Jede Medaille hat zwei Seiten – diese Erfahrung hat auch Olaf Römer gemacht. Als einer der vielen, die sich krisenbedingt neuorientieren mussten, fasste er einen schnellen Entschluss. Die weltweite Branche der Elektronikfertigung wurde in den Jahren 2002 bis 2004 durch das Platzen der völlig überhitzten Dot-Com-Blase in eine schwere Krise gestürzt, wovon letztlich auch die ATE-Branche (Automated Test Equipment) betroffen war. Um den schnellen Sturz aufzuhalten, trennte sich so manches bekannte ATE-Unternehmen nicht nur von einzelnen Mitarbeitern, sondern sogar ganze Teile der Support- und Service-Netzwerke fielen dem Rotstift der Controller anheim.

Heute blickt der Gründer und Geschäftsführer von ATEcare auf eine zehnjährige Erfolgsgeschichte: „Unser Ansatz war es, einen umfassenden Service für bereits bestehende Produkte am Markt zu etablieren“, erklärt er das bis heute gültige Leitmotto. „Daher auch die Namenswahl des Unternehmens.“ Bekannt waren von Anbeginn die Mannschaft, die möglichen Kunden, deren Produktspektrum und der Bedarf. „Jeder in der Mannschaft brachte das notwendige Handwerkszeug mit und etwas Mut gehört beim Neustart allemal dazu“, berichtet er.

Service als Sprungbrett für gutes Portfolio

Service bildet in einem Unternehmen in aller Regel immer eine selbsttragende Einheit, die oft sogar gewinnbringend ist, ist Römer überzeugt. Während der damaligen Krise bestand allerdings die Gefahr, dass eben gerade die guten Mitarbeiter mit jahrelangen Erfahrungen aus Mangel an Alternativen die Branche wechseln würden. „Eingedenk dessen, dass ein gut ausgebildeter ICT-Ingenieur etwa zwei bis drei Jahre benötigt, um sich ein fundiertes Know-how zur Anwendung und Betreuung dieser Testtechnologie zu erarbeiten, hätte die Krise beinahe eine ziemlich große Lücke in der hiesigen ATE-Branche hinterlassen.“ Das Team, das Römer in den Anfängen um sich sammelte, hatte dieses fundierte Wissen und mehr noch: Sie waren bereits in der Branche bekannt, weshalb es nicht schwer war, sich im Markt zu etablieren: „Die nötige Anerkennung bei den bereits bekannten Kunden hatten wir ja.“ Etwas schwieriger war es, einige ATE-Hersteller als Partner zu gewinnen: „Keiner der Hersteller, die mit Distributoren zusammenarbeiten, ist wirklich vollkommen zufrieden“, lautet sein Argument. „Somit haben auch wir etwas gebraucht, bis unser Portfolio auch mit richtigen ‚Weltmeistern‘ bestückt war. Das hat sicher auch Geld, Zeit und Nerven gekostet. Aber mittlerweile sind wir mit internationalen Marktführern oder auch lokal sehr anerkannten Unternehmen im Boot und kommen recht gut voran.“

Seine Kunden unterstützt der Mittelständler mit Beratung, Vorträgen und Vorführungen zu entsprechenden Testtechnologien und deren kombinierte Anwendungsmöglichkeiten. Das im Jahr 2012 eingerichtete Democenter in Günding bei Dachau bietet die Möglichkeit, Problemstellungen direkt an den Maschinen zu erörtern und Lösungen zu erarbeiten. „Mit unserem Demo-Equipment können wir auch Testdienstleistungen und vor allem Beratung anbieten.“ Eine Service-Außenstelle in Höxter bei Paderborn und eine eigenständige Niederlassung in der Schweiz runden das Standortspektrum ab.

Mittlerweile bedient ATEcare über 400 Kunden in ganz Europa mit Schwerpunkt im deutschsprachigen Bereich. „Noch heute werden wir international nach Lösungen gefragt, da sich unsere umfangreichen Service-Dienstleistungen herumsprechen“, versichert Römer. Weit über 250 Installationen wurden getätigt und viele Service-Dienstleistungen im applikativen Bereich als Testhaus oder im HW-Sektor (Reparaturen, Kalibrierungen) erfolgreich ausgeführt. Dabei ist der Kundenkreis sehr vielfältig – vom Großkonzern wie Continental, Flextronics, Jabil oder Hella über eine Reihe von mittelständigen Firmen bis hin zu kleinsten KMUs. „Wir machen da keinen Unterschied.“ Sein Serviceteam ist daher von Spanien bis in die Ukraine unterwegs. Die Produktpalette seiner Kunden reicht von der Zahnbürste bis hin zur Ariane-Rakete.

Herausforderungen meistern

Neue Technologien einzuführen ist nicht einfach: „Der Testmarkt hat zwar ständig neue Anforderungen, aber der Erste will auch keiner sein“, erläutert er die Problematik. So ist insbesondere die Einführung von Röntgenlösungen im deutschsprachigen Markt noch recht schwer zu bewerkstelligen, merkt er weiter an: „Da sind uns die US-amerikanischen und asiatischen Märkte weit voraus.“ Auch ist der Kunde heute nicht mehr bereit, eine Lösung einfach per Katalog zu bestellen. Jede Projektinvestition muss vorgeführt oder gebenchmarkt werden, was einen enormen Aufwand – auch in finanzieller Hinsicht – für alle Beteiligten darstellen kann.

Um sich vom Wettbewerb abzuheben, hat ATEcare eine 24/7-Service- und Support-Infrastruktur etabliert. Zudem hat Römer im Laufe der Jahre darauf geachtet, im deutschsprachigen Markt eine komplette Bandbreite an Equipment anzubieten, die Testaufgaben entlang der SMT-Fertigung erfüllen. Auch bietet das Unternehmen Testsysteme herstellerübergreifend nach Kundenbedarf an. „Welcher Distributor ist auch gleichzeitig mit einem Testhaus am Markt verankert?“, fragt er da, um auch gleich die Antwort zu geben: „Die Mitbewerber mit gleichem oder sehr ähnlichem Profil können Sie nicht einmal an einer Hand abzählen. Wir haben die Profis dazu von verschiedenen Herstellern gewonnen, die das Know-how und die Erfahrung mitbringen, damit der Kunde auch nach der Installation ordentlich betreut wird.“

Für die Zukunft sieht sich das Unternehmen gut gerüstet: „Unser Ziel bleibt es, die Produktpalette weitestgehend unabhängig vom Hersteller entsprechend der Kundenbedürfnisse anzubieten, gepaart mit umfangreichen Service- und Support-Dienstleistungen.“ Neben dem Präsenz-Ausbau bei wichtigen Testtechnologien wie dem Inline-3D-Röntgen oder im 3D-AOI-Bereich, will Römer sich künftig mit weiteren Partnerschaften vermehrt dem Bereich des elektrischen Tests (MDA, ICT, FKT) widmen. Der Trend geht unweigerlich zum Test in der Produktion: Je eher, desto günstiger – damit rückt das Testequipment immer weiter in die SMT-Produktion. Sogar in die Entwicklungsphase eines Produkts ist die Notwendigkeit von stringenten Teststrategien in der Wahrnehmung gestiegen, weiß Römer zu berichten. Hier seien immer mehr 3D-Lösungen gefragt und eine gute Beratung zur Kombination der richtigen, kostenbewussten Tests. „Ebenso wird den Herstellern immer mehr bewusst, was mit den gewonnenen Daten zu bewerkstelligen ist“, markiert er einen weiteren Trend. Stichwörter sind dabei MES, QS, Traceability – auch bei Anbietern von Testequipment, da „das Ziel eine bessere Qualität sein sollte und nicht nur das schnöde Aussortieren von Gut- und Schlecht-Baugruppen.“

Komplettlösungen gefragt

Seit Anbeginn hat ATEcare das Ziel verfolgt, mit international erfolgreichen Herstellern ein Vertriebsnetz in ganz Europa aufzubauen. Ziel dabei war und ist es, nicht nur Einzelgeräte zu verkaufen und zu betreuen, sondern vielmehr ein komplettes Test- und Inspektionsset über die gesamte Produktion anbieten zu können – quasi Lösungen von der unbestückten Leiterplatte bis ins Gehäuse parat zu haben.

Productronica 2013: Halle A1, Stand 439

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin Productronic

(mrc)

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Unternehmen

ATEcare Service GmbH & Co. KG

Neufeldstraße 14
85232 Günding
Germany