Im Zeitalter computergesteuerter Produktionsabläufe sind Kürzel wie CAD, CAM, CNC in der Produktionsrealität geläufig. Als auf der Hannover-Messe 2011 erstmals der Begriff Industrie 4.0 öffentlich in Erscheinung trat, waren die Inhalte, die dahinter steckten, nur in Teilen neu. Was die „4. Industrielle Revolution“ bringen soll, ist in vielen Firmen der Hightech-Industrie schon heute Alltag – und entwickelt sich stetig weiter.

Kommunikation unter Maschinen

Maschinen kommunizieren ohne Probleme miteinander und das soll in zehn Jahren auch weltweit möglich sein – eine große Herausforderung für die Entwickler.

Maschinen kommunizieren ohne Probleme miteinander und das soll in zehn Jahren auch weltweit möglich sein – eine große Herausforderung für die Entwickler.Rehm

Das Ideal von global vernetzten Produktionsprozessen, in denen die Maschinen in einem Internet of Things (IoT) direkt miteinander kommunizieren, über Sensoren erfasste Daten weitergeben und voneinander lernen, klingt zunächst nach einer Science Fiction-Vision. Doch vieles von dem, was als Voraussetzung für Industrie 4.0 angesehen wird, ist schon Realität. Und die beruhigende Nachricht dabei lautet: Es geht (noch) nicht ohne menschliches Mitwirken. Die Industrie arbeitet schon heute mit hochkomplexen, computergestützten – oder viel mehr computergesteuerten – Prozessen.

CNC-Fräsen arbeiten mit hoher Präzision, CAD-Programme rechnen 2D-Pläne in 3D-Modelle um, von der Warenwirtschaft über Planung und Produktion bis hin zur Vertriebslogistik ist ohne Computer keiner dieser Abläufe mehr denkbar. Neuer ist dagegen die Kombination: Daten werden von Prozessen, die früher getrennt voneinander erfasst und verarbeitet wurden, in zentralen Rechnern gesammelt, von komplexen Softwaresystemen ausgewertet und zusammengeführt. So können ganze Abläufe im Gesamten überwacht und gesteuert werden. Und nun soll noch die globale Vernetzung der Maschinen dazukommen?

Mit dem Zukunftsprojekt der Bundesregierung Industrie 4.0 können Maschinen über das Internet kommunizieren. Somit werden Fabriken nicht mehr zenral, sondern autonom gesteuert.

Mit dem Zukunftsprojekt der Bundesregierung Industrie 4.0 können Maschinen über das Internet kommunizieren. Somit werden Fabriken nicht mehr zenral, sondern autonom gesteuert. Rehm

Die Entwicklung eines Standards für Industrie 4.0 ist ein Prozess der Normung, also einer weltweiten Vereinheitlichung der technischen Datenkommunikation. Die unüberschaubare Datenmenge aus der Betriebsdatenerfassung (BDE) der Unternehmen, die global täglich anfällt (Big Data) müsste kanalisiert und aufbereitet werden, um als Smart Data in verwertbarer Form zur Verfügung zu stehen. Das sehen auch die Experten als eine der großen Herausforderungen an. Fachleute meinen, dass der Weg zu einem Standard Industrie 4.0 noch mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen wird. Und weltweite Vereinheitlichung ist noch ungleich schwerer als es das auf nationaler Ebene ist.

Ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Ludwik Lejzer Zamenhof veröffentlichte 1887 die heute noch gültigen Grundlagen des Esperanto. Esperanto – zu Deutsch Hoffender – sollte eine leicht erlernbare, neutrale Sprache für die internationale Verständigung werden. Es gibt zwar eine Gemeinde, die das Esperanto pflegt, aber von international durchsetzen kann – fast 130 Jahre später – noch nicht gesprochen werden. Es gibt auch schon internationale Standards, mit denen heute jeder arbeitet: Für die Wege der Datenübertragung sind Normungen wie TCP/IP, LAN, WLAN, Bluetooth inzwischen weltweite Standards. Auch das Internet wäre ohne ein Mindestmaß an globaler Vereinheitlichung nicht funktionsfähig. In anderen Bereichen wird noch mit nationalen Normen gearbeitet. Aber ohne die fortschrittlichen Entwicklungen der Hightech-Industrie zur Automatisierung ihrer eigenen Fertigungsprozesse, hätten weiterführende Gedanken zu so einem weltumspannenden Projekt wie Industrie 4.0 nicht entstehen können.

Embedded-Computing

Rehm Thermal Systems treibt bei der Entwicklung seiner Anlagen konsequent die Integration von Computersystemen in den gesamten Produktionsablauf voran: Die Entwickler aus Blaubeuren erkannten, dass computergestützte Abläufe in komplexen und empfindlichen Systemen die Gewähr bieten, konstante Bedingungen zu halten. Embedded-Computing war bei Rehm schon Alltag, bevor es in den öffentlichen Fokus kam. Die Computersteuerung nimmt dem Anwender hier nicht die Arbeit ab, sondern sie erlaubt, auch äußerst komplexe und variable Prozesse übersichtlich zu verwalten und im Griff zu behalten.

Prozessoptimierung in den Fertigungshallen: Produkte heute noch auf Anlage 1, doch morgen schon auf Anlage 2, 3 oder 4 fertigen – und das ohne Verzögerung.

Prozessoptimierung in den Fertigungshallen: Produkte heute noch auf Anlage 1, doch morgen schon auf Anlage 2, 3 oder 4 fertigen – und das ohne Verzögerung. Rehm

Die Anforderungen, wie sie sich in der Elektronikfertigung der vergangen Jahre entwickelt haben, also auch in der Leiterplattenherstellung, erfordern auch eine Weiterentwicklung der Anlagen in der Produktion. Was noch vor wenigen Jahren schwer umsetzbar war, gehört heute zur Normalität im Produktionsalltag. Anlagen lassen sich, dank übergreifender Software, flexibler und effizienter einsetzen. Auslastungen optimieren und die Qualität des Outputs konstant sicherstellen: Bei Rehm nennt sich das Intelligent Software Solutions. Damit schufen die Entwickler ein System, mit dem die Anlagen zuverlässig gesteuert und überwacht werden.

Es ist kein geschlossenes System, besteht aber vielmehr aus Monitoring-Tools und unterschiedlichen Modulen, die jeweils eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Die Fülle an Daten, die Module in der Anlage erfassen und überwachen, ist enorm. Eine zentrale Software führt die Daten zusammen und wertet sie aus (beispielsweise um die festgelegten Parameter eines Fertigungsprofils konstant zu halten). Das modulare System kann individuell paketiert und an den jeweiligen Bedarf des Kunden angepasst werden. Für alle Anlagentypen steht eine Mastersoftware zur Verfügung, die auf die verschiedenen Anlagen zugeschnitten wird.

Prozessoptimierung mit Fehlerminimierung

Customizing ist ein wichtiger Faktor in Zeiten flexibler Fertigungsbedingungen. Durch die IT-Steuerung werden mit solch unterschiedlichen Softwareoptionen ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Die manuelle Auswahl eines benötigten Produktprofils – in der Praxis immer ein latentes Fehlerpotenzial – erfolgt softwareunterstützt im laufenden Prozess. Die Gefahr, Produktionsprozesse mit falschen Parametern laufen zu lassen, wird minimiert. Durch diese komplexe Steuerung entsteht auch eine neue Flexibilität.

Übergreifende Software

Die Hightech-Industrie spielt bei der Entwicklung zur Automatisierung eine große Rolle: Computergestützte Abläufe in komplexen und empfindlichen Systemen sollen konstante Bedingungen sicherstellen. Durch die eingesetzte Software lassen sich Produktionsanlagen zuverlässiger steuern und können dabei auch überwacht werden. 

Bei einem Kunden wurden beispielsweise vier Produktionsstraßen mit jeweils gleicher Ausstattung der Anlagen aufgebaut. Durch die Intelligent Software Solutions und Anbindung an die PPS-Software über den XML-Standard ist es ohne Probleme möglich, Produktwechsel oder zum Beispiel das Energiemanagement über die Anlagen hinweg zu verwalten und zu optimieren. Ein Produkt, das heute in Anlage 1 gefertigt wurde, kann morgen ohne Verzögerung auf Anlage 2, 3 oder 4 laufen. Optimierungen der Abläufe und der Profile werden vorgeschlagen – und das durch Produktprofilierung und Produktionssteuerung. Ein Produktionsprofil ist über die zentrale Softwareverwaltung auf jeder Anlage zu jeder Zeit abrufbar: nicht nur auf gleichen, sondern auch auf ähnlichen oder sogar unterschiedlichen Anlagen.

Rehm hat sich in dem Bereich Profilierung mit einem Technologiepartner zusammengetan: Das Profilierungsmodul von KIC ermöglicht eine detaillierte Profilerstellung bei neuen Produkten. In wenigen Schritten kann es relativ einfach erstellt werden. Die Einstellungen werden als Referenz oder Baseline für weitere Anwendungen abgelegt. Für ähnliche Produktlinien ermittelt das System auf dieser Basis Temperaturvorschläge. Wird das gleiche Produkt zu einem späteren Zeitpunkt nochmals gefertigt und hat sich irgendetwas im System verändert, stellt die Steuerung die voreingestellten Bedingungen exakt wieder her, oder zeigt die Unterschiede auf – nur so lassen sich heute entwickelte Qualitätsstandards bei steigenden technologischen Marktanforderungen zuverlässig halten.

Die Bilanz: eindeutig

Eine Integration von hoch spezieller Software in den Fertigungsfluss gehört künftig immer mehr zum Alltag: Anlagen und Prozesse werden verwaltet, überwacht, analysiert und optimiert. Auftrag, Produktdaten, Effizienz- und Statusdaten, festgelegte Einstellungen, archivierte Profile und aktuelle Werte fließen in die Steuerung der Anlagen, in die Produktdokumentation und in Analysen ein. Die Intelligent Software Solutions stehen hierbei im Fokus einer zukunftsfähigen Entwicklung. Ob die Anlagen nun zentral von einem Terminal aus oder wireless und ortsunabhängig über einen Tablet-PC überwacht und gesteuert werden, ist je nach Bedarf machbar und wird im Kundenprojekt individuell geplant. Die Datenmengen werden immer größer und notwendig ist, selbst Herr über die Daten – und ihre Sicherheit – zu bleiben.

Eine der großen Herausforderungen bei Industrie 4.0 ist die Datensicherheit. Einem globalen Datenaustausch sensibler Produktions- und Unternehmensdaten sehen auch viele Global Player noch skeptisch entgegen. Indes gibt es Unternehmen, die die Gedanken, auf die das Projekt Industrie 4.0 basiert, intern mit eigenen Entwicklungen schon längst umsetzen.

Markus Mittermair

ist Leiter Softwareentwicklung von Rehm Thermal Systems

(jck)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Rehm Thermal Systems GmbH

Leinenstraße 7
89143 Blaubeuren
Germany