Die Prozesse einer Elektronikfertigung lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Jene, die dem Produkt direkt einen Wert zufügen (Added Value) wie Pastendruck, Bestücken oder Löten, sowie die Non-Added-Value-Prozesse, die direkt keinen wertschöpfenden Beitrag leisten. Wie kann nun ein AOI- oder SPI-Prozess Werte schöpfen? In Abhängigkeit von der Fertigungslandschaft, den Produkten und natürlich dem Geldbeutel gibt es mehrere Ansätze. Diese definieren auch meist den idealen Einsatzort des Inspektionssystems. Naheliegend ist es, die Ablieferqualität zum Kunden nachhaltig zu steigern und zu sichern. Der aus der Historie heraus typische Einsatzort für diesen Ansatz ist EOL, also am Ende der Linie. Oftmals ist dieser Einsatzort sogar eine „Endkontrolle“ für Klein- oder Musterserien-Fertiger, da kein ICT oder Funktionstest vorhanden ist. Kann das Unternehmen durch diese Maßnahme Kunden halten oder sogar die Beziehung festigen respektive neue gewinnen, rechnet sich die Investition schnell.

Ein anderer Ansatz ist es, die Effizienz der Main-Prozesse zu steigern. Wird aufgrund dieser Maßnahme die Effizienz eines (oder aller) Main-Prozesses (Added Value) gesteigert, erhöht sich der First-Pass-Yield. Es wird weniger Ausschuss produziert und es können in kürzerer Zeit mehr Produkte verkauft werden. Der Einsatzort der Inspektion ist idealerweise dort, wo die Fehler auch entstehen: SPI nach dem Drucker, Pre-Reflow nach dem Bestücker und Post-Reflow nach dem Ofen. Vielversprechend ist es, die Fehlerfindung in die Linie zu verlagern. Jeder Fehler, der dort gefunden wird wo er entsteht, bedarf keines weiteren Prüfschritts.

Gerade Fehler die der Funktionstest identifiziert, kosten mitunter sehr viel Geld. Normalerweise werden hier hochqualifizierte Mitarbeiter eingesetzt, welche die Fehler lokalisieren und reparieren. Es kommen hier schnell mal zwischen 10 und 20 Euro, allein durch Lohnkosten, für einen reparierten Fehler zusammen. Lassen sich auch noch Arbeitsinhalte am ICT reduzieren oder sogar eliminieren, so wird der Einsatz von Inspektionssystemen schnell lukrativ für den Unternehmer. In diesem Zusammenhang steht natürlich die Einsparung von Personalkosten, also die Reduktion von Sichtkontrollplätzen, die einst die Triebfeder für den Einsatz von optischen Inspektionssystemen war. Basis für die Umsetzung all dieser Einsparungspotenziale ist die Leistungsfähigkeit des Inspektionssystem.

Performance-Indikatoren für ein AOI-System

Die Fertigungslandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Die richtige High-Volume-Produktion ist größtenteils verlagert, außerdem ist heutzutage wesentlich mehr Flexibilität gefragt. Produkte in kleinen und kleinsten Losgrößen bei hohem Technologieanspruch und maximalen Qualitätsanforderungen dominieren die Produktionsstandorte. Dementsprechend haben sich bei den Performance-Indikatoren die Gewichtungen mit der Zeit verschoben. Bedeutende Indikatoren sind:

  • Schnelle Programmerstellung
  • Niedrige Pseudofehlerraten, kein Fehlerschlupf
  • Niedrige Service- und Wartungskosten
  • Korrelation mit anderen Prozessen (SPI, Pre-Reflow, etc.)
  • Inspektion im Linientakt
  • Geringe Anforderungen an das Personal (Schulungsinhalte, Bedienung, Programmierung, etc.)

Zunächst gilt es zu definieren, was man unter Programmerstellung versteht. Wann ist ein Programm fertig erstellt? Legt man hier wiederum den grundlegenden Gedanken für den Einsatz von Inspektionssystemen zugrunde, so ist ein Testprogramm erst dann erstellt, wenn das Messsystem damit einen wertschöpfenden Beitrag leisten kann. Es geht hier also nicht nur um die Aufbereitung von CAD-Daten sowie das Einlesen dieser Daten und das nachfolgende Verheiraten mit einer Bibliothek. Voraussetzung für jeden dieser Ansätze ist ein Messprogramm mit geringen Pseudofehlerraten und möglichst keinem Fehlerschlupf. Gerade dieser Part lässt viele Systeme schnell an ihre Grenzen kommen. Aufgrund der Systemvoraussetzungen werden oft viele hundert Leiterplatten für das Finetuning für Programme benötigt. Eine Anzahl, welche die heutigen Losgrößen meist nicht mehr hergeben.

Bei der Auswahl des für sich geeignetsten Systems ist also unbedingt darauf zu achten, welche Anzahl von Produkten man für die „Erstellung“ eines Programms (Datenaufbereitung – Datenaufbau – Finetuning) zur Verfügung haben muss. In einer High-Volume-Fertigung fällt dieser Punkt nicht so sehr ins Gewicht wie bei der Fertigung kleiner Losgrößen und Kleinserien. Je schneller ein leistungsfähiges Testprogramm erstellt wurde, umso schneller wird die Anlage Geld verdienen. Pseudofehler und Fehlerschlupf sind nach wie vor die wichtigsten Performanceindikatoren beim automatischen optischen Inspizieren. Die Marktanforderungen und die Fertigungsgegebenheiten verlangen aber immer auch nach der Frage, welche Anzahl von Leiterplatten (Produkte) man zur Erreichung dieser Performance benötigt. Nicht unerheblich wirken sich Service- und Wartungskosten auf die Kalkulation aus. Aufwändige Hardwarekonzepte sind meist direkt proportional zu den entstehenden Supportkosten.

Korrelation mit anderen Prozessen

Wie wirkt sich nun die Korrelation mit anderen Prozessen wie SPI oder Pre-Reflow aus? Die Zero-Defect-Line war schon am Anfang dieses Jahrtausends ein großes Thema. Technisch scheint dies heutzutage realisierbar. Gerade bei der Vorstellung, dass ein AOI-System das Herz der Linie, die Bestückungsanlage, selbstständig korrigiert, schrecken viele – möglicherweise mit Recht – zurück. Wichtiger denn je ist aber die Korrelation mit anderen Messmaschinen in der Linie. Ohne die Messergebnisse vom SPI (Pastendruck-Inspektion) sind erkannte Lötfehler am Post-Reflow-AOI nur halb so viel Wert. Um einen Rückschluss auf die Fehlerursache zu erhalten, ist es notwendig, die Wechselbeziehung der Prozesse anhand von Fehlerbildern aufzuzeigen. Erst dies erschafft die Möglichkeit, die Prozessgrenzen auszuloten.

Dass die Inspektion im Linientakt statfinden muss, ist selbsterklärend. Solche Anlagen dürfen nicht der Engpass der Linie sein. Aufwändigen Hardwarekonzepten folgen oft ebenso aufwändige Softwarelösungen, die versuchen, die zur Verfügung stehende Hardware mit all ihren Möglichkeiten nutzbar zu machen. Unübersichtliche Softwareoberflächen und komplizierte Vorgehensweisen sind meist das Resultat.

Ein etwas anderer AOI-Ansatz

Mit einem neuen Plattformkonzept und der Software AI2 (Autonomous Image Interpretation) schlägt Cyberoptics (Vertrieb: Smarttec) einen neuen AOI-Weg ein. Die Leiterplatte wird im Durchlauf, also ohne zu stoppen, von fest installierten, hochauflösenden SIM-Modulen vermessen. Die somit erhaltenen quantitativen Informationen nutzt das Softwaremodul SAM (Statistical Appearance Modeling) zur Erstellung der Prüfmodelle. Kein Bauteilkörper ist aber identisch mit einem anderen. Ob nun kürzer oder länger, breiter oder schmäler, grün oder blau, Dimensionen und Farben variieren meist erheblich.

Aus all den „Gutinformationen“, bildet SAM eine scharfe, statistische „Wolke“. Es wird sozusagen eine mögliche statistische Verteilung für alle Pixelinformationen gebildet. Die Vorgehensweise ist dabei vollkommen unabhängig davon, ob man nun Lötmenisken, An- oder Abwesenheit von Bauteilen, Bauteilversatz, Texterkennung oder Lötbrücken testen möchte. Die Modelle erstellt SAM selbstständig aufgrund der statistischen Erkenntnisse.

Dieses Vorgehen bedarf einer größeren Anzahl von Baugruppen, um die notwendigen Informationen für eine scharfe statistische Verteilung zu bekommen. Hier setzt AI2 (Autonomous Image Interpretation) an. Das Softwaretool interpretiert die gemessenen, quantitativen Informationen selbstständig auf Basis der möglichen statistischen Verteilung. Mit nur wenigen Leiterplatten (üblicherweise zwischen zwei und zehn) lassen sich bereits gute Pseudofehler-ppm-Raten erreichen. Hierbei lassen sich die Toleranzgrenzen exakt ermitteln. Dadurch wird auch die Findung tatsächlicher Fehler wesentlich schärfer und somit Fehlerschlupf vermieden. In Kombination mit der SPI-Plattform (Pasteninspektion), die den Takt in diesem Segment vorgibt, besteht die Möglichkeit der Datenkorrelation.

Präzise und vor allem schnell

Für jeden Produzenten ist ein Prozess in einer Fertigungskette nur interessant, wenn dieser direkt oder indirekt an der Wertschöpfung des Produkts beteiligt ist. Basis für die Umsetzung der Einsparungspotenziale ist die Leistungsfähigkeit des Inspektionssystems. Eine sehr gute Performance ist somit Voraussetzung für den wertschöpfenden Einsatz. Mit der AOI-Plattform und Software AI² von Cyperoptics gelingt dies.

Productronica 2013: Halle A2, Stand 437

Uwe Geisler

ist Geschäftsführer von Smarttec.

(mrc)

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