Es gibt kaum eine Anwendung mit schwierigeren technischen Einschränkungen als moderne Hörgeräte. Auf immer kleinerem Raum sind eine höhere Leistungsfähigkeit und ein geringerer Stromverbrauch gefragt. Dieser Druck wird durch das von mehreren Marktforschungsunternehmen prognostizierte jährliche Wachstum von 4…6 % im Hörgerätemarkt noch weiter erhöht. Eine alternde Bevölkerung und neue Märkte in China und Indien tragen zu diesem Wachstum bei. Immer mehr Patienten müssen also mit verbesserten Hörgeräten ausgestattet werden.

Durch die Integration einer leistungsfähigen digitalen Signalverarbeitung (DSP) können Halbleiterhersteller diese Anforderungen erfüllen. Dabei stellen sich dem Entwickler viele Designentscheidungen hinsichtlich der DSP-Technik und deren Integration in heutige Hörgeräte.

Auf einen Blick

Die Entwickler von Hörgeräten setzen heute komplexe DSP-Algorithmen ein, um das Hörsignal optimal aufzubereiten und die Hörschäden des Anwenders auszugleichen. Allerdings stehen ihnen nur begrenzte Rechenressourcen im Hörgerät bereit. ON Semi vergleicht hier mehrere DPS-Architekturen und begründet, welche Variante im Ezairo 7100 zum Einsatz kommt.

Einfach gesagt funktioniert ein Hörgerät folgendermaßen: Ein Mikrofon empfängt Schallwellen und erzeugt daraus ein analoges elektrisches Signal. Ein A/D-Wandler wandelt dieses Analogsignal in ein Digitalsignal um. DSP-Algorithmen verarbeiten das Signal und bereiten es auf. Das Digitalsignal wird dann wieder in eine analoge Form und weiter in Schallwellen verwandelt, die der Nutzer des Hörgeräts wahrnimmt. Um die optische Wirkung dieser Geräte zu minimieren und den Tragekomfort zu verbessern, sind die neuesten Modelle sehr klein und diskret ausgelegt. Die bisher üblichen Geräte, die hinter dem Ohr getragen werden (BTE, Behind-the-Ear) werden immer häufiger durch kleine Hörgeräte ersetzt, die sich im Ohrkanal befinden (CIC, Completely-in-Canal und IIC, Invisible-in-Canal) oder durch Miniatur-Hörgeräte über dem Ohr (Mini-BTE oder OTE, Over-the-Ear). Der Trend, dass Hörgeräte „gehört aber nicht gesehen“ werden, erfordert eine umfassende System-Miniaturisierung, die bis hinab zu den integrierten Schaltkreisen reicht.

Individuelle Anpassung

OEMs suchen heute IC-Lösungen, mit denen sie ihre eigenen Audio-Algorithmen umsetzen können. Damit ist ein Plattformansatz möglich, der verschiedene Modelle mit dem gleichen DSP-Kern bedient. So kann zum Beispiel eine leichte Hörminderung durch bestimmte Algorithmen behandelt werden, während hochleistungsfähige Geräte einen schweren Hörverlust adressieren – und das beides über die gleiche Plattform. Der Unterschied liegt nur in der zusätzlichen Verstärkung, Funktionalität und Leistungsfähigkeit.

Gefragt ist auch eine Funkübertragung zwischen Hörgeräten und Smartphones oder TVs. Dafür bietet sich das 2,4-GHz-Frequenzband an; hier liegen auch Bluetooth und Zigbee. So kann der Nutzer Musik von einem Handheld-Gerät abspielen oder das Hörgerät als Headset für Telefongespräche nutzen. Die Funkanbindung kann auch die Interaktion zwischen Anwender und Gerät verbessern. Mithilfe von Smartphones können Hörgerätenutzer die Einstellungen einfach individuell anpassen (zum Beispiel Lautstärkeregelung), ohne umständliches Zubehör nutzen zu müssen. Ohne einen endgültigen Standard für die Funktechnik müssen sich Entwickler hier schnell an aufkommende Standards wie Bluetooth Low Energy (BTLE) anpassen.

DSP-Architekturoptionen

Es gibt verschiedene Arten von DSP-Architekturen für SoC-Designs. Da sich die Architektur erheblich auf die Gesamteffizienz des Hörgerätedesigns auswirkt, sollten Entwickler diese Optionen sorgfältig prüfen, bevor sie sich für eine Architektur entscheiden.

Bei einer geschlossenen Architektur mit fester Funktion ist der DSP fest verdrahtet in das Design eingebunden, womit er das System in Sachen Stromverbrauch und Größe optimiert – allerdings auf Kosten der Systemflexibilität. Obwohl einige wenige Parameter justierbar sind, kann die grundlegende Funktion des ICs jedoch ohne größere Designänderungen nicht verändert werden. Das aber ist sehr teuer und zeitaufwändig.

Offen-programmierbare Architekturen bieten OEMs eine höhere Designflexibilität, da sich die DSP-Algorithmen relativ einfach ändern lassen. Diese Flexibilität wird allerdings nur in größeren Systemen realisiert, die den strengen Anforderungen hinsichtlich des Stromverbrauchs und der Baugröße von Hörgeräten nicht entsprechen.

Alternative Architekturen vereinen heute die Vorteile geschlossener und offen-programmierbarer Lösungen. In semi-programmierbaren Architekturen liegen die wesentlichen DSP-Funktionen festverdrahtet in Logikblöcken vor, zusammen mit zusätzlichen programmierbaren DSP-Elementen, um Teilfunktionen in Software zu realisieren. Damit steht zwar ein gewisses Maß an Flexibilität zur Verfügung, semi-programmierbare Architekturen weisen aber immer noch einen höheren Stromverbrauch als geschlossene Architekturen auf.

Auf die Anwendung zugeschnitten

Anwendungsspezifische, offen-programmierbare Architekturen bieten einen anderen Ansatz: Hier wurde die DSP-Architektur in Bezug auf die Anwendung entwickelt und so optimiert, dass sie spezielle Signalverarbeitungsfunktionen für eine bestimmte Applikation bietet. Das kombiniert die Softwareprogrammierbarkeit einer offen-programmierbaren Architektur mit der Leistungseffizienz, die der einer geschlossenen Architektur ähnelt.

Der Ezairo 7100 von ON Semiconductor ist ein kompakter, hochentwickelter System-on-Chip-Baustein für Hörgeräte. Er enthält ein Analog-Frontend, einen ARM Cortex-M3-Prozessor und einen 24-Bit-Quad-Core-DSP.

Der Ezairo 7100 von ON Semiconductor ist ein kompakter, hochentwickelter System-on-Chip-Baustein für Hörgeräte. Er enthält ein Analog-Frontend, einen ARM Cortex-M3-Prozessor und einen 24-Bit-Quad-Core-DSP.ON Semiconductor

Der Ezairo 7100 ist ein kompakter, hochentwickelter System-on-Chip-Baustein (SoC), den ON Semiconductor für die nächste Generation von Hörgeräten ausgelegt hat. Das SoC enthält auf einem Single-Chip ein Analog-Frontend, einen ARM Cortex-M3-Prozessor und einen 24-Bit-Quad-Core DSP, der auf einer anwendungsspezifischen, offen-programmierbaren Architektur basiert. Damit braucht der Chip weniger als 0,7 mA bei der maximalen Taktfrequenz von 10,24 MHz.

Dem Fortschritt voraus

Der technische Fortschritt im Markt für Hörgeräte ändert sich stetig, mit zahlreichen Innovationen und neu entstehenden Märkten. Der Wettbewerb und die Forderung einer schnellen Markteinführung führen zu kürzeren Produktentwicklungszyklen und einer höheren Differenzierung. Mithilfe digitaler Signalverarbeitung auf programmierbaren oder anwendungsspezifischen Architekturen von ON Semiconductor können Entwickler kleinere Hörgeräte bereitstellen, die mehr Funktionen, Komfort und somit Nutzerzufriedenheit bieten.

Christophe Waelchli

ist Produktmanager für Hearing Health, Consumer Health and Portable Audio in der Medical and Wireless Product Division von ON Semiconductor.

(lei)

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