Auf den 402 m bis zum Ziel zählt jede hundertstel Sekunde. Beim fünffachen Europameister Ian King messen Drehmomentsensoren, wie effizient das Getriebe arbeitet.

Auf den 402 m bis zum Ziel zählt jede hundertstel Sekunde. Beim fünffachen Europameister Ian King messen Drehmomentsensoren, wie effizient das Getriebe arbeitet. Rose Hughes

Der Sensorspezialist NCTE hat gemeinsam mit Thyssen Krupp System Engineering, einem Hersteller von Getriebeprüfständen für die Automobilindustrie, eine Messeinheit entwickelt, die genau misst, mechanisch robust ist, aber ohne Dehnungsmessstreifen auskommt. Eine berührungslose Drehmomentsensorik ist in einer Lagereinheit integriert – und somit in einem Aggregat kombiniert. So müssen verschiedene Systeme nicht mehr aneinandergeflanscht werden und die Störeinflüsse anderer mechanischer Komponenten sind geringer. Außerdem erfolgt die Drehmomentmessung im Triebstrang nahe am Prüfling. Dadurch enthält das Ausgangssignal nur wenige Störanteile. Die drehmomentmessende Lagereinheit ist kompakter und spart dem Betreiber somit Bauraum.

Das Besondere an der NCTE-Sensorik ist, dass sie auf Basis von Magnetostriktion arbeitet. Bestimmte Komponenten, die Teil des Sensors werden sollen, werden dauerhaft magnetisch codiert – in diesem Fall die Welle. Hierfür hat das Unternehmen ein patentiertes Verfahren entwickelt, mit dem sich die magnetische Domäne einer ferromagnetischen Welle so ausrichten lässt, dass unter der Wellenoberfläche ein Magnetfeld entsteht. Dafür werden in bestimmten Frequenzmustern hohe Ströme in die Welle geleitet bis die Genauigkeit und die Ausrichtung des Magnetfelds den Anforderungen entsprechen. Um die Messung vor externe Magnetfelder zu schützen, werden zwei Magnetfelder mit gegenläufiger Richtung erzeugt (Differenzialmessung). Der magnetisch codierte Bereich ist der wichtigste Teil des Sensorsystems und bildet den sogenannten Primärsensor.

Anwendung im Detail

Exakte Daten auf der Rennstrecke

402 m in knapp 6,5 s: Damit der fünffache Dragracing-Europameister Ian King schneller als die Konkurrenz über die Ziellinie fährt, muss er vor jedem Rennen die Komponenten seiner Maschine optimal aufeinander einstellen. Dabei unterstützen ihn NCTE-Sensoren. Diese messen, wie effizient das Getriebe arbeitet und wie viel Motorleistung verloren geht. Allerdings ist in der Getriebeausgangswelle kaum Bauraum vorhanden. Deshalb fährt der Dragracer des Engländers mit einer Welle, die innen hohl ist. In die magnetisierte Welle ist auf einer Länge von etwa 10 cm ein Sensor eingeschoben, der einen Durchmesser von rund 10 mm hat. Dadurch kann Ian King mitten in der Welle messen, die sich rasant bewegt und zudem Biegekräften ausgesetzt ist. So erhält er exakte Daten über die Leistung, die am Hinterrad zur Verfügung steht.

Ein anliegendes Drehmoment verändert diese Magnetfelder – basierend auf dem robusten, streng linearen Effekt der Magnetostriktion. Hochauflösende Magnetfeld-Spulen detektieren diese Magnetfeldänderungen berührungslos mit bis zu 3 mm Abstand zur Welle. Aufgrund der Differenzialmessung kommt mindestens ein Spulenpaar zu Einsatz; in der Regel sind es bis zu vier Spulenpaare. Diese sind auf Spulenboards vergossen und werden so in fester Position zur Welle gehalten. Ein Gehäuse schirmt die Einheit zusätzlich vor externen magnetischen Störfeldern ab. Magnetfeldspulen, Spulenhalter und Schirmung bilden eine Einheit – den Sekundärsensor.

Aufgrund der geringeren Gehäusemaße der kombinierten Lagereinheit können die Stränge näher zusammenrücken als bei klassischen Messwellen. Die Platzersparnis ist ein Konstruktionsvorteil.

Aufgrund der geringeren Gehäusemaße der kombinierten Lagereinheit können die Stränge näher zusammenrücken als bei klassischen Messwellen. Die Platzersparnis ist ein Konstruktionsvorteil. NCTE

Am Ende der einfachen Messkette wandelt die Elektronik die aufgenommenen Magnetfeldveränderungen der Welle in nutzbare elektrische Signale um. Aufgrund von Bauraum- und Temperaturanforderungen wird die Elektronik häufig in einiger Entfernung von der eigentlichen Messstelle platziert. Für die Kommunikation sind analoge Ausgangssignale (Spannungs- oder Stromausgang) Standard. Es stehen aber auch CAN-, Frequenz- oder PWM-Ausgänge zur Verfügung.

Drehmomentmessung zeigt Fehler auf

Die neue drehmomentmessende Lagereinheit kommt in der End-of-line-Prüfung von Antriebstrangkomponenten zum Einsatz, beispielsweise von Getrieben.  Im komplexen Prüfzyklus werden dabei über alle Gänge die An- und Abtriebsmomente aufgezeichnet und über die steigenden und fallenden Drehzahlrampen ausgewertet. Mithilfe der Prüf-Software wird schließlich ausgewertet, ob der Prüfling den Zyklus fehlerfrei durchlaufen hat oder ob eine Wiederholung oder eine Nacharbeit erforderlich ist.

Außerdem ist es möglich, Drehmomentverläufe als Schutzmaßnahme zu nutzen: Steigt der gemessene Wert über eine erlaubte Schwelle, ist von einem Defekt auszugehen. Der Prüfzyklus lässt sich dann abbrechen, bevor Prüfling und Maschine zu Schaden kommen.

Durch die Kombination von Lagereinheit und Drehmomentsensorik verkürzt sich die Stranglänge, da die Messwelle als zusätzliche Komponente entfällt.

Durch die Kombination von Lagereinheit und Drehmomentsensorik verkürzt sich die Stranglänge, da die Messwelle als zusätzliche Komponente entfällt. NCTE

Häufig lassen Tests, die mit Drehmomentsignalen arbeiten, auch auf den späteren Fahrkomfort schließen. Dabei handelt es sich etwa um Drehmomentmessungen mit Leerlauf oder Losbrechmoment, Geräuschentwicklung und Vibrationen (NVH) über sämtliche Gänge und Drehzahlen sowie um Parksperrentests. Außerdem werden innerhalb des Prüflaufs diverse Betriebsarten wie Zug- oder Schubbetrieb gefahren. Um die elektrischen Antriebsmaschinen präzise zu regeln, sind Daten sowohl über die Drehzahl als auch über das Drehmoment erforderlich. Diese Signale werden vorrangig von externen Sensoren erfasst und in die Antriebsregler eingespeist.

Kein Problem mit Überlast

Das berührungslos arbeitende Messprinzip hat mehrere Vorteile: Die Sensorik ist robust und langlebig, auch unter schwierigen Einsatzbedingungen misst sie zuverlässig und exakt. Außerdem wird der Messkörper nicht verfälscht. Die Verbindung aus Lagereinheit und Drehmomentsensorik bietet außerdem Vorteile beim Design des  Triebstrangs. Zum einen verkürzt sie die Stranglänge, da kein Platz für eine zusätzliche Messwelle erforderlich ist. Zum anderen verringert sich der Montageaufwand, da mit der Sensoreinheit eine Lagereinheit grundsätzlich das Strangende stützt.

Während konventionelle Sensoren häufig keine Überschreitung des Messbereichs-Endwertes erlauben, lassen sich kombinierte Lagereinheiten mindestens bis zum doppelten Nennlastbereich betreiben, ohne Schaden zu nehmen.

Während konventionelle Sensoren häufig keine Überschreitung des Messbereichs-Endwertes erlauben, lassen sich kombinierte Lagereinheiten mindestens bis zum doppelten Nennlastbereich betreiben, ohne Schaden zu nehmen. NCTE

Ein weiterer Vorteil ist die Überlastfähigkeit. So ist es möglich, den angegebenen Messbereich komplett auszunutzen, ohne in die nächsthöhere Messbereichsklasse wechseln und damit gegebenenfalls einen Genauigkeitsverlust in Kauf nehmen zu müssen. Während Verfahren mit Dehnungsmessstreifen kein Überschreiten des Messbereich-Endwertes erlauben und durch teure, sensitive Überlastkupplungen geschützt werden müssen, lässt sich die kombinierte Lagereinheit mindestens bis zum doppelten Nennlastbereich betreiben, ohne mechanisch Schaden zu nehmen. Somit halten die Messwellen auch Belastungen stand, die beispielsweise bei defekten Getrieben auftreten können. Preiswerte Überlastkupplungen reichen als Schutzkomponente aus. Gleichzeitig wird über die letzten 5 % der analogen Ausgangsspannung (± 9,5 bis 10 V) eine Meldung über die Überschreitung des Messbereichs übermittelt.

Anwendung im Detail

Produktionsausfälle verhindern

Ein weiteres Einsatzgebiet der Drehmomentsensoren ist der Maschinen- und Anlagenbau. Richtmaschinen beispielsweise kommen zum Einsatz, um Bleche zu glätten. Diese werden durch zwei übereinanderliegende Rollen hindurchgeführt, die durch Gelenkwellen angetrieben werden. Dabei besteht die Gefahr, dass sich die Bleche verkanten. Dadurch entstehen enorme Kräfte, die zu Schäden an den Gelenkwellen und letztlich zu einem Stillstand der Produktion führen können. Um dies zu verhindern, werden auf allen Gelenkwellen oder entsprechenden Kupplungsstücken Drehmomentsensoren angebracht und direkt mit der Steuerung verbunden. Erkennt der Sensor, dass die Belastung zu hoch wird, wird der Antrieb gedrosselt, bevor Schäden entstehen.

Zusätzlich liefert die magnetisierte Welle innerhalb der Lagereinheit eine höhere Drehsteifigkeit als klassische Drehmomentaufnehmer. Dies reduziert unerwünschte Torsionsschwingungen, die gewöhnlich weiche Materialien in den Triebstrang eintragen.

2009 wies ein Robustheits-Test des Luftfahrtspezialisten Liebherr Aerospace nach, dass das Magnetfeld der NCTE-Sensoren luftfahrttauglich und langzeitstabil ist. Liebherr simulierte im Labor die Belastungen und Einflüsse, die im Flugbetrieb auftreten. Auch nach über zwei Millionen Lastwechseln, 68 extremen Temperaturzyklen, 120 h Vibration sowie einer achtwöchigen einseitigen Belastung blieben die Messergebnisse konstant, das Ausgangssignal zeigte keinerlei Änderung. Somit ist auf den Sensor dauerhaft Verlass, auch bei großer und kontinuierlicher Beanspruchung.

Der Sensor ist direkt in die Bogenzahn-Gelenkwellen integriert. Erkennt er Überbelastungen, regelt die Steuerung den Antrieb, bevor die Gelenkwellen Schaden nehmen.

Der Sensor ist direkt in die Bogenzahn-Gelenkwellen integriert. Erkennt er Überbelastungen, regelt die Steuerung den Antrieb, bevor die Gelenkwellen Schaden nehmen.NCTE

Martin Morawietz, Produktmanager bei Thyssen Krupp System Engineering, freut sich über die Akzeptanz seiner Kunden für das neue Prüfsystem: „Mittlerweile konnten wir für einen Großteil unserer aktuellen Aufträge, sowohl in Europa als auch in Asien, die integrierten Lagereinheiten in unserem standardisierten Strangdesgin durchsetzen. Wir gehen davon aus, dass wir auch in Zukunft eine steigende Anzahl unserer Kunden dafür begeistern können und entsprechende Freigaben erhalten werden.“

Gerhard Fiedler

ist Vertriebsleiter der NCTE AG in Unterhaching bei München.

(mf)

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