Was bedeutet eClass und wie sehen die Neuerungen des aktuellen Release aus?
Axel Zein: Vor knapp zwanzig Jahren starteten zwölf deutsche Unternehmen die Initiative eClass mit dem Ziel eines eindeutigen ISO/IEC-konformen Datenstandards für Produkte und Dienstleistungen. Dazu zählen etwa bessere und umfassendere elektrotechnische Stammdaten sowie deren leichterer Datenaustausch zwischen Anwendungen unterschiedlicher Hersteller. Die Grundlage dafür schafft eClass mit seinen Meta- und Produktdaten. Mit der Informationstiefe und der einheitlichen Datenstruktur lassen sich mit dem offenen Klassifizierungssystem betriebsinterne und übergreifende Abläufe optimieren.
Welche Vorteile bringt eClass dem Anwender konkret?
Thomas Schubbach: Effizienzsteigerung und Kostensenkung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. In der Elektroplanung lassen sich durch den elektronischen Produktdatenaustausch komplette Gerätekataloge einfach weitergeben oder übernehmen, beispielsweise die Artikelliste eines Projekts vom Maschinenbauer zum Schaltschrankbauer. Das Engineering erhält eine vertikale und horizontale Datendurchgängigkeit, die sämtliche nachfolgenden Prozessschritte mit den jeweils benötigten Daten in hoher Qualität versorgt.
Dann dürfte die Akzeptanz von eClass als Datenformat bei den Komponenten- und Gerätelieferanten eigentlich kein Thema sein?
Thomas Schubbach: Bei größeren Herstellern wie Siemens, Schneider Electric, Phoenix Contact oder Wago ist eClass ein akzeptierter Standard. Für mittelständische Unternehmen sehe ich gerade einen guten Zeitpunkt, in den Standard zu investieren.
Und bei den E-CAD-Anbietern?
Axel Zein: Als Hersteller und Lieferant einer umfassenden E-CAD-Lösung sind wir überzeugt, dass eClass ein zukunftsweisender Standard ist. Unsere Anwender profitieren von einer Engineering Software, die im Gesamtprozess eingebunden ist. Deshalb hat eClass bei uns hohe Priorität und wir arbeiten beim Implementieren dieses Standards mit. Natürlich gibt es bei den E-CAD-Anbietern unterschiedliche Interessen: Während kleinere das wahre Potential von eClass erkennen, zeigen größere E-CAD-Anbieter manchmal weniger oder nur vorgeschobenes Interesse. Letztere versuchen eher, ihre Marktposition durch ein eigenes Datenformat abzusichern.
Warum hat sich eClass denn noch nicht überall durchgesetzt?
Axel Zein: Es gibt immer wieder Versuche von Unternehmen, eigene Produktstandards am Markt durchzusetzen. Außerdem ist eClass ein sehr umfassender Standard über viele Branchen, Disziplinen und Unternehmen hinweg. Da gibt es viel Abstimmungs- und Klärungsbedarf. Auch variieren die Interessen der Parteien über die Jahre hinweg, das führt zu schnelleren und langsameren Projektphasen. Ein gutes Beispiel ist die Erstellung der ISO 10303 (STEP). Das dauerte viel länger und nahm nochmals Jahre in Anspruch bis sich der Standard tatsächlich in der Arbeitspraxis für den Austausch von CAD-Daten durchgesetzt hat.
Wieso gibt es bis dato keine einheitlichen Datencontainer oder Datenbank mit einem einheitlichen Interface, auf den die unterschiedlichen E-CAD-Systeme zugreifen können?
Axel Zein: Eine interessante Frage. Aus unserer Sicht gibt es drei Gründe. Zum einen sieht es so aus, als wenn ein bestimmter Player am Markt wenig Interesse zeigt, einen solchen Standard zu etablieren. Dadurch würde sein System ein Stück weit offener werden. Zum anderen, gibt es im Bereich E-CAD den Ruf nach einer Standardisierung der Produktdaten noch nicht allzu lange – aber es gibt ihn. Wir haben daher schon 2015 reagiert, indem wir auf unserem Online-Portal wscaduniverse.com Datensätze in den E-CAD-Formaten Wscad und Eplan-EDZ zur Verfügung stellen. Seit 2017 ergänzen wir die Daten zusätzlich mit 3D-Daten im STEP-Format.
Und der dritte Grund?
Axel Zein: Die Technologie ändert sich im Rahmen von Industrie 4.0 ständig. Die Dynamik neuer Techniken und Einsatzmöglichkeiten ist enorm. Ein Standard muss hier nachziehen, was sehr aufwändig ist.
Warum machen Anwender keinen Druck, um die Unterstützung von neutralen eClass-Datensätzen voranzutreiben, bei den Komponentenliederanten wie auch den E-CAD-Anbietern?
Thomas Schubbach: Viele Anwender können vermutlich noch ohne größere Einschränkungen mit herkömmlichen Datenportalen in gewohnter Weise arbeiten. Für die reine E-CAD-Konstruktion bekommen sie in der Regel alle erforderlichen Daten geliefert. Mit der voranschreitenden Digitalisierung und Anpassung der Prozesse in den Unternehmen aber werden die Mehrwerte von eClass nicht nur ersichtlich, sondern höchstwahrscheinlich unumgänglich. Um in größerem Umfang die Elektrokonstruktion zu automatisieren, müssen Unternehmen ihre Prozesse einheitlich und durchgängig digitalisieren und standardisieren, also für einen abteilungs- und Gewerke übergreifenden Austausch sorgen. Dieser Weg entspricht der Philosophie von Wscad.
Siemens will eClass beim Automation Designer und dem neuen Modul Electrical Design unterstützen. Wie weit ist Wscad in Sachen eClass?
Axel Zein: Auch wir unterstützen eClass Advanced und werden diesen neuen Standard mittel- bis kurzfristig in unsere E-CAD-Lösung einbinden. Längerfristig müssen wir sehen, wie sich eClass weiterentwickelt. Vom Grundgedanken her geht an einem offenen und allgemein akzeptierten Standard kein Weg vorbei. Damit werden proprietäre Datenformate für Produktstammdaten obsolet. Dies vereinfacht die Entwicklung für uns als Hersteller genauso wie für alle Komponentenhersteller und nutzt letztlich unseren Anwendern.
Eplan will offenbar in Verbindung mit oder auf Basis von eClass ein komplett neues Datenformat für die E-CAD-Datensätze implementieren. Wie sehen Sie das?
Axel Zein: Scheinbar wird eClass unterstützt aber dennoch ein proprietäres Format beibehalten beziehungsweise dieses sogar durch ein neues ersetzt. Da stellt sich die Frage nach dem ‚warum?’. Das Ganze verursacht doch Mehraufwand bei allen Beteiligten, bei den Komponentenherstellern, den Anwendern und auch bei den Softwareanbietern. Wenn man bedenkt, dass derzeit die eClass-Daten verschiedener Hersteller nicht vollständig kompatibel sind, dürfen wir gespannt sein, was implementiert wird.
Und wie sieht ihr Businessmodell in Sachen Produktdaten aus?
Axel Zein: Es gibt keines. Auf unserem Portal kann man sich nach einer Registrierung die Daten kostenlos downloaden. Durch die Diversität der Datenformate erreichen wir nicht nur Wscad- sondern auch Eplan-Kunden. Und beide Gruppen profitieren von den STEP-Daten, beispielsweise im Schaltschrankaufbau. Wir betreiben mit den Produktstammdaten kein Profitcenter. Uns geht es um Datenqualität und Kundenzufriedenheit von Anwendern und Komponentenherstellern. Deshalb ist auch die Einstellung und Bereitstellung der Datensätze für Hersteller grundsätzlich kostenlos. Bei der Erstellung und Qualitätssicherung setzen wir auf einen gesunden Mix zwischen Hersteller und Wscad.
Wieviel Aufwand steckt Wscad in die Implementierung von eClass und wie ist der Stand bei ihrer Online-Datenbank?
Thomas Schubbach: Wir haben gerade unsere E-CAD Artikeldatenbank wscaduniverse.com in der zweiten Version veröffentlicht. Neben technischen Verbesserungen und Erweiterungen gehört auch eClass mit dazu. Wir sprechen mit allen Herstellern, wie und bis wann sie Datensätze für ihre Komponenten bereitstellen können oder wollen. Unser Ziel ist ganz klar, eClass in unserer Datenbank möglichst einheitlich zur Verfügung zu stellen. Mit 1,4 Millionen Datensätzen von 276 Herstellern treiben wir hier einen sehr hohen Aufwand, um den Standard voran zu bringen.
Die Erweiterung der Datensätze mit eClass ist mit Aufwand verbunden. Wer ist davon am meisten betroffen?
Thomas Schubbach: Die Erweiterung der Datensätze wird derzeit von den Komponentenlieferanten selbst oder deren Dienstleister erbracht. Das bedeutet natürlich Aufwand und erschwert die Umsetzung des Standards. Deshalb arbeiten wir daran, eClass-Daten basierend auf einem Grundstock an Informationen in wscaduniverse.com mehr oder weniger automatisiert bereitzustellen. Man könnte das als Industrie 4.0 für Produktstammdaten bezeichnen. Der Hauptvorteil entsteht hier für Komponentenhersteller, unsere E-CAD-Anwender merken von diesem Aufwand im besten Fall sogar gar nichts.
Das Interview führte IEE-Chefredakteur Stefan Kuppinger
WSCAD auf der SPS 2019: Halle 6, Stand 328
Daten-Import leichtgemacht
Die Funktionserweiterungen E-CAD-Lösung Wscad Suite X Plus versprechen Erleichterungen bei den alltäglichen Planungsprozessen. Verantwortlich dafür sind ein neuer Editor, App-Erweiterungen und die Daten-Schnittstellen.
Neben einer besseren Performance stellte Wscad-Geschäftsführer Dr. Axel Zein die 100%-ige Kompatibilität zu DXF- und DWG-Daten bei der Preview in München als Highlight heraus. Pläne, die im DXF- beziehungsweise DWG-Format vorliegen, lassen sich ab dieser Version im Original-Datenformat mit der CAD-Version Suite X bearbeiten. Die bisher erforderliche Konvertierung und der damit verbundene Zeitaufwand für den Import und den späteren Export entfällt.
Ein häufiges Problem, speziell im Bereich Gebäude sind aktuelle Grundriss- und Leitungspläne. „Diese PDF- oder DXF-Daten fehlen oft“, so Dr. Zein. Statt aufwendiger Neuvermessung und Neuzeichnung der Pläne, steht mit der App ‚Building AR‘ künftig eine wesentlich effektivere Alternative zur Verfügung: Gebäudetechniker, Elektroinstallateure, Elektroplaner oder auch Privatanwender können mit einem Tablet den Raum scannen und bekommen exakte elektronische Grundrisse für die weitere Planung.
Diese App wie auch die zweite App ‚Cabinet AR’ stehen demnächst im App Store von Apple und bei Google Play zur Verfügung. Erweitert wurde auch der Cloud-Speicher: Neben Microsoft OneDrive und Dropbox werden nun auch Google Drive und Apple iCloud als mögliche Ablageorte für Pläne und Unterlagen unterstützt.
(sk)