Jeff Kodosky, Firmenmitgründer von National Instruments, gilt als Vater von Labview.

Jeff Kodosky, Firmenmitgründer von National Instruments, gilt als Vater von Labview.Redaktion IEE

Jeff, was sind die neuesten und wichtigsten Eigenschaften von Labview 2015?

Es gibt in der aktuellen Version von Labview 2015 zahlreiche Verbesserungen am Editor. Für mich ist die Erweiterung der Right-Click-Menü-Infrastruktur die wichtigste. Darüber sind nun unter anderem Plug-ins von Kunden und Allianzmitgliedern noch einfacher und leichter erstellbar. Das macht Labview noch offener für Plug-ins von Drittanbietern, speziell für Anwendungen, auch von solchen, die wir uns bisher noch gar nicht vorstellen können.

Nächstes Jahr wird Labview 30 Jahre. Rückblickend betrachtet, was hätten Sie bei der Entwicklung von Labview anders machen sollen?

Gute Frage. Darüber habe ich oft nachgedacht. Hätten wir einige Entscheidung anders getroffen, wären uns einige Folge-Entwicklungen verschlossen geblieben. Was wir über all die Jahre immer im Hinterkopf behalten haben, ist Moore‘s Law, wonach die Rechner jedes Jahr schneller und schneller wurden. Dadurch konnten wir einige Performance-Aspekte immer wieder zurückstellen. Denn mit der nächsten, schnelleren und besseren Rechnergeneration waren derartige Probleme dann automatisch beseitigt. Das hat allerdings den faden Beigeschmack, etwas unter den Teppich kehren zu wollen.

 

Technik im Detail

Labview 2015 ‒ die Neuheiten

Zu den Verbesserungen der aktuellen Version der Systemdesignsoftware zählen die schnellere Ausführungsgeschwindigkeit (Compiler-Optimierung), neue per Mausklick aufrufbare Kontextmenüs für einen schnelleren Zugriff auf Funktionen der Entwicklungsumgebung sowie erweiterte Funktionen zur Fehlersuche. Hinzu kommt die Plattfrom-übergreifende Implementierung: Anwender können zwischen den Systemen wechseln oder miteinander kombinieren, da immer der gleiche Programmcode und gleiche Entwicklungsprozesse zum Einsatz kommen. Das reduziert den Zeit- und Kostenaufwand über den Entwicklungsprozess. Die Produktivität steigern ebenso Funktionen, dank derer Entwickler ihren Programmcode schneller öffnen, schreiben sowie Fehler rascher beheben können: Große Bibliotheken lassen sich bis zu achtmal schneller öffnen – ohne Unterbrechungen durch eventuell fehlende Sub-VIs. Sieben Plugins, die durch Klick mit der rechten Maustaste aktiviert werden, erleichtern die Entwicklung eigener VIs und Plugins. Um die Verteilung von Programmcode zu beschleunigen, lassen sich FPGA-Kompilierungen an den Compile Cloud Service von NI auslagern. Der Zugriff auf Software- und Trainingsressourcen im Rahmen von anwendungsspezifischen Suites vervollständigt die Neuerungen.

Was meinen Sie damit?

Wir wussten, dass es gelegentlich Performanceprobleme gab, hatten jedoch nicht die Zeit, uns damit zu befassen. Aber in den vergangenen zwei Jahren hat sich eine kleine Gruppe, bei uns heißt sie Labview without Limits, ausdrücklich mit solchen Flaschenhälsen befasst, egal ob es zu langsame Verarbeitungsgeschwindigkeiten waren oder zu lange Kompilierungszeiten. Inzwischen hat die Arbeitsgruppe aber geliefert und Labview ist heute deutlich flinker als noch vor Jahren. Rückblickend betrachtet wäre es sicherlich besser gewesen, wenn ich etwas früher darauf geachtet hätte.

Ein anderer Punkt ist die Einführung von globalen Variablen in Labview. Heute sehe ich das als meinen größten Fehler an. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, wären wir zu einer sehr viel eleganteren Lösung gekommen. Bereits vor zehn Jahren habe ich an einem Labview-Prototyp und Lösungen ohne globale Variablen experimentiert.

Wenn Sie nach vorne blicken, wie stellen Sie sich die grafische Programmierumgebung mittel- und langfristig vor?

Es gibt noch viele Dinge zu tun. Da ich aber nicht mehr der Jüngste bin, wird mir gar nicht mehr so viel Zeit bleiben, all das umzusetzen, was ich mir vorstelle. Ursprünglich war es unser Ziel, Wissenschaftler und Ingenieure bei der Entwicklung von Messsystemen aller Art produktiver zu machen. Daher haben wir den Ingenieuren genau auf die Finger geschaut und tun das immer noch. Sie skizzieren Bilder, Blockdiagramme und beschreiben mit Pfeilen die Zusammenhänge ihres Systems. Allerdings ohne daraus direkt das System bauen zu können.

Unsere Lösung war und ist das grafische Datenflussdiagramm Labview. Damit ist bereits ein sehr großer Schritt gemacht. Wir benötigen aber auch einen Weg, um zum Beispiel die eingesetzte Sensorik zusammen mit dem Programm anzuzeigen, also darzustellen, welche Hardware sich hinter einem Virtuellen Instrument verbirgt und welche Eigenschaften die Hardware besitzt. Das ist ein Bereich, in den wir viel Entwicklungsarbeit stecken.

Vor einigen Jahren wurde auf den VIP-Tagen ein Labview-Prototyp auf einem iPad gezeigt. Was ist daraus geworden?

Ich bin nach wie vor an diesem Thema dran und probiere immer wieder etwas aus. Mir gefallen einige Merkmale der Demo: die Leichtigkeit, das automatische Layout. Abgesehen davon bin ich dabei, herauszufinden, was der zusätzliche Nutzen von Labview-Entwicklungen auf einem Tablet-PC sein kann. Natürlich ist es sinnvoll, sich verschiedene Daten anzeigen zu lassen. Auch eine vorübergehende drahtlose Anbindung an Messsysteme wie ein cRIO-Chassis kann ich mir vorstellen, um zu überprüfen, was dort intern auf der physikalischen Ebene vorgeht beziehungsweise installiert ist und gegebenenfalls das Programm ändern.

Aber ich bin nach wie vor auf der Suche nach dem richtigen Weg: Sollten wir dafür zum Beispiel ein Menü- oder ein Bibliothek-basiertes System aufbauen oder auch die Gestensteuerung integrieren?

Wie sieht es beim Thema sichere Verbindungen und Datensicherheit im Zusammenhang mit Labview aus? Wurde schon einmal ein Virtual Instrument (VI) gehackt?

Zu den Verbesserungen der aktuellen Version der Systemdesignsoftware zählen die schnellere Ausführungsgeschwindigkeit (Compiler-Optimierung), neue per Mausklick aufrufbare Kontextmenüs für einen schnelleren Zugriff auf Funktionen der Entwicklungsumgebung

Zu den Verbesserungen der aktuellen Version der Systemdesignsoftware zählen die schnellere Ausführungsgeschwindigkeit (Compiler-Optimierung), neue per Mausklick aufrufbare Kontextmenüs für einen schnelleren Zugriff auf Funktionen der Entwicklungsumgebung National Instruments

Bei Labview muss man sich bewusst sein, dass es dessen inhärente Parallelität sehr schwer macht, ein Reverse Engineering bei einem VI durchzuführen. Allerdings sind die Systeme auf denen ein VI läuft, genauso anfällig wie jedes anderes Betriebssystem auch. Geräte-Treiber, Kommunikationsschnittstellen und Browser sind die möglichen Angriffsziele von Hackern. Für die Echtzeitverarbeitungsmöglichkeiten von Labview RT haben wir deshalb zum Beispiel ein Security Enhancement Tool für Linux herausgebracht. Werden die Tools korrekt genutzt, bleibt nur wenig Angriffsfläche und natürlich arbeiten wir ständig an deren Verbesserung.

Die Geräte werden kleiner und kleiner. Ist National Instruments auf das Thema IoT Internet of Things zum Beispiel bezüglich Footprint und Prozessorperformance ausreichend vorbereitet?

Es gibt kleine und es gibt große Geräte, die ans Internet angeschlossen werden. Leicht lässt sich erkennen, dass wir heute die Anforderungen der großen Geräte gut abdecken. Mit Singleboard-Rio und System-on-Module adressieren wir auch mittlere bis kleine Geräte. Es ist noch nicht ganz klar, wie weit wir uns auf der Hardwareseite auf noch weiter miniaturisierte Geräte ausdehnen. Wir kommen aber schon recht weit, wie das Beispiel Digilent Inc zeigt. Das Unternehmen produziert bereits ziemlich kleine Devices, die wir mit Labview programmieren und einbinden können. Es gibt keine Einschränkung, warum wir nicht noch kleinere Prozessorsysteme, zum Beispiel 8-Bit-Systeme, programmieren können sollten.

Wird die Hardware kleiner und kleiner, stößt man allerdings bei den IO-Optionen und beim Timing an gewisse Grenzen. Hier sind Halbleiterhersteller besser aufgestellt. Sie können zum Beispiel Silizium mit MEMS kombinieren und so einen intelligenten Sensor herstellen, der sich wiederum in Labview einbinden lässt.

Nach Schätzungen des World Economic Report soll das Industrial Internet of Things (IIoT), also die größeren Geräte und Systeme, einen höheren wirtschaftlichen wie auch sozialen Einfluss haben. Sie sehen, wir sind also durchaus auf dem richtigen Weg.

SPS IPC Drives 2015 – Halle 7, Stand 381

Stefan Kuppinger

Chefredakteur IEE

(sk)

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