In dem Projekt Smart Highway wird getestet, wie Fahrzeuge miteinander kommunizieren können.

In dem Projekt Smart Highway wird getestet, wie Fahrzeuge miteinander kommunizieren können. (Bild: Imec)

Unter dem Motto „Jedes Verkehrsopfer ist einer zu viel“ setzt Flandern alles daran, die Zahl der tödlichen Unfälle auf flämischen Straßen bis 2050 auf Null zu senken. Um dieses ehrgeizige „Vision Zero“-Ziel zu erreichen, wird von fahrerlosen Fahrzeugen viel erwartet. Aber die Region ist noch weit davon entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Obwohl eine Reihe beeindruckender Clips von fahrerlosen Autos auf YouTube populär sind, wird es noch viele Jahre der Forschung, Entwicklung und Erprobung benötigen, bevor fahrerlose Autos auf den viel befahrenen und unberechenbaren Straßen in Flandern zu sehen sind. Auf kürzere Sicht kann jedoch bereits viel erreicht werden, wenn intelligente Autobahnen –  insbesondere an stark frequentierten Verkehrsknotenpunkten – in Kombination mit vernetzten Fahrzeugen (das heißt Fahrzeuge, die sowohl untereinander als auch mit der Straßeninfrastruktur kommunizieren) geschaffen werden.

Überall auf der Welt versuchen Forschungsteams, die Grundlagen für die intelligenten Straßen der Zukunft zu legen. So hat zum Beispiel ein europäisches Konsortium von 26 Partnern aus fünf Ländern – darunter Belgien – in den vergangenen drei Jahren erforscht, mit welchen Technologien Fahrzeuge am effektivsten miteinander kommunizieren können.

Diese Kommunikationstechnologie ist entscheidend, um neue, intelligente Anwendungen zu ermöglichen, die die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss grundlegend verbessern. Dazu gehört der Lkw-Zug, bei dem die Lkw elektronisch miteinander verbunden sind, wobei der vordere Lkw die Geschwindigkeit und die Route des Konvois bestimmt, während die anderen Lkw automatisch und ohne Hilfe eines Fahrers folgen. Perfekt, um Auffahrunfälle im Stau zu vermeiden.

Pkws sollen gleiche Technologie wie Lkw-Konvois nutzen

Mit der gleichen Technologie sollte es auch für die angeschlossenen Fahrerassistenzsysteme in Autos möglich sein, Gefahrensituationen in ihrer Umgebung wesentlich schneller zu erkennen. Die Systeme der Autos werden dann in Echtzeit vor anderen Fahrzeugen in ihrer Nähe gewarnt.

Doch um den Begriff „smart” zu verdienen, braucht eine Autobahn viel mehr als nur Kommunikation. Neue Generationen von Sensoren und Kameras werden eine Voraussetzung sein – und sie müssen kleiner, empfindlicher und energieeffizienter sein. Diese Geräte werden dann rund um die Uhr Informationen sammeln, die von den Fahrerassistenzsystemen genutzt werden können, um intelligente Entscheidungen in Echtzeit zu treffen. Angeschlossene Ampeln sind ebenfalls notwendig, um Autobahnen intelligent zu machen.

Wenn man diese Art von Anwendungen in großem Maßstab einführen will, braucht man riesige Rechenleistungen. Und wo muss diese Datenverarbeitungsleistung sein: zentral in der Cloud, so nah wie möglich an den Sensoren oder verteilt? Auch zu Themen wie Interoperabilität zwischen Technologien und Skalierbarkeit ist noch viel mehr Forschung erforderlich.

Smart Highway: Testinfrastruktur wurde entlang der E313 geschaffen

Die Herausforderungen sind nicht nur technischer, sondern auch wirtschaftlicher Natur. Wer wird beispielsweise für die Anschaffung, Installation und Wartung der Infrastruktur bezahlen? Die lokalen Telekommunikationsbetreiber? Die Straßenbehörden? Oder muss ein ganz neues Gremium geschaffen werden, um diese zu bewältigen? Eine wirklich intelligente Autobahn oder ein wirklich intelligenter Freeway ist die Summe all dieser praktischen Fragen und technischen Anforderungen.

Was geschieht konkret in Flandern? Dort wurde beispielsweise Anfang 2018 das flämische Projekt „Smart Highway“ ins Leben gerufen, dessen erstes greifbares Ergebnis eine besondere Testinfrastruktur entlang der E313 in Antwerpen ist.

Kettenkollisionen und andere Arten von Unfällen ereignen sich oft, weil die Fahrer – und ihre Fahrerassistenzsysteme – nicht sehen können, was jenseits des vor ihnen fahrenden Fahrzeugs geschieht. Deshalb sollte das Smart-Highway-Projekt Autos in die Lage versetzen, direkt miteinander zu kommunizieren und dann zu messen, ob sie schneller auf Gefahrensituationen reagieren können als ihre menschlichen Fahrer und selbst die ausgeklügeltsten Fahrerassistenzsysteme.

Das Imec baute eine Kommunikations-Infrastruktur für das Projekt Smart Highway auf.

Das Imec baute eine Kommunikations-Infrastruktur für das Projekt Smart Highway auf. Imec

Eck-Daten

Imec-Forscher haben im Rahmen des europäischen Projekts Concorda und der flämischen Initiative Smart Highway eine Testinfrastruktur für die Fahrzeugkommunikation aufgebaut. So wurde beispielsweise eine Kommunikationsplattform entwickelt, die 4G (LTE), Direct C-V2X und ITS-G5 unterstützt. Die Plattform wechselt flexibel zwischen diesen Technologien. Dies hat es den Imec-Forschern ermöglicht, alle Optionen für die drahtlose Kommunikation objektiv und eingehend zu bewerten. Zukünftig wird das Modul um die 5G-Technologie erweitert. Gleichzeitig haben die Imec-Forschenden eine software-definierte Funkplattform (SDR) aufgebaut, die es ihnen erlaubt, rasch einen Prototyp auf der Basis neuer Standards zu erstellen – auch wenn die benötigte Software noch nicht verfügbar ist.

An den Tests waren drei Autos beteiligt, die in einer Reihe fuhren. Zwei von ihnen hatten Kommunikationsmodule, während dazwischen nur ein ganz normales Auto stand. Wenn Wagen Nummer eins eine Notbremsung durchführte, wurde diese Information sofort an Wagen Nummer drei weitergegeben. Dies bedeutete, dass es die Situation viel schneller vorhersehen konnte, als wenn es sich nur auf seine eigenen Sensoren verließ.

Für diese Art von Lösungen gibt es heute verschiedene konkurrierende Technologien, die in Betracht gezogen werden müssen. Deshalb wurden die Tests mit drei drahtlosen Kommunikationstechnologien durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine WiFi-Variante (ITS-G5) und zwei 4G-Varianten: LTE und Direct C-V2X.

Es wurde deutlich, dass sowohl 4G als auch ITS-G5 eine akzeptable Signalverzögerung aufweisen: etwa 15 ms bei ITS-G5 und 40 bis 50 ms bei 4G. Das ist eine bessere Reaktionszeit, als menschliche Fahrer haben. Die Forscher stellten auch fest, dass die Signalverzögerung der LTE-Verbindung dazu neigt, von Zeit zu Zeit unvorhersehbare Spitzenwerte zu erreichen. Das macht diese Technologie weniger zuverlässig für wirklich zeitkritische Anwendungen, wie zum Beispiel die schnelle Reaktion auf unerwartete Verkehrssituationen. Das Aufkommen von 5G als Nachfolger von 4G sollte das Problem lösen, obwohl dies noch weiterer Tests bedarf.

Die Kommunikationsmodule versorgten hintereinander fahrende Autos mit Informationen, so dass diese sicherer navigieren konnten.

Die Kommunikationsmodule versorgten hintereinander fahrende Autos mit Informationen, so dass diese sicherer navigieren konnten. Imec

In jüngerer Zeit wurden auch die Leistungen von Direct C-V2X und ITS-G5 verglichen und auch hier sind weitere Nachforschungen erforderlich.

Klar ist jedoch, dass Smart Highway ein Schritt in die richtige Richtung ist, um den Verkehr flüssiger und sicherer zu machen. Und es muss sicherlich nicht auf die Einführung von fahrerlosen Autos gewartet werden, um die Dinge voranzubringen. Auch auf diesem Gebiet ist Flandern gut unterwegs: Da es über die Testinfrastruktur verfügt, ist eng in die neuesten Entwicklungen eingebunden und bereitet sich intensiv auf die nächsten Schritte vor.

Das Smart-Highway-Projekt ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie Flandern den Mobilitätsbedarf von morgen antizipiert. Ende 2018 startete beispielsweise Mobilidata, ein Fünfjahresprogramm der flämischen Regierung mit dem Imec als Projektkoordinator. Mobilidata soll die Mobilitätsinformationen von Verkehrsteilnehmern, Infrastruktur, Fahrzeugen, Anwendungen und Regierungssystemen an eine einzige Sammelstelle leiten und sie dann in Echtzeit zur Verfügung stellen. Dabei sind all diese Informationen anonymisiert. Flandern beabsichtigt, die gesammelten Daten zu nutzen, um die Mobilität zu verbessern, die Lebensqualität zu erhöhen und gleichzeitig die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Schäden an Umwelt und Natur zu verringern.

Wie kommunizieren die Verkehrsteilnehmer mit den angeschlossenen Systemen? Smartphones, Bordcomputer in Autos und Lastwagen oder spezielle Geräte, zum Beispiel auf Fahrrädern, übertragen ein Signal, das mit den angeschlossenen Systemen kommuniziert. So können Ampeln besser auf die tatsächlichen Verkehrsbedingungen reagieren. Längerfristig wird der Ausbau dieser intelligenten Dateninfrastruktur als Grundlage für die Infrastruktur dienen, die fahrerlose Fahrzeuge in Flandern möglich machen wird.

Bart Lannoo

(Bild: Imec)
Forscher am IDLab Antwerpen, der Forschungsgruppe des Imec in Antwerpen

(gk)

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