Torsten Janwlecke, Mitglied der Geschäftsleitung und Präsident der Business Area Device Connectors bei der Phoenix Contact

Torsten Janwlecke, Mitglied der Geschäftsleitung und Präsident der Business Area Device Connectors bei Phoenix Contact. (Bild: Phoenix Contact)

Herr Janwlecke, die SPS in Nürnberg steht kurz bevor. Auf welche Branchentrends können Besucher sich freuen und warum lohnt sich ein Besuch bei Phoenix Contact?

Torsten Janwlecke: In der Vergangenheit lag der Fokus der SPS auf Automatisierungshardware. Mehr und mehr durchdringen nun aber Informationstechnologie und Software klassische Automatisierungsanwendungen. Vor dem Hintergrund des neuen Messekonzepts bin ich gespannt, wie Hard- und Softwareanbieter weiter zusammenwachsen und gemeinsame Lösungen aufzeigen. Auch bei Phoenix Contact hat die digitale Transformation längst begonnen. Software und digitale Dienstleistungen haben bei uns einen hohen Stellenwert. Auf der SPS zeigen wir daher neue Anschlusstechnologien zum Beispiel für die geräteinterne Datenübertragung. Wir präsentieren aber auch übergreifende Lösungen für Trendthemen wie OPC UA und Single Pair Ethernet sowie Cloud-Lösungen.

Erleben wir auf der SPS also wirklich eine Transformation der Branche?

Torsten Janwlecke: Ja – aber natürlich nicht nur auf der SPS. Die klassische Produktion und die IT waren lange zwei unabhängige Welten mit eigenen Marktanforderungen, Technologien und Entwicklungszyklen. Heute sind sie untrennbar miteinander verbunden – nicht nur für den Endanwender, sondern auch für die Anbieter.

Können Sie ein Beispiel von Phoenix Contact nennen?

Torsten Janwlecke: Bei uns zieht sich die Digitalisierung durch die komplette Wertschöpfungskette. Angefangen bei der Ressourcen-Planung mit SAP über die virtuelle Projektorganisation bis hin zu digitalen Dienstleistungen wie Konfiguratoren, Shops, oder die Bemusterung. Einkauf, Produktion, Logistik, Gebäude- und Personalmanagement – heute kommt kein Unternehmensbereich mehr ohne digitalisierte Prozesse aus. Das mag vielleicht nicht revolutionär klingen. Bei einem Unternehmen mit rund 50 internationalen Tochtergesellschaften bedeutet es aber, zahlreiche unterschiedliche Entwicklungsstände, Schnittstellen und Rahmenbedingungen miteinander zu harmonisieren. In diesem Zusammenhang haben wir zahlreiche Innovationsprojekte angestoßen. Wir entwickeln und erproben aktuell neue Vertriebsmodelle, vernetzte Kundenschnittstellen, effiziente Produktions- und Beschaffungsprozesse und vieles mehr. Diese Projekte bilden ganz konkrete Orientierungspunkte für unsere digitale Transformation.

Ihr Kerngeschäft ist passive Anschlusstechnik. Sind Produkte wie Leiterplattenklemmen oder Steckverbinder Auslaufmodelle?

Torsten Janwlecke: Ganz klar nein. Jedes Gerät benötigt Signale, Daten oder Leistung. Ohne Anschlusstechnik ist selbst die leistungsfähigste Industriesteuerung wie ein Sportwagen ohne Reifen. Viel Potenzial, aber letztlich nutzlos. Anschlusstechnik treibt also im wahrsten Sinne des Wortes die intelligent automatisierte Produktion an. Hohe Leistungen, enorme Datenmengen, Lösungen für Millionen von Anschlusspunkten oder für Spezialanwendungen wie beispielsweise Batteriespeichersysteme. Bei dieser schier unendlichen Anwendungsvielfalt kann man wohl kaum von einem Auslaufmodell sprechen.

Welche technologischen Lösungen werden den Markt 2020 prägen?

Torsten Janwlecke: Den einen Markt gibt es nicht – dafür sind die Anforderungen und Rahmenbedingungen der verschiedenen Branchen und Applikationen weltweit zu unterschiedlich. In der klassischen Industrieautomatisierung sehe ich einen Trend weg von proprietären hin zu Plattform-Lösungen – zu offenen Systemarchitekturen, standardisierten Schnittstellen und durchgängigen Kommunikationsprotokollen. Diese Trends werden 2020 von Technologien wie OPC UA, Single Pair Ethernet oder 5G befeuert.

Was bedeutet „offene Systemarchitektur“ für Ihren Geschäftsbereich und wie profitieren Ihre Kunden davon?

Torsten Janwlecke: Offenheit heißt, flexible technologische Lösungen anzubieten, mit denen unsere Kunden ihre ganz individuellen Anforderungen erfüllen können. Normen, Standards und Zulassungen spielen eine große Rolle, um Geräte international einsetzen zu können und damit Skaleneffekte optimal auszunutzen. Das gilt auch für die Anschlusstechnik. Idealerweise ist sie standardisiert, kompatibel zu anderen Lösungen auf dem Markt und modular aufgebaut. Von dieser Offenheit profitiert der Kunde in Einkauf, Entwicklung und Vertrieb.

Reden wir über die Wirtschaftslage. Wie bewerten Sie das ablaufende Geschäftsjahr und was erwarten Sie für das kommende Jahr?

Torsten Janwlecke: Für Phoenix Contact war das jetzt ablaufende Geschäftsjahr immer noch durch moderates Wachstum geprägt. Insgesamt hat sich die Wirtschaft vor allem im zweiten Halbjahr aber deutlich abgekühlt. Dazu haben maßgeblich auch die Unsicherheiten und Hürden im internationalen Warenverkehr beigetragen. Ausschlaggebend im kommenden Jahr wird sein, ob diese Handelskonflikte beendet werden oder weitere bestehen – oder sogar eskalieren. Grundsätzlich gibt es in den internationalen Märkten noch viel Potenzial für Wachstum – beispielsweise in der Elektrifizierung der Mobilität oder in den erneuerbaren Energien.

2023 feiert Phoenix Contact 100-jähriges Bestehen. Ist Tradition ein Fluch oder ein Segen?

Torsten Janwlecke: Ich sehe unser 100-jähriges Bestehen vor allem als Zeichen des Erfolgs. Trotzdem ist es aber kein Grund sich auszuruhen. Auch oder gerade nach 100 Jahren müssen wir selbstkritisch bleiben und unser Geschäftsmodell permanent auf den Prüfstand stellen. Agilität wird immer wichtiger – im gesamten Marktangang, in den zugrunde liegenden Prozessen, aber auch im eigenen Denken.

Was heißt das konkret?

Torsten Janwlecke: Unser Umfeld verändert sich in höherem Tempo als je zuvor, gesellschaftspolitisch und technologisch. Darauf muss sich jeder Einzelne einstellen – ob als Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Anbieter, Kunde oder als Privatperson. Es ist ja fast banal zu sagen, dass das lebenslange Lernen wichtiger wird. Aber immer kürzere Technologiezyklen setzen immer neue Impulse. Wer diese nicht für sich nutzt, bleibt früher oder später hinter der Mehrheit zurück.

Stichwort Lernen: Gibt es irgendetwas, das Sie immer lernen wollten, aber wohl nicht mehr lernen werden?

Torsten Janwlecke: Ich ärgere mich immer wieder, dass meine Französischkenntnisse eingerostet sind. Und richtig Saxophon wollte ich auch schon immer spielen können.

Andrea Neumayer

Redakteurin elektronik journal

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