Bild 3: Dr. Matthias Ullrich von Volkswagen stellte den Modularen Elektrifizierungsbaukasten vor, der die Grundlage zukünfiger E-Autos des OEMs sein wird.

Bild 3: Dr. Matthias Ullrich von Volkswagen stellte den Modularen Elektrifizierungsbaukasten vor, der die Grundlage zukünfiger E-Autos des OEMs sein wird. (Bild: Nicole Ahner)

Wie gewaltig die Aktivitäten zur Elektrifizierung des Antriebsstrangs auch die Batterieentwicklung vorantreiben war deutlich spürbar. 2019 lag auf der Advanced Battery Power vor allem bei den Keynotes der Fokus ganz eindeutig auf dem Automotive-Sektor. Ging es im vergangenen Jahr vor allem um die Sicherung von Rohstoffquellen und die Reduzierung des Kobaltgehalts, war 2019 das Engineering – von der Elektrodenherstellung, über das Thermomanagement bis hin zu ganz neuen Fahrzeugarchitekturen – in aller Munde. Veranstalter der Konferenz ist das Haus der Technik in Essen, die wissenschaftliche Leitung haben Prof. Dirk Uwe Sauer vom ISEA der RWTH Aachen und Prof. Martin Winter vom MEET Batterieforschungszentrum der WWU Münster.

Paul-Scherrer-Institut

Bild 1: Fakten und Wunschdenken bei der Energiedichte: Eine gute Grundlage für die praktisch realisierbare Energiedichte ist es, den theoretisch möglichen Maximalwert durch vier zu teilen. Oft liegt der wirklich erreichbare Wert sogar noch darunter. Paul Scherrer Institut

Dass der Automotive-Sektor die Batterietechnologie in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert hat, erklärte auch Prof. Sauer in seiner Eröffnungsrede. Automobilhersteller zeigen mittlerweile ein hohes Maß an Engagement, den Weg in Richtung Elektromobilität zu beschreiten. Wir sprechen dabei nicht mehr nur von einigen Tausend, sondern von Millionen von Elektro- und Hybridfahrzeugen, die in der Mitte des nächsten Jahrzehnts auf unseren Straßen unterwegs sein werden. Mehrere Hundert Gigawattstunden an Batteriekapazität kommen jedes Jahr dazu, aber es würden mittlerweile auch Preisreduzierungen bei Batteriepacks in einem Maß möglich sein, das vor ein paar Jahren noch undenkbar war – und das betrifft nicht nur den Kfz-Markt, sondern auch Nutzfahrzeuge wie Busse und Lieferwagen sowie zusätzlich den Sektor stationärer Energiespeicher.

Automobilhersteller beschäftigen sich zunehmend selbst mit der Erforschung und Herstellung von Batterien und dem entsprechenden Assembly der Batteriemodule, wie Ted Miller von Ford zeigte. Der OEM betreibt seit einigen Jahren ein Batterielabor an der University of Michigan, in dem Entwickler und Forscher aus Industrie und universitärem Bereich daran arbeiten, kostengünstigere und langlebigere Energiespeicher zu entwickeln. Das Labor testet hunderte von Zellchemien und Zelldesigns und arbeitet daran, die Technologien schließlich vom Prototyping hin zur Fertigungsreife zu bringen.

Wunschdenken und Fakten bei der Energiedichte

Bild 2: Batterien mit Nanopartikeln haben zwar Vorteile bei Technologien wie LTO oder LPF, führen aber oft zu unerwünschen und gasproduzierenden Seitenreaktionen.

Bild 2: Batterien mit Nanopartikeln haben zwar Vorteile bei Technologien wie LTO oder LPF, führen aber oft zu unerwünschten und gasproduzierenden Seitenreaktionen. Paul Scherrer Institut

Seit Anfang der 1980er Jahre gab es immer wieder neue Hypes um Batterietechnologien, die extreme Zuwächse in der Energiedichte versprachen, in die viel Geld investiert wurde und die dann trotzdem bei Weitem nicht die zunächst gemachten Versprechungen halten konnten. Professor Petr Novák vom Paul Scherrer Institut wollte mit seiner Keynote genau diese Hypes entkräften und zeigte, was bei Zellchemien Wunschdenken und was realistische Fakten sind. Preise für Batteriepacks von 150 US-Dollar pro Kilowattstunde und darunter seien bis 2025 wohl möglich, betrachten aber eben nur das Batteriepack selbst. Noch viel höhere Kosten fallen für die notwendige Infrastruktur an, beispielsweise für die Stromversorgung von Ladestationen, zum Großteil finanziert aus Steuergeldern. Um die wirklichen Kosten für Batteriepacks zu reduzieren sei es wichtig, die Prozesskosten bei der Herstellung und die Overhead-Kosten zu senken.

Wichtig sei es auch, sich nicht am theoretisch möglichen spezifischen Energiegehalt einer Zellchemie zu orientieren. Praktisch liegt der spezifische Energiegehalt nur bei einem Viertel des theoretischen Wertes und darunter (Bild 1). Ein Beispiel dafür ist die Reaktion von Lithium und Sauerstoff zu Li2O in Lithium-Luft-Zellen. Die Zellchemie bringt es auf etwa 1800 mAh/g bei 4 V Zellspannung, was einem theoretisch möglichen spezifischen Energiegehalt von 7200 Wh/kg entspricht. Praktisch müsste also eine Batterie mit etwa 2000 Wh/kg realisierbar sein. Warum also gibt es sie nicht auf dem Markt? Selbst die realistischeren 2000 Wh/kg sind praktisch nicht erreichbar, denn die Standardzelle mit 4 V ist bei der gezeigten Reaktion nur in Säure mit einem ph-Wert von Null möglich. Kommt ein wasserfreier Elektrolyt zum Einsatz, lassen sich nur Zellspannungen von 3 V erreichen. Zusätzlich findet nur eine unvollständige Reaktion von Lithium und Sauerstoff zu Li2O2 und nicht zu Li2O statt. Dies reduziert den spezifischen Energiegehalt um 50 Prozent, praktisch liegt also der Wert bei nur noch 1000 Wh/kg anstatt der theoretisch möglichen 7200 Wh/kg.

Ist Nano die Lösung?

Ein weiterer Trend ist der Übergang zu Nanopartikeln zur Erhöhung der Oberfläche in der Batterie. Diese Technologie kann für einige wenige Batterietypen durchaus nützlich sein, beispielsweise für Lithium-Eisenphosphat- oder Lithiumtitanat-Akkumulatoren, deren Kinetik eher langsam ist. Hier können Nanopartikel Abhilfe schaffen. Bei vielen anderen Zellchemien zeigen Nanopartikel jedoch Nachteile wie vermehrte Seitenreaktionen, die zur Generation von Gasen wie C2H4, Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlendioxid führen können (Bild 2). Dies stellt ein potenzielles Sicherheitsrisiko für die Zelle dar. Schwierig gestaltet sich auch das Engineering derartiger Batteriezellen, denn sie entfalten ihr hohes Potenzial zum Beispiel für schnelles Laden nur, wenn die Elektroden extrem dünn sind. Der Weg hin zur höheren Energiedichte kann zum Beispiel über die Erhöhung der spezifischen Ladung der Elektroden führen. Ein Beispiel hierfür ist das Zufügen von ladungsbegünstigenden Additiven wie SnO2 in die negative Graphitelektrode, was die spezifische Ladung von 372 mAh/g bei purem Graphit auf 1494 mAh/g erhöht.

Das Potenzial der Natrium-Batterie

Als vielversprechender Kandidat für die Ablösung der Lithium-Ionen-Technologie gilt die Natrium-Batterie. Ihre theoretisch mögliche spezifische Energie ist zwar niedriger als die der Lithium-Ionen-Batterie, aber sie kann beim Massentransfer und bei elektrochemischen Prozessen mit sehr viel höheren Geschwindigkeiten punkten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Natriumbatterie unterschiedlichen Lade- und Entladezyklen handhaben kann, wie sie zum Beispiel bei Batterien in Elektrofahrzeugen vorkommen. Je schneller die Entladung stattfindet, desto besser steht die Natriumbatterie da, was vor allem ihrer schnellen Kinetik geschuldet ist. Trotzdem kann die Natriumbatterie mit den derzeitig eingesetzten Materialkonfigurationen bei Anoden und Kathoden im praktischen Einsatz nicht mit der flexibleren Lithium-Ionen-Technologie mithalten. Auch die Herstellungskosten und der Umwelteinfluss für die Natriumtechnologie fallen höher aus. Um sie konkurrenzfähig zu machen, ist die Entwicklung neuer Anoden- und Kathodenmaterialien notwendig, die mehr spezifische Ladung und höhere Spannungen ermöglichen.

Die Batterie als Zentrum der Fahrzeugarchitektur

Bild 3: Dr. Matthias Ullrich von Volkswagen stellte den Modularen Elektrifizierungsbaukasten vor, der die Grundlage zukünfiger E-Autos des OEMs sein wird.

Bild 3: Dr. Matthias Ullrich von Volkswagen stellte den Modularen Elektrifizierungsbaukasten vor, der die Grundlage zukünfiger E-Autos des OEMs sein wird. Nicole Ahner

Modularen Elektrifizierungsbaukasten nennt Volkswagen die nächste Evolutionsstufe bei der Elektrifizierung. Dr. Matthias Ullrich erklärte, warum das bisherige Vorgehen bei der Entwicklung des Batteriepacks nicht mehr gangbar ist: Das Retrofitting, also das Einpassen der Batterie in eine bestehende Fahrzeugarchitektur ist ein ständiger Kampf um Platz (Bild 3). Viel sinnvoller ist es, das Auto um einen fertigen Batteriepack herum aufzubauen. Das Problem beim Retrofitting sind nicht die Zellen, die VW vor allem von Panasonic und Samsung bezieht, es ist das Assembly und vor allem die Verkabelung, die nicht nur sehr zeitaufwändig, sondern vor allem teuer ist. Damit lassen sich also die Kosten für ein batterielektrisches Fahrzeug nicht weiter senken. Beim MEB-Konzept entfernt der OEM den gesamten herkömmlichen Antriebsstrang, vergrößert den Radstand und setzt die Sitze weiter nach oben, um Platz für die Batterie zu schaffen.

Bild 4: MEB heißt das Konzept für die Fahrzeugelektrifizierung von VW. Das Batteriepack ist flexibel hinsichtlich der Zelltypen und nimmt sowohl Pouch- als auch prismatische Typen auf.

Bild 4: MEB heißt das Konzept für die Fahrzeugelektrifizierung von VW. Das Batteriepack ist flexibel hinsichtlich der Zelltypen und nimmt sowohl Pouch- als auch prismatische Typen auf. Nicole Ahner, VW

Derartige Architekturveränderungen dauern in etwa vier Jahre, sodass nach Beginn der Arbeiten in 2015 das Konzept nun mit dem ID vor der Serienreife steht. Mit MEB verfügen die E-Fahrzeuge nicht nur über mehr Platz für Passagiere, sondern es ist skalierbar bezüglich der Reichweite (von 300 km WLPT auf über 550 km WLPT) und lässt sich wesentlich schneller und unkomplizierter herstellen. Das rechteckige Batteriepack besteht aus den Zellcontrollern mit Sensorik für das Balancing, verteilt in einem zentralen Kanal in der Mitte sowie den Kontaktierungen, Stromsensoren, Sicherungen und der Ground-Fault-Detection am hinteren Ende. Zwischen den Zellen befinden sich Crossbars, die für die notwendige Sicherheit im Falle eines Aufpralls sorgen. Untergebracht ist die Batterie in einem Aluminiumgehäuse mit integriertem Kühl- und Heizsystem. Flexibel zeigt sich das Konzept auch hinsichtlich der Zelltypen: es lassen sich sowohl Pouch- als auch prismatische Zellen verbauen (Bild 4).

Hauseigene Zellherstellung nicht ausgeschlossen

Für den OEM ist es natürlich ausschlaggebend, dass die notwendigen Zellen auch in ausreichendem Maße verfügbar sind, zu groß ist die Angst vor Produktionsengpässen wenn die Zellproduzenten in Asien Lieferschwierigkeiten haben. Daher weitet VW seine Aktivitäten auch in Richtung Zellentwicklung aus und hat ein Center of Excellence für Batteriezellen ins Leben gerufen. Dieses soll zunächst das grundlegende Know-how und die entsprechende Infrastruktur aufbauen, wobei der Fokus eindeutig auf der Lithium-Ionen-Technologie liegt. Aber hier sollen auch neue Generationen an Batterien erforscht und entwickelt und die Grundlagen für eine mögliche Zellherstellung gelegt werden.

Es ist laut Ullrich nicht auszuschließen, dass VW tatsächlich in die Zellherstellung einsteigt, zu Beginn sollen die Aktivitäten aber darauf abzielen, Batteriekonzepte zu entwickeln, die dann an den Zellhersteller zur Großserienproduktion gehen. Trotzdem legt VW mit einem neuen Fokus viel Wert darauf, die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette zu behalten und legt nun auch Fokus auf den Minenbetrieb in Südamerika, in der DR Kongo, in China und Australien, um sich den Zugang zu Rohmaterialien wie Nickel, Cobalt und Lithium offen zu halten. Die Anstrengungen reichen dabei vom Abbau über das Refining, die Kathodenproduktion bis zur Zellproduktion und schließlich der Integration ins Fahrzeug.

Nichts geht ohne Thermomanagement

Bild 5: Ohne aktives Thermomanagement erreichen Batterien nicht ihre höchste Lebensdauer. Webasto setzt bei Entwicklung seiner Konzepte daher verstärkt auf thermische Simulationen.

Bild 5: Ohne aktives Thermomanagement erreichen Batterien nicht ihre höchste Lebensdauer. Webasto setzt bei der Entwicklung seiner Konzepte daher verstärkt auf thermische Simulationen. Webasto

Wie wichtig ein ausgewogenes, aktives Thermomanagement für die Fahrzeugbatterie ist, zeigte Dr. Hartung Wilstermann von Webasto in seiner Keynote. Das Unternehmen hat sich in den letzten Jahren die kundenspezifische Entwicklung von Batteriepacks auf die Fahnen geschrieben und legt neben dem Crash-Schutz mit robusten Aluminium-Extrusionsprofilen viel Wert auf das Balancing und das Wärmemangement in seiner Vehicle Interface Box (VIB). Damit lassen sich bis zu zehn Batteriepacks gemeinsam konfigurieren, wobei das System Hard- und Softwareinterfaces für AC- und DC-Laden mitbringt. Das Konzept verfügt über ein externes Kühlsystem, das für eine gleichmäßige Wärmeverteilung im Batteriepack sorgt und so die Lebensdauer des Energiespeichers deutlich erhöht.

Bild 6: Besonders in Nutzfahrzeugen ist die Heizung und Kühlung der Batterien alles andere als trivial, denn sie befinden sich sowohl am Boden als auch auf dem Dach. Mit dem frei platzierbaren Kühl- und Heizmodul von Webasto fällt die Integration weniger komplex aus.

Bild 6: Besonders in Nutzfahrzeugen ist die Heizung und Kühlung der Batterien alles andere als trivial, denn sie befinden sich sowohl am Boden als auch auf dem Dach. Mit dem frei platzierbaren Kühl- und Heizmodul von Webasto fällt die Integration weniger komplex aus. Webasto

Webasto setzt dabei auf thermische Simulationen, um die geeignete Konfiguration für den jeweiligen Anwendungsfall zu finden (Bild 5). So befinden sich zum Beispiel bei Nutzfahrzeugen wie Elektrobussen die Batterien nicht immer im Bodenbereich, sondern auch auf dem Dach und benötigen daher ein völlig anderes Konzept für Kühlung und Heizung. Das aktive Batteriemanagement-Modul von Webasto sorgt für eine Homogenisierung der Temperaturen im Batteriepack, lässt sich flexibel positionieren und reduziert dadurch die Komplexität bei der Integration (Bild 6). Das Modul ist für Systeme für bis zu 870 V geeignet und könnte in Zukunft auch CO2 als Kühlmedium nutzen.

Die Zukunft der Batterie in Europa

Was die Zukunft für die Batterietechnologie in Europa bringen soll, zeigte Prof. Kristina Edström von der Universität Uppsala anhand der Forschungsinitiative Battery 2030+. Die Initiative ist auf die langfristig angelegte Grundlagenforschung ausgelegt und sieht sich als Ergänzung zu den mittelfristigen Forschungsvorhaben innerhalb des Förderprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union und der auf industrielle Umsetzung ausgerichteten European Battery Alliance.

Bild 7: Battery 2030  ist eine Forschungsinitiative, die mit langfristig angelegten Projekten die europäische Technologie-Führerschaft unterstützen will.

Bild 7: Battery 2030+ ist eine Forschungsinitiative, die mit langfristig angelegten Projekten die europäische Technologie-Führerschaft unterstützen will. Nicole Ahner, Universität Uppsala

Battery 2030+ hat sich die Erfindung der Batterie der Zukunft auf die Fahnen geschrieben und will der Industrie über die gesamte Wertschöpfungskette bahnbrechende Technologien zur Verfügung stellen (Bild 7). Damit will die Initiative die europäische Technologie-Führerschaft in existierenden (Transportwesen, stationäre Speicher) und in aufkommenden Märkten (Robotik, Aerospace, Medizingeräte, IoT) sichern. Zu den langfristigen Zielen der Initiative gehören die Verbesserung der Energiedichten, Lebensdauern und Zuverlässigkeiten der Energiespeicher sowie eine umweltschonende Herstellung und Kosteneffizienz. Dabei unterstützt Battery 2030+ die Erforschung neuer Elektrodenmaterialien, das Interface-Engineering, die Realisierung von Selbstheilungsprozessen, die Entwicklung neuartiger Herstellungsverfahren und ein verbessertes Recycling.

2020 findet die Advanced Battery Power vom 23. bis 25. März in Münster statt.

Dr.-Ing. Nicole Ahner

Redakteurin emobility tec

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