Das Distributionslager von Digi-Key in Thief River Falls.

Das Distributionslager von Digi-Key in Thief River Falls. (Bild: Digi-Key)

Die Stadt Thief River Falls hat 8.716 Einwohner, sie befindet sich im Nordwesten des US-Bundesstaats Minnesota. Die nächste Großstadt, Fargo, liegt in diesen Breiten ganze 181 Kilometer entfernt. Dass der größte Arbeitgeber hier ausgerechnet der Elektronik-Distributor Digi-Key Electronics ist, würden wohl nur wenige vermuten. Auch Hermann Reiter, Managing Director bei Digi-Key Germany, spricht vom „Middle of nowhere“ und „der Silicon Tundra“, wenn es um den Unternehmensstandort geht. Räumlich ist der oft ganz schön weit weg von den internationalen Kunden, die hier ordern.

„Die Breite unseres Lagersortiments mit 1,3 Millionen verfügbaren Bauteilen macht es einfach nötig, dass alles an einem zentralen Punkt ist“, erklärt Reiter. Man wolle Verfügbarkeit zeigen, ein globaler Supermarkt sein, der vom Studenten bis zum Großkonzern niemanden ausschließt. In zwei bis drei Tagen verspricht der Distributor, Bestellungen quer über den Globus nach Asien oder auch Europa zu liefern. „Das schaffen Lieferanten in Europa oft nicht“, konstatiert Hermann Reiter. Was Deutschland angeht, kann Digi-Key sich den Benefit des Zeitvorsprungs zunutze machen. „Wenn wir abends um 17 Uhr langsam an die Brotzeit denken, ist es in Thief River Falls gerade 10 Uhr morgens, da sind die gerade warmgelaufen und können Pakete packen“, veranschaulicht Reiter.

Zwanzig Minuten von Bestellung bis Versand

Möglich macht die beschleunigte Auslieferung aber auch die enge Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Logistikunternehmen. Diese beginnt direkt im Lager, gleich nachdem die Lieferung zusammengestellt wurde. Hermann Reiter: „Gibt ein Kunde eine Bestellung auf, fällt 20 Minuten später eine Box vom Band. Mitarbeiter von UPS, Fedex oder DHL sind dann schon vor Ort.“  Bis zu 20.000 Pakete, die Digi-Key pro Tag versendet, gehen in der Regel zum Hub von UPS und teilweise nach Louisville in Kentucky. Von dort aus starten Flugzeuge beispielsweise ins nordrhein-westfälische Herne, von wo dann die Weiterverteilung innerhalb Deutschlands erfolgt. In punkto Sortiment ist Hermann Reiter ein Aspekt besonders wichtig: „Digi-Key Electronics verkauft nur Waren als autorisierter Distributionsvertragspartner.“

„In Europa sind wir noch ein Start-up; wir sind ja nicht so lange hier“, ordnet Reiter ein. Von den ungefähr 1,8 Milliarden US-Dollar Jahresgesamtumsatz des Distributors entfallen 25% auf den europäischen Markt. Der deutschsprachige Teil macht >30 Prozent des Europa-Volumens aus. Umso wichtiger ist es, den (künftigen) Kunden punktgenau abzuholen. Was den Besteller umtreibt, möchte der Distributor zum einen im direkten Kontakt auf Messen erfahren. Zur Electronica letztes Jahr reisten beispielsweise auch hochrangige Mitarbeiter aus dem Management an. Sogar Linda J. Johnson, Vice President of Operations, unterhielt sich tagtäglich mit Kunden am Stand.

Managing Director Hermann Reiter ist bei Digi-Key für Deutschland zuständig.

Managing Director Hermann Reiter ist bei Digi-Key für Deutschland zuständig. Digi-Key

Website als Herzstück der Kommunikation

Doch Kundennähe definiert sich mittlerweile nicht mehr zwingend räumlich sondern genauso digital. Herzstück der Besteller-Kommunikation ist dementsprechend auch Digi-Keys Website, auf der in einer durchschnittlichen Stunde an die 10.000 Besucher aktiv sind. In derselben Zeit werden parallel 14.000 Suchanfragen durchgeführt, 16.000 Produktbeschreibungen aufgerufen und 2.500 Datenblätter aufgerufen. Genau genommen verteilt sich der Traffic auf 86 unterschiedliche Sites, die der Distributor für unterschiedliche Zielmärkte angelegt hat. „Wir haben versucht, möglichst lokal zu sein“, beschreibt Reiter. „Die Rechnungsstellung ist für Deutschland zum Beispiel auf Deutsch, gezahlt wird auf ein deutsches Konto – act local!“

Jeden Tag ein neues Youtube-Video

So steht für Rückfragen auch ein deutschsprachiger Support zur Verfügung. Deutsche und amerikanische Ingenieure arbeiten dabei wechselweise in Schichten, sodass eine 24-Stunden-Versorgung gewährleistet ist. „Wir bieten einen Vier-Level-Support“, erklärt Reiter. „Das geht los bei einfachen Anfragen wie ,Ich möchte gern ein Datenblatt‘ und zieht sich bis zur Aussage ,Mein Development-Tool brummt komisch‘.“

Neben telefonischen Beratungsgesprächen können Kunden auch einen Live-Chat starten, ein Trainingsmodul zu einem bestimmten Produkt absolvieren oder sich über technische Entwicklungen informieren. Hermann Reiter: „Jeden Tag stellen wir ein Video auf Youtube ein, in dem wir Produktneuheiten vorstellen. Das machen wir nicht, weil wir Youtube so gut leiden können, sondern weil der Kunde es so will.“ Sichtbar wird das dann an den Abrufzahlen.

Keine Applikationsunterstützung vor Ort

Applikationsunterstützung vor Ort bietet Digi-Key nicht an. „Wir fokussieren uns auf die Dinge, die wir gut können, also Content generieren und Content zur Verfügung stellen“, erläutert Deutschland-Chef Reiter. „Digi-Key kann ein wertvoller Partner für den deutschen Entwickler, Ingenieur oder Designer sein, weil wir die Philosophie haben, alles sofort auf dem Serviertablett zu haben beziehungsweise auf der Website zu präsentieren.“ In der heutigen Zeit wolle ja keiner mehr warten. So wird der Datenstrom, der über Telefonleitungen und Website läuft, zeitnah analysiert, um interessante Seiteninhalte auszumachen. Ist die Frage „Welchen Stecker brauche ich für dieses Board?“ zum fünften Mal aufgelaufen, handelte es sich mit ziemlicher Sicherheit um relevanten Inhalt für Website.

Zusatzleistungen

„Value-Adds“, Zusatzleistungen um das Bauteil herum, müssen bei Digi-Key nicht immer zusätzliche Informationen sein. Auch individuell angepasste Versandlösungen gehören dazu. „Wenn zum Beispiel ein Kunde sagt, er habe eine Bestückungsmaschine, kann aber keine losen Bauteile, sondern nur Rollen verarbeiten, dann rollen wir ihm die Bauteile auf eine, mit entsprechend Vorspann und Nachspann. Das nennen wir dann Digi-Reel, und wir haben uns den Begriff sogar als Trademark schützen lassen.“

Gerade im Bereich der Prototypen sei es wichtig, agil auf Kundenwünsche einzugehen. Auch die Programmierung von Prototypen oder das Eichen von Widerständen und das Kalibrieren von Oszillatoren gehört zum Portfolio – und zwar alles von Thief River Falls aus. Schließlich kann man auch über Tausende Kilometer Entfernung hinweg den Finger am Puls des Kunden haben.

Therese Meitinger

Redakteurin beim elektronik journal

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Digi-Key Corporation

701 Brooks Avenue South
56701 Thief River Falls , MN
United States