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(Bild: Audi)

Digitales Licht hilft. Der tödliche Unfall des autonomen Versuchsträgers von Uber Anfang diesen Jahres hat die Meinung der Fachwelt zum Bedarf an Außenbeleuchtung völlig verändert. Bisher lautete die Prognose, dass ein gut erkennbares Positionslicht völlig ausreicht, da IR-Sensoren, Laserscanner und Radarsysteme die Erkennung der Außenwelt vollständig übernehmen. Der tragische Unfall zeigt, wie wichtig hochwertige Lichtsysteme wie etwa blendfreies Fernlicht für den heutigen aber auch für den zukünftigen Straßenverkehr sind.

Matrix-LED-Licht

Bild 1: Level des autonomen Fahrens mit optimaler Lichtfunktion.

Bild 1: Level des autonomen Fahrens mit optimaler Lichtfunktion. Audi

Ein Matrix-Fernlicht leuchtet den Straßenraum in Fernlichtqualität aus, mit Ausnahme der Abschattung anderer Verkehrsteilnehmer, um Blendung auszuschließen. Diese Ausleuchtungsqualität verbessert gleichzeitig auch die Erkennbarkeit von Objekten durch eine Kamera. Im Uber-Unfallszenario kann man mindestens von zwei Sekunden Gewinn an Reaktionszeit durch Matrixlicht ausgehen, wenn man von einer Geschwindigkeit von 25 m/s und minimal 50 m Sichtweitegewinn ausgeht, obwohl 100 m Sichtweitegewinn und damit in diesem Fall vier Sekunden eher realistisch sind. Da im Matrix-LED-Scheinwerfer Software die bisherige Mechanik zur Modulation der Lichtverteilung ersetzt hat, handelt es sich hier um ein digitales Lichtsystem für Fahrzeuge.

Eckdaten

Digitales Licht bietet an vielen Stellen im Auto neue Möglichkeiten:

  • Matrix-LED-Licht im Scheinwerfer für die digitale Frontbeleuchtung – auch als HD-Matrixlicht sowie zur Informations-Projektion mit DMD-Scheinwerfern
  • Displays zur Kommunikation
  • Digitale Heckbeleuchtung – inklusive Matrix-OLED-Technik

Seit der Einführung der Matrix-LED-Technologie im Jahr 2013 gab es stetige Verbesserungen sowohl in punkto Leistung als auch in der Marktakzeptanz. Die Matrix-LED-Technologie ermöglicht auch in anderen Anwendungen wie zum Beispiel bei Heckleuchten und im Innenlicht zusätzliche kundenorientierte Funktionen für verschiedene Fahrsituationen und Sichtverhältnisse. Die Digitalisierung wird im Bereich der Beleuchtung neue Möglichkeiten schaffen, die für eine weitere Erhöhung der Verkehrssicherheit sorgen werden.

Unterlegt man die fünf Level des autonomen Fahrens (Bild 1) mit der optimal unterstützenden Lichtfunktion, so ergibt sich eine durchgängige Empfehlung zur Verwendung von Matrix-LED-Scheinwerfern. Zumindest bei der Bewertung beziehungsweise Klassifizierung von Objekten im Videobild ist Matrixlicht bei Nachtfahrten immer vorteilhaft. Weitere Elemente wie Fahrbahnprojektionen und Statusanzeigen oder sogar Kommunikationsdisplays ergänzen eine optimale Beleuchtungskonfiguration für autonome beziehungsweise teilautonome Fahrzeuge.

Digitale Frontbeleuchtung

Die klassische Kommunikation zwischen Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern, wie Augenkontakt herstellen, Kopfnicken oder Handzeichen geben ist beim autonomen Fahren schlicht unmöglich. Die Lichttechnik kann hier zwei Varianten als Substitution für die fehlende Kommunikation anbieten – zum einen in Form von Projektionssystemen, die Informationen auf die Fahrbahn projizieren, zum anderen in Form von lichtstarken Displays mit relativ geringer Auflösung zur Anzeige von Symbolen.

Projektionssysteme: HD-Matrixlicht

Projektionssysteme können sowohl als HD-Matrixlicht (HD: High Density) zum Einsatz kommen als auch als Fahrbahnprojektionssystem. Eine Erhöhung der Auflösung heutiger Matrix-LED Scheinwerfersysteme beruht auf dem Konzept eines Mikrospiegelarrays (Digital Micromirror Device, kurz DMD) mit hohen Kontrasten. Bei diesem DMD-System beleuchtet eine starke Lichtquelle ein Array mit einer Vielzahl von Mikrospiegeln; üblich sind 1.000.000 Pixel auf einem 0,55-Zoll-Chip).

Bild 2: Funktionsprinzip des digitalen Matrix-Lichts.

Bild 2: Funktionsprinzip des digitalen Matrix-Lichts. Audi

Jedes einzelne Pixel wird individuell gesteuert, sodass hochauflösende Lichtverteilungen möglich werden. Jeder Spiegel hat zwei stabile Zustände, zwischen denen hin- und hergewechselt werden kann. Durch schnelles Kippen des Mikrospiegels lassen sich sämtliche Dimmstufen pixelgenau einstellen. Je nach Qualität der Sensordaten besteht beispielsweise die Möglichkeit, die genaue Fahrzeugkontur eines entgegenkommenden Fahrzeugs oder nur den Kopf eines entgegenkommenden Fahrers zu maskieren, während die restliche Szenerie beleuchtet wird. Die Realisierung dieses Szenarios scheitert allerdings an der Toleranzkette. Präzision und Reproduzierbarkeit im Bereich von hundertstel Grad sind aus dem fahrenden Fahrzeug heraus heute noch nicht gegeben. Neben diesen Entblendungssystemen sind noch weitere Assistenzsysteme möglich – zum Beispiel für Markierungsbeleuchtungen. Nachteile des DMD-Systems sind die hohe Systemkomplexität sowie der schlechte Wirkungsgrad, da alle Pixel immer maximal beleuchtet werden und die „dunkel“ gekippten Mikrospiegel den Lichtstrom in einen Absorber lenken.

Projektionssysteme: Informations-Projektion

Digitales Licht kann noch mehr: Mittels hochauflösender DMD-Scheinwerfer lassen sich Symbole, Grafiken, Hilfslinien, Richtungspfeile etc. auf die Fahrbahn vor das Fahrzeug projizieren. Bekannt ist vor allem der vom Fahrzeug projizierte Zebrastreifen, der allerdings nur eine sehr geringe Realisierungschance hat. Lichtmenge, Winkel und die zu kompensierende Verzerrung aus verschiedenen Betrachtungswinkeln stehen der Realisierung entgegen. Außerdem ist es nicht zulässig, gültige Verkehrszeichen temporär zu projizieren. Diese dürfen nur von der Straßenverkehrsbehörde aufgestellt beziehungsweise auf die Straße aufgemalt werden – und dazu gehört auch der sogenannte Zebrastreifen.

Bild 3: Mögliche Zeichen für eine Fahrzeug-Fußgänger-Kommunikation.

Bild 3: Mögliche Zeichen für eine Fahrzeug-Fußgänger-Kommunikation. Audi

Natürlich muss sich der Fahrzeughersteller auch sehr genau überlegen, welche Informationen besser im Head-up-Display (HUD) angezeigt werden und welche auf der Fahrbahn sinnvoller sind. Dabei kann man grundsätzlich unterscheiden in Informationen die nur für den Fahrer sinnvoll sind (HUD) und solche, die auch andere Verkehrsteilnehmer warnen oder schützen können (Matrix-Projektion). Informationen über die eigene Geschwindigkeit, gültige Verkehrszeichen, Navi-Pfeile, Abbiege-Informationen sowie den ACC-Status sind für die Anzeige im HUD prädestiniert, während Matrix-Projektionen sich sehr gut für Warnungen vor Glatteis, Hindernissen oder an Stauenden sowie bei Notbremsungen eignen.

Weiterentwicklungen erfolgen auch beim Markierungslicht und neuen Funktionen zur Unterstützung des Fahrers bei unklaren Situationen. Beim Befahren verengter Straßenabschnitte wie zum Beispiel in Baustellen könnte es dem Fahrer schwerfallen, die Fahrzeugbreite exakt zu überblicken. Eine projizierte optische Fahrspur hilft dem Fahrer beim Einschätzen der genauen Fahrzeugbreite. Auch für kurvenreiche Straßen ist das System nützlich: Hier passen sich die Linien dem Streckenverlauf an und zeigen dem Fahrer die ideale Fahrlinie.

Das System erleichtert auch das Fahren auf sehr schmalen Straßen (zum Beispiel in japanischen Wohngebieten), vereinfacht dem Fahrer das Einschätzen und kann gefährliche Situationen bei Baustellen und Engstellen verhindern.

Displays zur Kommunikation

Durch eine Kommunikation mit dem Fahrer fühlen sich Fußgänger sicherer beim Überqueren einer Straße. Im Gegensatz dazu verringert sich die Bereitschaft von Fußgängern die Straße zu überqueren, wenn Fahrer unaufmerksam sind und keinen Blickkontakt herstellen. Trotz laufender Fortschritte beim automatisierten Fahren bereitet das Bewältigen des städtischen Verkehrs noch große Schwierigkeiten – vor allem wegen der großen Anzahl von Verkehrsteilnehmern und der Notwendigkeit der Kommunikation. Automatisierte Fahrzeuge stehen wahrscheinlich noch Jahrzehnte vor der Problematik des Mischverkehrs mit nichtautomatisierten Fahrzeugen, wobei auch Fußgänger stets eine wichtige Rolle einnehmen werden. Auch hier kann digitales Licht einen wesentlichen Beitrag leisten.

Bei automatisierten Fahrzeugen ist eine klassische Kommunikation zwischen Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern nicht mehr möglich. Um trotzdem das Vertrauen zwischen Verkehrsteilnehmern und automatisierten Fahrzeugen beizubehalten, ist eine Kommunikation zwischen diesen weiterhin entscheidend. Dafür ist beispielsweise das Anzeigen beziehungsweise Kommunizieren von Fahrzeugzustand und -intention sowie die Erkennung von Fußgängern sinnvoll, um eine Vertrauensbasis herzustellen.

Probandenstudie

Bild 4: Heckleuchten mit segmentierten OLEDs.

Bild 4: Heckleuchten mit segmentierten OLEDs. Audi

Um zu untersuchen, wie eine zukünftige Fahrzeug-Fußgänger-Kommunikation durch geeignete Symboliken aussehen kann, welche Zeichen schnell Situationen zuzuordnen sind und wie intuitiv diese sind, führte Audi eine Probandenstudie durch. Im Vorfeld der Studie wählten die Beteiligten sowohl statische als auch dynamische Symbole aus, die eine Expertenrunde dann evaluierte. Daraus wurden die Symbole aus Bild 3 für die Probandenstudie festgelegt.

Für die zu untersuchenden Zeichen der Fahrzeug-Fußgänger-Interaktion dienten bekannte Symbole aus dem Straßenverkehr als Vorlage, zum Beispiel Ampelmännchen, Kurvenleittafeln, Halteverbot oder Fahrtrichtung, aber auch vertraute Icons aus dem Fahrzeuginnenbereich wie Icons des ACC und Ultraschallsensoren oder Start-Stopp-Automatik sowie Symbole, die mit LED-Streifen darstellbar sind. Zusätzlich erfolgte eine Literaturrecherche. Aus diesen wurden verschiedene Zeichen abgeleitet und Symbole kombiniert.

Zur Durchführung der Studie kamen zwei am Fahrzeug befestigte Bildschirme zum Einsatz, die den Probanden weiße Symbole darboten – mit dem Ziel, deren Intuitivität und Korrelation zu Situationen abzuprüfen, wobei sich Gruppen verständlicher und missverständlicher Zeichen bilden lassen. Bei intuitiver Abfrage zeigen die Reaktionszeiten (minimal 2,72 s) und Zuordnungen (maximal 74 %) der Symbole nur eine geringe Intuitivität. Außerdem bevorzugen die Probanten dynamische Symbole besonders für dynamische Situationen.

Aus den gezeigten Symbolen schneiden vor allem die STOP-Hand, der dynamische Pfeil (ähnlich dem dynamischen Blinker) und Darstellungen von Fußgängern mit Fahrzeug sehr gut ab. Auch bei intuitiver Abfrage zeigt die STOP-Hand die höchste Zuordnungsquote, wobei hier vor allem lineare Darstellungen, wie zum Beispiel Balken, missverstanden werden oder überhaupt nicht zuordenbar waren. Die drei nächstbesten Symbole (Rang 2 bis 4) sind mit zirka 57 Prozent das Fahrzeug mit Fußgänger sowie jeweils etwa 54 Prozent der animierte Abbiegepfeil und der Fußgänger mit der Wellendarstellung.

Dies zeigt deutlich, dass es bereits bei bekannten Zeichen schwierig ist, eine intuitiv richtige Deutung der Kommunikation vorzunehmen und dass es bei eindimensionalen Symbolen nahezu unmöglich ist. Diese Symbole sind für die Interaktion mit Fußgängern nur wenig geeignet. Besonders geeignet erscheinen zweidimensionale, gegebenenfalls dynamische Symbole wie zum Beispiel Symbol Nummer 27 in Bild 3.

Digitales Licht am Heck

Im Gegensatz zur Frontbeleuchtung hat die Heckbeleuchtung die Aufgabe, Basisinformationen wie Fahrzeugbreite, Bremsen und Richtungsanzeige anzuzeigen. Bei künftigen Anwendungen wird es dank Segmentierung des Leuchtkörpers auch möglich sein, verschiedene Muster beziehungsweise Segmentkombinationen zu generieren oder die Aufmerksamkeit des Fahrers auf die aktivierte Funktion zu lenken. Dynamische Fahrtrichtungsanzeiger sind ein aussagekräftiger Beweis dafür, wie ein dynamisches Umschalten zwischen Segmenten des Leuchtkörpers die Verkehrssicherheit verbessern und die Blickzuwendungszeit verkürzen kann.

Matrix-OLED-Technik

Die derzeit beim Audi TT RS und dem neuen Audi A8 eingesetzte Matrix-OLED-Technik ist ein vielversprechender Ansatz auf dem Weg zu einer optimalen Matrix- beziehungsweise Displaytechnik für die Heckbeleuchtung. Hier werden zahlreichen Vorteile miteinander kombiniert: Gegenüber ihrem passiven LCD-Pendant spart die Technologie nicht nur Bauraum, sondern sie ist als aktive Technik auch effizienter. Hinsichtlich Leuchtdichtewerten von mehr als 1000 cd/m2 ist dieser Aspekt besonders wichtig. Auch flexible Lösungen für künftige Anwendungen sind möglich.

Für die autonomen Fahrzeuge der Zukunft können insbesondere dynamische Signalfunktionen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung und Gewährleistung der Verkehrssicherheit spielen. Ein dynamischer Blinker verringert die Fehlerquote bei Richtungseinschätzungen und verbessert die Entscheidungsabläufe des Fahrers um 0,6 s beziehungsweise 11,5 m bei 70 km/h.

Weitere Möglichkeiten sind die Individualisierung der Schlusslichtgrafiken – selbstverständlich unter Einhaltung aller internationalen Regelungen und Vorschriften. Digitales Licht bietet viele Möglichkeiten – auch für das autonome Fahren.

Dr. Wolfgang Huhn

Leiter für Licht und Sicht bei Audi in Ingolstadt

Dr. Michael Hamm

Leiter für Scheinwerferentwicklung bei Audi Ingolstadt

Johannes Reschke

Doktorand für künstliche Intelligenz und Lichtassistenzsysteme bei Audi in Ingolstadt

(av)

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