Herr Winkelmann, welchen Anspruch hat die NürnbergMesse in Punkto elektrische Sicherheit?
Stefan Winkelmann:Wir betreuen als Technisches Gebäudemanagement der Nürnberg Messe ein sehr weitläufiges Gelände mit 15 Messehallen und verschieden Kongress- und Bürogebäuden. Die sichere Versorgung unserer Aussteller, Besucher und Mitarbeiter mit Strom ist Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Messebetrieb. Eine kritische Ressource für alle Veranstaltungen ist die Stromversorgung. Deshalb haben wir begonnen, eine Differenzstromtechnik mit kontinuierlicher RCM-Messung flächendeckend zu installieren.
Wie wurde bis dato die Energieverteilung geprüft?
Stefan Winkelmann: Klassisch, also durch manuelle Messungen. Die jetzt automatisierten Berichte zu Differenzströmen bilden die Grundlage für Messungen ohne Abschalten nach DGUV Vorschrift 3. Zudem nutzen wir Powerscout, um sämtliche Werte der Netzqualität lebenslang zu erfassen.
Was waren Ihre Beweggründe für die Errichtung einer dauerhaften RCM-Messung?
Stefan Winkelmann: Die technische Abteilung besteht aus den Bereichen, Facility-Service, technisches Gebäudemanagement für die haustechnischen Anlagen sowie der Bauabteilung für Neubauten.
Alle drei Abteilingen kümmern sich auch um die Elektrotechnik. Die große Zahl an Elektroverteilungen macht es nahezu unmöglich alle ständig zu überwachen und regelmäßig zu kontrollieren.
Stefan Winkelmann: Hinzu kommt, dass betriebsbedingt stets mehrere Personen gleichzeitig in die elektrischen Anlagen eingreifen und zusätzlich Aussteller und Besucher ihre Geräte anschließen, deren Qualität wir nicht einschätzen können.
Aufgrund der Größe und Struktur des gesamten Geländes ist es uns nicht mehr möglich, diese Überwachung durch normale Rundgänge unseres technischen Personals abzudecken und alles im Blick zu behalten.
Welche Alternativen zur permanenten RCM-Messung hatten Sie?
Stefan Winkelmann: Alternativ hätten wir mit entsprechender Manpower arbeiten können: Unsere Servicepartner beauftragen und entsprechende Wartungsverträge abschließen, eigenes Fachpersonal aufbauen oder eine einmalige Bewertung beauftragen. Diese wären jedoch dauerhaft hohen Kosten verbunden. Daher setzen wir auf die technische Variante.
Welche technischen Aspekte sind Ihnen wichtig?
Stefan Winkelmann: Für die dauerhafte Überwachung, Auswertung und Dokumentation gibt es gute technische Lösungen. Hier muss man mit der Zeit gehen. Bei der Alternative, einer manuellen Überprüfung, beträgt der Rhythmus drei Jahre. Die Gefahr, dass ein neuer Fehler über mehrere Monate unbemerkt bleibt, ist hier sehr groß.
Im Gegensatz dazu gibt uns eine kontinuierliche Messung der Isolationswiederstände die ständige Gewissheit, dass sich die elektrische Anlage in einem betriebssicheren Zustand befindet. Störungen erkennen wir jetzt frühzeitig. Ein zusätzlicher Vorteil ist das umfangreiche Monitoring, das Langzeitverläufe und Abhängigkeiten mit anderen Ereignissen aufzeigt – über das Web-Portal bei Bedarf jederzeit und weltweit. Und die ständige Aufzeichnung und Dokumentation sorgt für Rechtssicherheit.
Welche Erfahrungen haben Sie nach den ersten Monaten gesammelt?
Stefan Winkelmann: Kurz nach der Errichtung des Systems haben wir tatsächlich einen Fehler festgestellt, den wir mit der klassischen Methode vermutlich lange nicht entdeckt hätten. In einem Bürobereich hatten drei Warmwasserbereiter einen Serienfehler und erzeugten einen sehr hohen Fremdstrom – allerdings nur, wenn Warmwasser verbraucht wurde.
Manuelle Messungen werden zwar weiterhin parallel laufen, jedoch setzen wir kontinuierlich auf die technische Variante.
Wo sehen Sie die Unterschiede bei einer Neuinstallation zur Nachrüstung im Bestand?
Stefan Winkelmann: Bei Bestandsanlagen lassen sich die Standard-Stromwandler teilweise nur schwer einbringen. Inzwischen gibt es aber spezielle Flex-Wandler, mit denen auch nachträglich große Leiterquerschnitte und sogar Stromschienen umfasst werden können.
Wie werden Sie sich für weitere Bauabschnitte entscheiden?
Stefan Winkelmann: Das System hat unsere Erwartungen zu 100 Prozent erfüllt. Daher werden wir in naher Zukunft eine Nachrüstung über das gesamte Gelände durchführen und unsere Anstrengungen diesbezüglich beschleunigen. Neuanlagen werden von Anfang an mit dieser Technik ausgestattet.
Und ihre bisherige Überwachungstechnik läuft parallel weiter?
Stefan Winkelmann: Wir haben bereits ein umfassendes Energiemanagementsystem im Haus, in das mehr als 1000 Energieverbrauchszähler für Spannung, Frequenz und Oberwellen eingebunden sind. Auf diese Daten können wir für eine noch gezieltere Auswertung über Powerscout zugreifen und nutzen.
Das Interview führte Matthias Niedermann
Bender auf der SPS IPC Drives 2017 Halle 4, Stand 351
(sk)