Bisher beeinflussten die OEMs den Klang und das Geräusch von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren im Wesentlichen mit Hilfe von passiven Elementen, indem sie den Auspuff in mechanischer Hinsicht entsprechend auslegten. Ein neues Technologiepaket, das aus den Elementen „ActiveSilence“ und „ActiveSound“ besteht, ermöglicht jetzt eine aktive Beeinflussung und Formung des Auspuff-Geräuschs. Möglich wird dies mit speziellen Lautsprechern, die im heißen Abgasstrang untergebracht sind.
Wenn am Steuergerät eines verbauten Abgas-Lautsprechers die entsprechenden Parameter anliegen, dann wäre es sogar möglich, einen Kompaktwagen mit dem Sound eines Ferraris auszustatten. Dieser Sound kommt dann direkt aus dem Abgas-Endrohr und damit exakt von der Stelle, wo jeder es erwartet. Dies ist sicherlich ein sehr extremes Beispiel, aber es zeigt die Möglichkeiten dieser neuen Technologie auf, die das Esslinger Unternehmen Eberspächer entwickelt hat. Weil die Entwickler des Auspuffsystems sich damit während der mechanischen Design-Phase nicht mehr um den Sound kümmern müssen, können sie sich ausschließlich auf Umwelt- und andere Aspekte konzentrieren, während der passende Sound zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt wird.
Da sich der Klang des Auspuffs, so zu sagen der akustische Fingerabdruck des Fahrzeugs, durch Parameter-Einstellungen in einem Steuergerät ergibt, erhalten die OEMs eine ganz neue Flexibilität, während gleichzeitig ganz neue Designabläufe mit viel kürzeren Durchlaufzeiten möglich werden.
Erster Schritt: Gegenschall einspielen
Damit der Auspuff eines Fahrzeugs auch die gesetzlich festgelegten Geräuschvorgaben erfüllt, muss der Auspuff individuell an den jeweiligen Fahrzeugtyp angepasst und kalibriert werden. Wenn die Entwickler das Geräusch mit passiven Methoden (Dämpfung) beeinflussen, dann ist hierfür auf Grund der notwendigen, volumen-intensiven Dämpfungsglieder ein relativ großer Bauraum erforderlich, während sich gleichzeitig der Abgasgegendruck erhöht, was wiederum einen höheren Kraftstoffverbrauch und damit größere CO2-Emissionen zur Folge hat.
„Mit ActiveSilence von Eberspächer wird das Layout der Abgasanlage einfacher“, erklärt Olaf Schmidt, Marketing Manager bei Eberspächer Electronics. „Möglich wird dies durch einen Aktor samt integriertem Lautsprecher und einem Steuergerät mit integriertem Verstärker.“ Die Steuerung berechnet aus den Daten des Motorsteuergeräts und eines Sensor-Mikrofons in der Abgasanlage den erforderlichen Antischall, um bestimmte, vorher festgelegte Frequenzen auszulöschen. Dieses „Verfahren zur Dämpfung von Schallschwingungen“ ließ sich Dr. Paul Lueg in Berlin bereits 1933 patentieren. Seit Jahrzehnten hat sich dieses Antischall-Verfahren bereits im Kleinleistungsbereich bewährt – und zwar in Kopfhörern für den Einsatz in Flugzeugen und Hubschraubern.
„Über das ActiveSilence-Steuergerät können die entsprechenden Frequenzen individuell – auch an unterschiedlichste Fahrzeuge – angepasst werden“, betont Matthias Keck, Leiter F&E Abgastechnik weltweit bei Eberspächer. „Weitere Vorteile: Der Gegendruck sinkt deutlich und die gesamte Abgasanlage kann kompakter ausfallen. Im Pkw-Bereich ergeben sich dadurch Einsparungen beim Volumen von bis zu 60 Prozent und beim Gewicht von bis zu 40 Prozent. Darüber hinaus sinken auch die CO2-Emissionen, und das Fahrgeräusch ist bis zu zehn Prozent leiser. Wir haben derzeit ein Design-In, bei dem das Abgassystem genauso laut ist wie zuvor und dabei den gleichen Sound erzeugt – allerdings bei einem geringeren Gewicht und kleinerem Volumen.“
In einem Demo-Fahrzeug senkte Eberspächer durch Nutzung der ActiveSilence-Technologie das Volumen von 49,6 Liter auf 37 Liter, die Masse von 28,0 kg auf 22,3 kg und den Abgasgegendruck von 160 mbar auf 110 mbar im Vergleich zu einem Fahrzeug mit einer passiven Abgasanlage. Allein die Verringerung des Abgasgegendrucks soll dabei Kraftstoff-Einsparungen von bis zu 3% bringen.
Nächster Schritt: Sound zumischen
Wenn die unerwünschten Klangelemente erst einmal aus dem Gesamtklang entfernt sind, dann ist es möglich, zusätzliche Sound-Elemente hinzuzufügen, um so auch das entsprechend gewünschte emotionsbetonende Sound-Erlebnis zu erzeugen. „Die ActiveSound-Technologie von Eberspächer bietet vollkommen neue Möglichkeiten bei der Sound-Konfiguration von Fahrzeugen, die in Massenstückzahlen gefertigt werden“, konstatiert Olaf Schmidt.
Viele neue Fahrzeuge haben einen Downsizing-Prozess durchlaufen, so dass sie einen geringeren Hubraum aufweisen, dafür aber mit einem Turbolader ausgestattet sind. Derartige Motoren weisen allerdings nicht die emotionsbetonenden Klangelemente auf, die viele Menschen in den höheren Leistungsklassen erwarten. Bei diesen Fahrzeugen eröffnet die ActiveSound-Technologie ganz neue Möglichkeiten.
Einsatz im Audi A6 Avant
„Die Entwickler von Auspuffanlagen können sich jetzt auf die Optimierung der Abgaswerte in punkto Schadstoff- und Partikelausstoß konzentrieren, weil sie wissen, dass sie den Sound in einem nächsten Schritt abstimmen können“, führt Matthias Keck weiter aus. „Wie gut das System funktioniert, beweist der neue Audi A6 Avant: Die Top-Motorisierung mit dem 313 PS starken TDI-Aggregat überzeugt nicht nur durch Leistung und Drehmoment, sondern dank ActiveSound auch durch einen satten sportlich-kräftigen und wertigen Klang. Dabei drängt sich weder diesel-typisches Nageln noch ein übertrieben lautes Fahrgeräusch in den Vordergrund. Der Lautsprecher in der Abgasanlage betont vielmehr bestimmte Frequenzen innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Dadurch hört sich der Biturbo im A6 wie ein ausgewachsener V8-Ottosaugmotor an und unterstützt wirkungsvoll den sportlichen Charakter des Kombis aus Ingolstadt.“
Die Technologie
Der zur Umsetzung des ActiveSound- und Active-Silence-Konzepts genutzte Lautsprecher ist in der Nähe des Auspuff-Endrohrs untergebracht. Dadurch ist die im Frequenzbereich von 40 bis 400 Hz arbeitende Lautsprechermembran heißen und aggressiven Auspuffgasen ausgesetzt, wobei die Temperaturbeständigkeit der Membran „nur“ auf 150 °C ausgelegt ist, während ganz in der Nähe 700 °C heiße Abgase Richtung Auspuff-Endrohr gelangen. Die gesamte Lautsprecher-Montageanordnung sieht aus wie ein zusätzlicher Auspufftopf mit nur einem Ausgang, der über ein Y-förmiges Rohr mit dem klassischen Auspuff verbunden ist. Diese zusätzliche Anordnung benötigt bei 80 W Lautsprecherleistung 3 l Bauvolumen bei 3 kg Masse. „Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Gestaltung des Y-Elements, denn wir müssen dafür sorgen, dass es am Lautsprecher nicht zu heiß wird“, erklärt Matthias Keck.
Als Eingangsgrößen nimmt das ASCU (Active Silence Control Unit) genannte Sound-Steuergerät Daten wie Belastungszustand, Drehzahl, Geschwindigkeit, Temperatur und eingelegter Gang, die auf dem CAN-Bus zur Verfügung stehen, aber auch Daten, die ein spezielles Sensor-Mikrofon im Abgasstrang liefert. Auf Basis dieser Daten berechnet die ECU die erforderlichen Klang-Anpassungen, wobei das Steuergerät über 100-mal pro Sekunde seine Parametrierung aktualisiert.
Im Rahmen des Sound-Designs geht Eberspächer stets in drei Stufen vor: Im ersten Schritt steht die Lärmminderung (Noise Reduction) im Fokus, während in einem zweiten Schritt das „Sound Cleaning“ erfolgt, bei dem es um die Unterdrückung von Störgeräuschen wie Fiepen, Schleifen etc. geht. Erst im dritten Schritt kommt dann die bewusste Formung des Klangs im Rahmen des Sound-Designs. Das Unternehmen hat spezielle Tools entwickelt, mit denen Ingenieure die Parametrierung des Klangbilds entsprechend am PC vornehmen können.
„Schon Anfang der 90er Jahren haben wir mit den Arbeiten an dieser Lösung begonnen, aber damals gab es einfach noch nicht die passende Technologie“, erklärt Matthias Keck. „Wir hatten damals zu viele Probleme mit Phasenverschiebungen, aber wir haben das Thema stets im Auge behalten. Innerhalb der letzten sieben Jahre haben wir dann intensiv an ActiveSound und ActiveSilence gearbeitet. Gegenüber dem Wettbewerb haben wir einen Vorsprung von mindestens zwei bis drei Jahren. Wir haben es geschafft, diese Technologie aktiv in den Markt zu bringen, aber wir werden sie auch massiv weiterentwickeln.“ Keck betont, dass Eberspächer „einige Patente auf den Aufbau der Aktorkugel“ besitzt, während der Regelalgorithmus selbst nicht patentierbar sei.
Viel Potenzial
Die Möglichkeiten dieses Systems sind wirklich vielversprechend: Mit einer zusätzlichen Verbindung zum Navigationssystem wäre es sogar theoretisch möglich, vor einer Diskothek durchaus einen emotional röhrenden Power-Sound zu produzieren, während das gleiche Fahrzeug vor einem Krankenhaus oder einer Schule automatisch in einen Flüstermodus wechselt. Dies ist sicherlich eine sehr extreme Applikation, aber sie zeigt, dass es beispielsweise auch möglich ist, den aktuellen Sound des Fahrzeugs von der Stimmung des Fahrers abhängig zu machen. In Demofahrzeugen zeigte Eberspächer, wie das Umschalten zwischen mehreren vordefinierten „Klangteppichen“ funktioniert: Sowohl innerhalb des Fahrzeugs als auch außerhalb waren eindrucksvolle Unterschiede im Klang deutlich wahrnehmbar.
Auch für eine Erweiterung der Sound-Funktionalitäten im Interieur ist das Unternehmen bereits gerüstet, denn das ActiveSound-Steuergerät verfügt bereits über eine Zweidraht-Schnittstelle, die sich direkt mit dem Infotainment-System verbinden lässt.
Derzeit arbeitet Eberspächer auch daran, die ActiveSound-Aktuatoren in Zukunft noch leichter zu machen, indem Materialien wie beispielsweise Titan, Aluminium, Kunststoff oder CFK-Verbundwerkstoffe zum Einsatz kommen. So weist beispielsweise ein aus CFK-Material gefertigter Prototyp mit 8-Inch-Lautsprecher für Renn-Applikationen eine Masse von gerade einmal 300 g auf, während die Masse des aktuellen Serien-Lautsprechers mit 6,5 Inch/Zoll Durchmesser derzeit 3 kg beträgt.
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(av)