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Bild 2: Werkzeug mit angeschlossenem IMKS-Metallspritzaggregat. Kabel oder separate Leiterplatten sind nicht erforderlich. (Bild: Elsold)

Die Entwicklung moderner Produktionsprozesse, auch unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst, beschränkt sich nicht allein auf die häufig im Fokus stehenden cyber-physikalischen Systeme, sprich das Internet der Dinge. Auch klassische Ingenieursdisziplinen des Maschinenbaus, der Werkstoffkunde und der Prozesstechnik können einen wichtigen Beitrag für eine moderne Produktion liefern, die auch in Hochlohnländern wie Deutschland künftig attraktiv sein werden. Eine Voraussetzung für innovative Lösungen ist dabei eine integrative Produktionstechnik, die sowohl Prozessketten verkürzt als auch technologisch neue Gestaltungsmöglichkeiten für Produkte zulässt.

Alles im Lot

Mit integriertem Metall/Kunststoff-Spritzgießen (IMKS) lassen sich metallische Strukturen wie Leiterbahnen in Kunststoffbauteile einbringen und so elektrische Funktionen direkt ins Produkt integrieren. Dabei ersetzen die als Metallkomponente dienenden Weichlote quasi den Leiterwerkstoff. Elsold stellt dafür das mikrolegierte Lot Injectin her.

Eine solche Lösung für integrative Produktionstechnik ist das in den letzten Jahren maßgeblich vom Unternehmen Krallmann entwickelte und an der RWTH Aachen University im Rahmen eines Exzellenzclusters erforschte IMKS-Verfahren, das integrierte Metall/Kunststoff-Spritzgießen.

Leiterbahnen direkt im Kunststoff

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Bild 1: Anwendungsbeispiel für die direkte Integration von Leiterbahnen und elektrischen Bauelementen in Kunststoffbauteile. Elsold

Mit diesem Verfahren lassen sich in Kunststoffbauteile metallische Strukturen wie Leiterbahnen integrieren (Bild 1), direkt innerhalb des Urformprozesses in einer einzigen Maschine. Dabei handelt es sich um eine konventionelle Kunststoffspritzgussmaschine, erweitert um ein zusätzliches Einspritzaggregat und eine dynamische Temperierung (Bild 2). Kabel oder separate Leiterplatten aus Stanzgittern inklusive deren Produktions-, Montage- und Verbindungsprozesse können entfallen, da die elektrischen Funktionen direkt ins Bauteil integriert sind. Dazu wird die Metallkomponente auf die Kunststoffkomponente gespritzt. So ist auch eine zuverlässige, direkte Kontaktierung elektronischer Bauteile wie LEDs oder Widerstände möglich. Krallmann unterstützt Kunden beim Umsetzen ihrer Projekte auf Wunsch ganzheitlich und übernimmt bei Bedarf auch die Produktion. Artikeldesign, Prozessentwicklung, Werkzeugbau sowie der schlussendliche Aufbau der gesamten Fertigungseinheit kommen aus einer Hand.

Als metallischer Werkstoff für diese Anwendungen haben sich grundsätzlich Weichlote wie Sn99.3Cu0.7 oder Sn96.5Ag3.0Cu0.5 als geeignet erwiesen. Aus dem Lotwerkstoff der Verbindungstechnik wird quasi der Leiterwerkstoff, der beispielsweise das Kupfer ersetzt. Eine zum Prozess passende Schmelztemperatur, eine deutlich bessere Leitfähigkeit als bei Alternativen wie leitfähigem Kunststoff und die langjährige Erfahrung mit Lotwerkstoffen lassen diese Lösung nahezu ideal erscheinen. Insbesondere komplexere Strukturen erfordern jedoch eine weitere Optimierung der Lote, um ideale Ergebnisse hinsichtlich Prozess und Produkt zu liefern.

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Bild 2: Werkzeug mit angeschlossenem IMKS-Metallspritzaggregat. Kabel oder separate Leiterplatten sind nicht erforderlich. Elsold

Oxidation und Krätzebildung

Die Anforderungen an den Werkstoff lassen sich dabei in zwei Gruppen unterteilen: einerseits die auch von Lötprozessen wie dem Wellenlöten bekannten Anforderungen und andererseits spezielle Herausforderungen des Spritzgießens.

Zur ersten Gruppe gehört die Oxidation des Lotes, die wie bei jedem Lotbad auch hier, trotz gegebenenfalls vorhandener Schutzgasatmosphäre, zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Krätzebildung und damit Materialverlust und womöglich Prozessschwierigkeiten führt. Zweites Problem ist die Schädigung von Tiegel und Maschinenkomponenten durch das flüssige Lot bzw. eine Auflösung in diesem, eventuell durch dynamische Strömungen verstärkt. Für beide Probleme bietet sich der Einsatz mikrolegierter Lote an. Die Auflösungsreaktionen sinken deutlich durch die Mikrolegierung mit Nickel, was die Normung der Lotwerkstoffe mit dem Sn99.3Cu0.7Ni (Legierung 403 der ISO 9453) inzwischen berücksichtigt.

Bild 3: Vergleich der Krätzebildung von Sn99.3Cu0.7, mit und ohne Mikrolegierung von Ni und Ge sowie mit Elsolds Injectin-Legierungen. Elsold

Bild 3: Vergleich der Krätzebildung von Sn99.3Cu0.7, mit und ohne Mikrolegierung von Ni und Ge sowie mit Elsolds Injectin-Legierungen. Elsold

Die Krätzebildung verhindern die Elemente Germanium und Phosphor, die eine nanometerdünne Schutzschicht auf der Oberfläche des Lotes bilden und so den Kontakt mit Sauerstoff verhindern. Eine weitere Verbesserung erreicht Elsold durch einen speziellen Herstellprozess, der in Kombination mit den genannten Mikrolegierungselementen die Oxidation um ein bis zwei Größenordnungen gegenüber üblichen Normloten verringert (Bild 3).

Noch größere Bedeutung als beim Lötprozess besitzt beim Spritzguss das Fließverhalten des Lotes. Wie aus der Grundlagenforschung bekannt, lässt sich dieses ebenfalls durch die Mikrolegierungselemente Nickel und Germanium verbessern, also die Elemente, die sich bei der Materialbetrachtung ohnehin bereits als geeignet erwiesen haben. Das Fließverhalten ist durch die sogenannte Fließlänge charakterisiert, also wie weit eine Metallschmelze bis zur Erstarrung etwa in einer Glasröhre fließt.

Bild 4: Deutlich verbessertes Fließverhalten von Injectin-Legierungen für IMKS-Prozesse durch Mikrolegierung und spezielle Herstellverfahren. Elsold

Bild 4: Deutlich verbessertes Fließverhalten von Injectin-Legierungen für IMKS-Prozesse durch Mikrolegierung und spezielle Herstellverfahren. Elsold

Deutlich besseres Fließverhalten

Eigene Untersuchungen haben die Fließlänge in vertikalem Versuchsaufbau (zulässig bei Loten gleicher Dichte) und bei einer Temperatur von 290 °C, einem Glasröhrendurchmesser von 3,8 mm und einem Unterdruck von -0,1 bar geprüft. Bild 4 zeigt eine wesentliche Verbesserung des Fließverhaltens durch Zugabe der Mikrolegierungselemente gegenüber üblichem Sn99.3Cu0.7-Lot. Weitere Verbesserungen ergeben sich durch einen dem IMKS-Prozesses angepassten Nickel- und Germaniumgehalt und auch hier kommen die Vorteile des Elsold-Herstellprozesses zur Geltung.

In Summe stellt Elsold mit Injectin ein Material bereit, das alle Anforderungen des IMKS-Prozesses erfüllt, von geringer Krätzebildung über minimale Aggressivität bis hin zum sehr guten Fließverhalten, das auch die Ausbildung komplexer Strukturen ermöglicht. Neben der kostengünstigen Variante basierend auf Sn99.3Cu0.7 können für Anwendungen mit höherer, insbesondere dynamischer Belastung des Bauteils auch die auf SAC305-basierenden, silberhaltigen Injectin-Varianten zum Einsatz kommen.

Productronica 2017: Halle A4, Stand 341

Dr.-Ing. Nils Kopp

ist bei Elsold für Forschung und Entwicklung zuständig.

(mou)

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38871 Ilsenburg
Germany