Seit Areva NP vor etwa zehn Jahren verstärkt Eigenentwicklungen für elektronische Baugruppen der Diagnose und Überwachung forcierte, fertigt dieses Firmensegment elektronische Baugruppen nicht mehr selbst. So entstand die Notwendigkeit, sich nach Elektronikfertigungs-Dienstleistern (EMS) umzusehen. Die Anforderungen an den künftigen Fertigungspartner waren immens, hält man doch bei Areva die eigenen Qualitätsansprüche recht hoch.

Die Aktivitäten im Bereich Kernenergie sind in der Regionalgesellschaft, der Areva NP GmbH gebündelt. Allein am Standort in Erlangen arbeiten rund 3600 Mitarbeiter. Im Segment Monitoring und Diagnose entwickelt das Unternehmen unter anderem Hard- und Software zur Diagnose und Überwachung von Kernkraftwerken bzw. zur Leckage-Überwachung von Anlagen im industriellen Bereich.

„Die Entwicklung findet ausschließlich in Deutschland statt, da wir höchste entwicklungstechnische Sicherheit bieten und die Entwicklungsleistung in der Hand haben wollen“, so Robert Hornbach von Areva NP, der sich den passenden EMS hinsichtlich Unternehmensgröße, technischer Kompetenz, räumlicher Nähe zu den eigenen Standorten und bezüglich der Preisgestaltung wünschte.

Die Wahl fiel auf den mittelständischen EMS Productware: Das skalierbare Leistungsspektrum des nach DIN ISO 9001 und 14001 zertifizierten Dienstleisters umfasst nicht nur die Fertigung, Bestückung und Montage inklusive Test und Prüfung. Das Portfolio reicht von der Entwicklung (Hardware-Entwicklung und Layout-Erstellung) sowie der Entwicklungs- und Design-Unterstützung einschließlich Materialmanagement über das Änderungsmanagement und die Logistik bis hin zu After-Sales-Services.

Zuerst kamen EMS in die engere Auswahl, deren Leistungsprofil weitestgehend dem Anforderungsprofil der Areva NP entsprach. Bewertet wurden Bauteilebeschaffung, Bauteilelager, Bauteilelogistik, Fertigungsvorbereitung und Fertigung. Weitere Kriterien waren der Maschinenpark und die Organisation der Fertigungsabläufe. Ferner musste geklärt werden, ob genügend Kapazität vorhanden ist, um im Bedarfsfall auch ad-hoc eine Fertigung aufzunehmen, ob Reparatur und Nacharbeitungs-Möglichkeiten vorhanden sind und ob die Lieferlogistik zu Areva NP sicher gestellt ist. Eine Bevorratung von Materialien sollte gewährleistet sein, die mit den Anforderungen konform geht, die die Bauteile mit sich bringen. Die Preisgestaltung war ein weiterer wichtiger Aspekt.

Dazu wurde eine Entscheidungsmatrix erstellt. Anhand von Gewichtungsfaktoren wurden die Elektronikfertigungs-Dienstleister in dieser Matrix bewertet.  Nur wenige Unternehmen verblieben, die mit der Fertigung eines Prototyps beauftragt wurden. Sie erhielten die einzuhaltenden Vorgaben für Leiterplattenbeschaffung oder -bestückung, in diesem Fall die IPC mit weiteren Areva-spezifischen Vorgaben.

Marco Balling, Geschäftsführer von Productware, beschreibt wie sich das Unternehmen vom Wettbewerb abhob: „Beim Projekt handelte es sich um drei verschiedene Baugruppen, die final in einer Sandwich-Montage miteinander zu assemblieren waren. Bei zwei Baugruppen wurden fertigungstechnische Optimierungspotenziale bei der Fertigung erkannt, die wir Areva NP in Form eines technischen Berichts mitteilten.“ Grundsätzlich würden Kunden bei jedem Neuanlauf einen Erstbemusterungsreport erhalten, damit er ein Feedback zum Produkt aus Fertigungssicht bekommt. „Dies sehen wir als Maßnahme sowohl zur Qualitätssicherung als auch zur Kostenoptimierung an.“ Areva NP prüfte und bewertete die Unternehmen hinsichtlich Flexibilität, Qualität, Reaktionszeit, Bauteilelogistik etc. Horbach erläutert: „Wir führten eine Eingangskontrolle bezüglich der von uns gewünschten Eigenschaften durch. Bei Productware war die Fertigungsqualität am besten.“

Ein weiteres Thema war die Know-how-Sicherung. „Mit einem auf die elektronische Baugruppenfertigung spezialisierten EMS kann fertigungstechnisches Know-how nicht in die Eigenfertigung einfließen.“, betont Hornbach. „So können wir sicher sein, nicht irgendwann unseren Lieferanten als Konkurrenz sehen zu müssen.“

Den Ausschlag für Productware gaben neben hoher Fertigungsqualität und Feedback mit Optimierungsvorschlägen, die Schnelligkeit und die Preisgestaltung: Ein weiterer Pluspunkt war der sehr gute Beschaffungsprozess. Bauteile werden professionell geordert, Abkündigungen überwacht und gegebenenfalls entscheidungsunterstützende/-relevante Informationen bereitgestellt, einschließlich alternativer Komponenten, deren Lagerbestand und einer Übersicht, in welchen Baugruppen diese Bauteile zum Einsatz kommen.

Interne Lagerung der Bauteile

Ein wichtiger Aspekt war auch die inerte Lagerung der Bauteile, die Productware mit seiner Eigenentwicklung „Cover2Dry“ bietet. Dabei handelt es sich um ein nützliches Zusatztool. „Durch dieses Trockenlagerungssystem werden unsere Bauteile in einer definierten Atmosphäre optimal gelagert und Vorschädigungen durch unsachgemäße Lagerung und damit spätere Qualitätsprobleme vermieden“, begründet Horbach die Entscheidung.

In kürzester Zeit hat sich eine gute und enge Zusammenarbeit eingespielt. Insbesondere wenn es „schnell gehen muss“ läuft die Kommunikation zwischen den beiden Unternehmen sehr gut. Als Beispiel hierfür nennt Robert Horbach einen konkreten Fall aus dem Jahr 2011: Dabei ging es um einen Auftrag für eine potenziell neue Baugruppe, die in sehr kurzer Zeit zu realisieren war. „Wir konnten diese Herausforderung nur angehen, weil die Zusammenarbeit mit Productware gut funktioniert. Die Erfahrung, dass Productware flexibel, schnell und zielführend auf unvorhergesehene Ereignisse reagiert, hatten wir bereits aus den Vorprojekten gewonnen“, versichert er.

Dabei ging es nicht nur darum, die entsprechenden Fertigungskapazitäten freizuhalten, unabhängig davon, wann das Material und die Leiterplatten zur Verfügung stünden. „Dies ist eine Zusicherung, die ein EMS-Betrieb normalerweise nicht ohne Weiteres gibt und die von unserer Seite aber auch die eine Ausnahme für Notfälle bleiben muss“, konkretisiert Horbach.

Enge Vertraute

Den Ausschlag für die Entscheidung zu Gunsten von Productware gaben die hohe Fertigungsqualität, die Materiallogistik und die Lagerung unter Cover2Dry. Auch die niedrigere Rückläuferquote bei geringen Stückzahlen, die Flexibilität bei der Abwicklung von Eilaufträgen sowie das Feedback durch Prozess- und Produktverbesserungen haben überzeugt.

Das Cover2Dry-Konzept

Seit der Einführung der RoHS-konformen Verarbeitung in der Elektronikproduktion und den damit verbundenen hohen Temperaturen bei den Lötprozessen ist es besonders wichtig, empfindliche elektronische Komponenten und gedruckte Schaltungen sachgerecht und trocken zu lagern bzw. aktiv zu trocknen. Cover2Dry ist ein stickstoffbasiertes Trockenlagerungs- bzw. Aktivtrocknungskonzept für elektronische Bauteile, gedruckte Leiterkarten und Halbzeuge mit garantiert niedrigem Restsauerstoffanteil bzw. niedrigen Trocknungstemperaturen. Es ermöglicht unter anderem sowohl die zentrale und dezentrale Lagerung mit einem System als auch die auftragsbezogene Lagerung am Prozessort sowie den Transport der Bauteile in definierter Atmosphäre und unterstützt (optional) auftragsbezogene Traceability- und Datenlogging-Funktionen. Für die Verweildauer der Bauteile unter Stickstoff dient die Norm IPC/JEDEC JSTD 033A als Grundlage.

(mrc)

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