Warum noch analoge Filter? Mit dieser Frage werden wir häufiger konfrontiert. Sicher, heute enthalten die meisten Messwerterfassungssysteme eine Signalfilterung. Diese erfolgt in der Regel allerdings auf digitalem Wege, also nach der Digitalisierung und mit einer fest vorgegebenen Charakteristik. Für viele Anwendungsfälle eine absolut ausreichende und dazu noch kostengünstige Lösung. Es liegt allerdings in der Verantwortung des Anwenders sicherzustellen, dass bei der Digitalisierung z.B. durch „versteckte“ hochfrequente Signalanteile keinerlei Aliasingeffekte auftreten können und damit die Messergebnisse verfälschen. Warum also wirklich noch eine Signalfilterung auf analogem Wege?

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Synotech/Kemo

Bei komplexen Signaluntersuchungen ist es wichtig, je nach Aufgabenstellung mit unterschiedlichen Filtercharakteristiken arbeiten zu können. Und dazu schnell die Filterfunktion von Tiefpass auf Bandpass oder Bandsperre umzuschalten. Ein weiterer Aspekt ist die Frage der Signalverstärkung vor der Filterung, aber auch die Anhebung des gewonnenen Nutzsignals entsprechend den Eingangsbereichen des Messwerterfassungssystems.

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Synotech/Kemo

Beurteilung der Filter-Charakteristik

Die Auswahl eines Filters für eine gegebene Aufgabenstellung ist keine einfache Aufgabe. Jedes Signalfilter verändert das Signal mehr oder weniger stark. Daneben hängt diese Veränderung – unabhängig von der gewählten Filtercharakteristik – auch noch von der Information ab, die im Signal selbst enthalten ist. Folgende vier wesentliche Eigenschaften charakterisieren ein Filter:

Der Amplitudengang – also der Verlauf der Verstärkung über der Frequenz – ist die wesentlichste Aussage zum Filterverhalten, weil mit dieser Darstellung gezeigt wird, wie ein Filter seinen Zweck erfüllt, Frequenzen in unterschiedlicher Art zu behandeln, das heißt unerwünschte Frequenzen aus dem Gesamtsignal herauszufiltern (Bild 1). Der Amplitudengang im Durchlassbereich zeigt, wie sich die Verstärkung von Gleichspannung bis zur Grenzfrequenz verändert bzw. wie der Dämpfungsverlauf jenseits der Grenzfrequenz ist. Einige Charakteristiken haben einen flachen nahezu idealen Verlauf mit minimalen Abweichungen (Ripple), andere dagegen zeigen schon einen langsamen Anstieg der Dämpfung im Durchlassbereich. Filter mit einem flachen Amplitudenverlauf verursachen nur geringe Fehler bei Auswertungen im Frequenzbereich (Spektralanalyse), während man bei Filtern mit einem langsamen, monotonen Anstieg der Dämpfung im Durchlassbereich ein ausgezeichnetes Phasen- und Einschwingverhalten feststellen kann. Der Amplitudengang eines Filters im Durchlass- und Sperrbereich, ermöglicht den Vergleich der Charakteristiken vor allem bezüglich ihres Dämpfungsverhaltens bis zur 10-fachen Grenzfrequenz.

Die Antwort eines Filters auf eine schlagartige Änderung des Eingangssignals (Rechteckimpuls), also die Sprungantwort ist oft sehr wichtig. Filter mit einem flachen AmplitudenverIauf im Durchlassbereich zeigen im Zeitbereich ein signifikantes Überschwingen mit nachfolgender Oszillation, selbst wenn es sich um Filter mit linearem Phasengang handelt (Bild 2). Bessel-Filter liefern die nahezu ideale Sprungantwort, haben dafür aber gewisse Nachteile beim Amplitudengang, weil die Dämpfung dort schon frühzeitig im Durchlassbereich einsetzt, im Sperrbereich aber geringer ist als bei anderen Filtern. Die Sprungantwort ist beispielsweise  in solchen Fällen wichtig, wo das Ausgangssignal des Filters als Rückkopplungssignal (beispielsweise bei einer Regelung) genutzt wird.

Ein Signal, das am Eingang eines Filters angelegt wird, benötigt eine gewisse Zeit bis es am Ausgang wieder sichtbar wird. Diese Laufzeit ist im Idealfall von der Frequenz unabhängig und bei allen Frequenzen eines Filters gleich. Den Zusammenhang beschreibt die Formel:

Phase in ° = T x f x 360°, wobei T die Laufzeit der Frequenz  f ist. Beträgt die betrachtete Frequenz  z.B. 1 Hz und die Laufzeit für alle Frequenzen 1s, wäre die Phasenverschiebung zwischen Ein- und Ausgang 1s x 1/s x 360° = 360°. Bei 2 Hz würde sich ein Wert von 1s x 2/s x 360° = 720° ergeben. Hier wird deutlich, dass der Phasengang nur etwas über die Laufzeit der einzelnen Frequenzen durch ein Filter aussagt. Diese Laufzeit wird auf die Periode (360°) der jeweiligen Frequenz bezogen. Die Laufzeit eines 2-Hz Signals ist im gewählten Beispiel 1 Sekunde. Sie entspricht zwei Perioden des 2-Hz-Signals, und damit ergibt sich bei dieser Frequenz eine Phasenverschiebung von 720° zwischen Ein- und Ausgang (Bild 3). Ist die Laufzeit für alle Frequenzen gleich und findet sonst keine Signalverfälschung durch das Filter statt, sieht man am Ausgang das gleiche Signal wie am Eingang, nur eben um die Laufzeit verzögert. Das bedeutet, dass es keine Phasenverschiebung der Frequenzen untereinander gibt. Die Kurve des Phasengangs ist in diesem Idealfall eine Gerade. Solche Verhältnisse im Phasengang findet man nur bei Bessel-Filtern. Sie werden aber durch einen weniger idealen Amplitudenverlauf erkauft, das heißt, der Amplitudenabfall beginnt schon früh im Durchlassbereich. Butterworth-Filter dagegen zeichnen sich durch einen besseren Amplitudenverlauf mit geringerem Abfall aus, haben aber einen weniger idealen Phasengang.

Das ideale Filter mit linearem Phasengang und flachem Amplitudenverlauf gibt es nicht. Bei allen Filtern, mit Ausnahme von Bessel, ist die Laufzeit über Frequenz nicht konstant. Sie wird größer mit zunehmender Frequenz. Der Phasengang ist nicht linear und zwischen den Frequenzen am Ausgang gibt es eine Phasenverschiebung. Bei rückgekoppelten Systemen muss in bestimmten Fällen genau überlegt werden, wie sich der Phasengang eines Filters auf das Systemverhalten auswirkt. Reale Filter sind durch eine Abweichung des Phasengangs vom Idealverlauf gekennzeichnet. Zur Darstellung dieses Effektes wird durch die Kurve des Phasengangs eine theoretische Gerade gelegt, die dem Phasengang, soweit es bei einer Gerade möglich ist, im Durchlassbereich angenähert  ist. Aufgrund der bei dieser Darstellung (Bild 4) möglichen feineren Skalierung zeigen sieht hier die Nichtlinearitäten wesentlich besser. Auch der lineare Phasengang bei Bessel wird in dieser Darstellung (Nulllinie für Bessel-Filter) deutlich.

Häufige Fehlschlüsse

Aussagen wie „ein Bessel ist immer eine gute Wahl, wenn eine hohe Signaltreue gewährleistet werden soll“, sind wenig hilfreich. Sie ist nicht richtig, da Bessel-Filter Signale schon im Durchlassbereich verfälschen, obwohl das Einschwingverhalten hervorragend ist. Eine andere Aussage, dass ein Filter mit linearem Phasengang grundsätzlich gute Eigenschaften im Zeitbereich hat, stimmt so nicht. Das Verhalten eines solchen Filters im Zeitbereich ist besser als bei Butterworth- oder Eliptic-Filtern, wobei aber die Einschwingzeit von sehr steilen Linear-Phase-Filtern relativ lang ist. Signalverfälschungen vor dem eigentlich zu messenden transienten Signal können wesentliche Interpretationsfehler hervorrufen.

Manfred Vieten

: Dipl. Ing. Manfred Vieten von Synotech.

(sb)

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