Projekte, die die komplette Elektronikfertigung für diese Kunden vorsah, waren dann auch der Grund, warum wir uns auf der grünen Wiese niederließen. Einen Kunden davon, die Autoflug GmbH in Rellingen, haben wir erfolgreich generiert.

Productronic: Das hört sich schlüssig und leicht umzusetzen an …

Matthias Holsten: Wir hatten gute Voraussetzungen: Plath ist eine anerkannte, solide Marke für Peiltechnik und Sensorik, vornehmlich in der Verteidigungs- und Messtechnik. Die Übernahme all jener Spezialisten aus der Muttergesellschaft, die die Layoutentwicklung, Konstruktion und Fertigung vorantrieben, brachte unserem Start Up-Unternehmen vom ersten Tag an ein mehr als 50-jähriges Know-how auf qualitativ höchstem Niveau. Unser Anspruch, dem Kunden „Lösungen und Sicherheit, auf lange Sicht“ erarbeiten zu wollen, war damit glaubhaft belegt – ein Wettbewerbsvorteil, den andere Jungunternehmen sich erst mühsam erarbeiten müssen. Dennoch war das Ganze eine extreme Herausforderung: Schafft es unsere Belegschaft, sich nicht mehr als Inhouse-Fertiger sondern als Dienstleister zu verstehen? Das verlangt nicht nur fachlich profundes Wissen. Weit wichtiger ist die Bereitschaft, sich flexibel auf sehr unterschiedliche Aufgaben und Kunden einzulassen. Früher fertigten wir zwei bis drei unterschiedliche Produkte pro Schicht, heute sind es fünf, sechs und mehr – und das bei sehr unterschiedlicher Dokumentenlage. Wir mussten lernen mit dem Erfolg umzugehen, den gewaltigen Umsatzschub mit der erforderlichen Prozesssicherheit zu koordinieren. Die Umstellung auf eine durchgängige Chargenverwaltung, einschließlich einer Barcode-Identifikation durch die gesamte Prozesskette, ergibt sich da als notwendiger Schritt von selbst. Der mentale Wandel, der damit verbunden war, war die eigentliche Herausforderung, der wir durch intensive Schulung und Hinwendung im Einzelfall begegnet sind. Wir sitzen mit unserem Betrieb nur einen Steinwurf vom Hamburger Flughafen entfernt. Wenn heute noch Mitarbeiter zum Himmel schauen und erzählen, dass der A 380 auch Baugruppen von uns enthält, klingt eine ganze Portion Stolz mit. Diese Identifikation versetzt Berge, mit der Bereitschaft, auch außer Plan engagiert zu arbeiten. Sie war und ist die treibende Kraft, mit der wir das wachsende Geschäft, das von Anbeginn bis heute anhält, bewältigen können. Das erklärt auch, warum die Fluktuation in unserem Hause über die Jahre erfreulich gering geblieben ist.

Productronic: Es gibt schätzungsweise 450 bis 550 vergleichbare EMS-Dienstleister in Deutschland, die sich um ein und denselben Kuchen bemühen. Was unterscheidet Plath EFT so markant von anderen Mitbewerbern?

Matthias Holsten: Die Luftfahrtindustrie und die Verteidigungstechnik verlangen von ihren Zulieferern höchste Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Produkte, selbst unter extremen klimatischen Bedingungen – und das auf Jahre garantiert. Hier sind wir zu Hause. Die EN 9100:2003-Zertifizierung, wie die Plath EFT sie gleich zu Beginn absolvierte, ist eine hohe Investition. Der schließen sich regelmäßig notwendige Re-Zertifizierungen an. Dazu sind viele EMS-Unternehmen unter dem ROIAspekt nicht bereit. Klasse statt Masse – da trennt sich auch in den Stückzahlen die Spreu vom Weizen. Wir konzentrieren uns auf kleine bis mittelgroße Serien – das ist feine Nischenpolitik. Bei uns im Norden gibt es so gut wie keinen Mitbewerber, der sich mit diesem qualitativ hohen Anspruch positioniert. Wer in den auf Sicherheit bedachten Branchen gute Arbeit leistet, findet sein Auskommen und seinen Platz. Nach aktuellen Studien weist die Medizintechnik in den kommenden Jahren ein Wachstumspotenzial von rund 25 Prozent aus – auch in Norddeutschland, wo der Großteil unserer Kunden beheimatet ist.

Productronic: Selektion um den Preis des Überlebens? Bei wie vielen sehen Sie eine gute Chance, künftig im Wachstumssegment mit dabei zu sein?

Matthias Holsten: Es dürften so an die 40 bis 60 Unternehmen sein, die bundesweit die fachlichen Voraussetzungen haben und auch die finanzielle Kraft mitbringen, in eine trag- und ausbaufähige Zukunft zu investieren. Das Automatisieren von Prozessen, um die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen, erfordert frühzeitige Investitionen in die Technik. Wir hatten und haben das Glück zur Plath-Gruppe zu gehören. Finanziell den Rücken gestärkt zu bekommen, ist ein enormer Vorteil, wenn man vorne mitspielen will, das muss man ganz klar sagen.

Productronic: Aber mit Investitionen alleine schafft man noch keine zukunftsfähige Position im Markt.

Matthias Holsten: Sie sind Voraussetzung, um auf Veränderungen zu reagieren, die den EMS-Markt künftig nachhaltiger prägen, als viele heute glauben. Wir verkaufen längst nicht mehr nur ein Stück Leiterkarte, sondern ganzheitliche Lösungen für Hightech-Produkte. Der Kunde wird dort abgeholt, wo seine Entwicklung steht, wir sie gemeinsam gestalten können und dafür effiziente Produkte und Komponenten produzieren. Ganzheitliches Denken – Electronic und Engineering Manufacturing – ist Voraussetzung, um glaubhaft Fullservice betreiben zu können. Wer sich nur auf Bestückung oder reine Fertigung verlegt, ist wie ein Kellner ohne Tablett unterwegs – wenig service- und bedarfsorientiert. Nur wer beide „E“s in seinem Portfolio bedient, wird mit dem „E2MS“ in Zukunft noch Kundenbindung erreichen und mehr Umsatz generieren. Das den Kunden zu vermitteln, ist seit fünf Jahren mein eigentliches Geschäft.

Productronic: Mit anderen Worten: Überzeugungsarbeit ist angesagt …

Matthias Holsten: Das Problem zeigt sich sowohl im Neu- wie auch im laufenden Tagesgeschäft. Ein OEM versteht unter Lösungen nicht selten etwas anderes als der Einkäufer im selben Unternehmen. Das sind zumeist die ersten Personen, mit denen wir Kontakt aufnehmen, sie sind anders lösungsorientiert – weniger technisch, eher vertraglich fokussiert. Ihre Aufgabe ist es, die Lösung möglichst preisgünstig anzugehen. Wir aber haben erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen, der reine Blick auf die Baugruppe hilft da nicht. Es muss einem gelingen, im richtigen Moment den Wandel zu vollziehen, den Kunden zu begeistern und den OEM mit ins zu Boot bekommen. Das Gefühl von partnerschaftlichem Denken muss behutsam wachsen und Vertrauen erzeugen. Offenheit und Klarheit in den Absprachen sind unabdingbar – anders funktioniert das Engineering nicht. Was partnerschaftlich lösungsorientiertes Mit-Denken verändern kann, zeigt sich oft schon im täglichen Projektgeschäft. Nicht selten werden dem EMS-Dienstleister Stücklisten und Zeichnungen übergeben, die unvollständig sind und nicht mehr der fortgeschrittenen Produktionstechnik entsprechen. So bleiben wichtige Informationen undokumentiert in den Köpfen der Entwickler. Umfangreiche Überarbeitungen und Recherchen verzögern den Fertigungsprozess. Ein Umstand, der manchem OEM erst bewusst werden muss – eine große Kluft zwischen EMS-Auftragnehmern und OEMs, die, glaube ich, noch oft zu finden ist.

Rainer Schoppe

vom IMA-Institut

(ah)

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