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"Digitale Plattformen werden die Grenze von IT und OT aufheben." Armin Pühringer, SAP (Bild: ©zapp2photo - stock.adobe.com)

Auf die schnelle

Das Wesentliche in 20 Sek.

  • Digitale Plattformen werden die Grenze von IT und OT aufheben
  • Die Herausforderungen sind Informationen effektiv zu erzeugen, zu übertragen und für die Applikationen nutzbar zu machen.
  • Am Reifegradmodell geht kein Weg vorbei
  • Ohne standardisierte Kommunikation und Verwaltungsschale gehen wertvolle Daten verloren.

Schon die Definition von IT und OT laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner zeigt auf, welche Veränderungen auf dem Weg zu einer intelligenten Produktion auch auf technischer Ebene zu leisten sind:

Operational Technology (OT) bedeutet: Hardware und Software, die eine Änderung durch die direkte Überwachung und/oder Kontrolle von physikalischen Geräten, Prozessen und Ereignissen im Unternehmen erkennen und verursachen.

Information Technology (IT) bedeutet: Oberbegriff für das ganze Spektrum von Technologien zur Informationsverarbeitung durch Software, Hardware, Kommunikationstechnologien und entsprechende Dienstleistungen. IT beinhaltet nicht Embedded Technologien, da hier die erzeugten Daten nicht für Unternehmensanwendungen erzeugt werden.

Der Ausschluss von Embedded Technologien in der IT-Definition von Gartner erscheint heute schon beinahe überholt, da viele Hersteller von Geräten aus Embedded Systemen heraus Daten für neue Anwendungen auf Unternehmensebene extrahieren. IT/OT-Konvergenz wird so zu einer teilweisen Integration beider Welten führen. So wird die resultierende Schnittmenge zu einem wesentlichen Bestandteil der technologischen Basis einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie.

In den letzten Jahren wurden viele ‚Proof of Concept‘-Projekte durchgeführt, in denen die einzusetzenden Technologien gut verstanden wurden: Anlagenbetreiber haben die Aufgabenstellungen klar definiert. Gerätehersteller öffnen weitere Datenquellen in ihren Produkten. Die IT-Industrie arbeitet an Plattformen und Applikationen. Anbieter industrieller Kommunikation treiben die Standardisierungen und semantischen Standards weiter voran, um die notwendigen horizontalen und vertikalen Kommunikationskanäle weiter auszubauen.

IoT-Projekte werden flügge: Upscaling auf Fabrikebene

Jetzt geht es an die Umsetzung in größeren Pilotprojekten, in denen die Skalierung auf der Ebene von Produktionseinheiten und Fabriken sowie die Integration in die Geschäftsprozesse im Vordergrund stehen. Nach dem Nachweis der technischen Machbarkeit geht es jetzt darum, die intelligente Fertigung als Teil des intelligenten Unternehmens zu realisieren. In anderen Worten: Neue Ansätze zur modularen Fertigung mit vernetzten Prozessen binden sich nahtlos in die Kernprozesse eines Unternehmens ein, das mit intelligenten Systemen und Technologien Wertschöpfung neu generiert. Wichtig ist hier, dass jetzt die gleichen Maßstäbe an die Wirtschaftlichkeit wie in sonstigen Investitionsvorhaben angelegt werden. So stellt sich die Frage, welches die richtigen Schritte sind, um zu beginnen?

Die modulare IoT-Plattform

Beispiel einer modularen IoT-Plattform in der Cloud. SAP

Beispiel einer modularen IoT-Plattform in der Cloud. SAP

Eine Lösung für die Umsetzung der Digitalisierung in der Fertigung muss durchgängig und offen sein, hinsichtlich zweier Aspekte: der beteiligten Geschäftspartner und der Architektur. Die tragenden Säulen für die Fertigung und das zugehörende Lieferantennetzwerk sind dabei der digitale Zwilling und die IoT-Plattform.

Der digitale Zwilling, wie ihn beispielsweise die Verwaltungsschale der Industrie 4.0 Plattform beschreibt, bildet die Produkte und Anlagen in einem Collaborative Asset Management ab. Das SAP Asset Intelligence Network (AIN) baut auf dem digitalen Zwilling der Verwaltungsschale auf und wird in einem Asset Registry durchgängig für weitere IoT-Applikationen verfügbar gemacht. Im AIN wird mit einer durchgängigen Architektur das Zusammenspiel von IT und OT umgesetzt: Durch den Zugriff auf Stammdaten aus den Geschäftssystemen bis hin zu den Live-Daten aus der Produktion. Dieses Zusammenspiel wird implementiert auf der Basis einer digitalen Plattform, der SAP Cloud- Plattform und dem übergreifenden Datenmanagement mit S4/HANA.

OT-Informationen nutzbar machen

Artificial Intelligence / Machine Learning, Analytics oder Blockchain Technologien werden über die SAP Leonardo IoT Foundation mit der SAP-Cloud-Plattform verwendet, um Funktionen für die Optimierung von Anlagen und Prozessen zu realisieren.

Darüber hinaus, liefert auch die Plattform Industrie 4.0 wichtige Impulse zur Standardisierung und Offenheit. Die Verwaltungsschale zur semantischen und funktionalen Beschreibung von digitalen Zwillingen, Standards zur Semantik und Kommunikation wie OPC UA und eClass oder auch Standards zum Informationsaustausch zwischen Systemen wie AutomationML ermöglichen eine gemeinsame Ausrichtung der beteiligten Implementierungspartner.

Zusammenfassend sind in einem ganzheitlichen Ansatz für eine solche IoT-Plattform und das darauf aufbauende geschäftliche Netzwerk diese Leitlinien relevant:

  • Offenheit hinsichtlich der Infrastruktur as a Service, auf der die digitale Plattform implementiert wird.
  • Offenheit für die Anlagenbetreiber, die sich mit ihrem Netzwerk von Lieferanten und Kunden beteiligen.
  • Offenheit für die einzubindenden Hersteller, die ihre Geräte im Collaborative Asset Management und im Asset Registry abbilden.
  • End-to-End-Prozesse müssen auch über Unternehmensgrenzen hinweg mit der Integration der hierfür notwendigen Anwendungen abgebildet werden.
  • Geschäftsprozesse müssen im Fokus stehen: Die Technologie dient als wichtiges Instrument, um Agilität und Innovation bei der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie zu gewährleisten.

So wird die Basis geschaffen für neue Wertschöpfung in einem vernetzten Eco-System. Davon profitieren Anlagenbetreiber, Hersteller und Dienstleistungsanbieter gemeinsam.

Vorteile für alle Partner

Diese modular aufgebaute IoT-Architektur bietet allen Beteiligten Vorteile in zweierlei Hinsicht: Verbesserter Einsatz der Assets und wirtschaftliche Vorteile.

Für den Betreiber steht die Optimierung von bestehenden und neuen Anlagen im Vordergrund. Ein unternehmensweites Asset-Management mit der Virtualisierung seiner Assets durch die Abbildung des Lebenszyklus von der Entwicklung bis zum Betrieb bildet für den Betreiber der Assets die Basis für viele Vorteile:

Die Anlagenkapazität wird erhöht durch Optimierung der Assets und Verringerung von ungeplanten Ausfällen. So wird eine höhere OEE (Overall Equipment Effectiveness) erreicht, die wiederum ein besseres ‚Return on Assets‘ (Rendite des für die Anlage eingesetzten Kapitals) zur Folge hat. Darüber hinaus kann auch die Sicherheit des Betriebs von Anlagen unterstützt werden.

Die Betriebskosten für Wartung und Instandhaltung werden durch die Optimierung von Wartungszyklen durch vorrausschauende Wartung verringert. So ergibt sich eine bessere Planbarkeit der Instandhaltungskosten gegenüber dem Budget.

Hersteller von Geräten, Automatisierungskomponenten, Maschinen oder Robotern werden vermutlich neue Geschäftsmodelle mittels Digital Services aufbauen. Auf Basis der modularen IoT-Plattform kann er mithilfe der vertikalen Kommunikation mit seinen Geräten im Feld Daten austauschen und so neue Applikationen als Digital Services anbieten. Die Analyse von (Sensor-)Daten und Zustandsinformationen seiner Assets ist damit für den Hersteller wichtig, um seine eigene Zukunft mit Software-basierten Angeboten zu gestalten und diese Ziele zu erreichen:

Der Hersteller will verstehen an welchem Standort und in welcher Anlage seine Produkte eingesetzt sind und wie sie genutzt werden. Damit kann er den After Sales Support besser steuern, kürzere Reaktionszeiten anbieten und die Investitionen für den After Sales Support gezielter einsetzen. Für die Produktentwicklung sind die Informationen ebenfalls wesentlich, um die Nutzung zu verstehen und entsprechende Schwerpunkte in der Entwicklung zu setzen.

Für viele Hersteller fokussiert sich die Digitalisierungsstrategie auf die Weiterentwicklung vom reinen Hardware- Anbieter zum Anbieter von digitalen Produkten und Leistungen mit neuen Angeboten und neuen Geschäftsmodellen die auf Pay-per-Use oder Pay-per-Performance basieren. Hier bietet eine modulare IoT-Plattform den großen Vorteil, dass der Hersteller sich auf seine Kernkompetenzen und Know-How rund um das eigene Portfolio und dessen Anwendung konzentrieren kann. Er kann die Infrastruktur einfach nutzen und damit sogar seine eigene Plattform aufbauen, um so auch Maßnahmen zur Stärkung der Corporate Identity umzusetzen als „Connected Partner“ der Industrie.

Für Serviceanbieter ergeben sich mit Digital Services ebenfalls neue Geschäftsmöglichkeiten. Teilweise gründen Hersteller selbst eigene Serviceunternehmen als Spin-off, die sich auf die neuen Geschäftsmodelle besser fokussieren können, oder unterstützen diese durch weitere Akquisitionen.

Systemintegratoren erkennen die Chance, ihre Aufwendungen für das Engineering von Anlagen zu verringern. Auch bei Wartung und Instandhaltung der Anlagen kann der Systemintegrator nicht nur neue Angebote definieren, sondern schon beim Verkauf der Anlagenintegration präzise Zusagen hinsichtlich Verfügbarkeit und Gewährleistung besser absichern.

Wichtig für alle beteiligten Partner ist, dass die Datenhoheit über Produktionsdaten beim Anlagenbetreiber verbleibt, der diese anonymisiert oder nach anderer Absprache mit seinen Partnern für den Zugriff auf die entsprechenden Geräte oder Maschinen freigibt.

Aspekte der Implementierung

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Das IoT-Reifegradmodell mit typischen Applikationen. SAP

Die Implementierung von IoT-Plattformen für Produktion und Logistik erfolgt heute mit intelligenten Applikationen, die mit Echtzeitdaten, Analytics, Machine Learning und Künstlicher Intelligenz arbeiten. Eine schrittweise Integration in die IT- und OT-Umgebung hat sich als notwendig und sinnvoll herausgestellt. In einem IoT-Reifegradmodell lässt sich diese schrittweise Integration vom ersten Proof of Concept über die Pilotierung in größeren Anlagen bis zur Umsetzung als Geschäftsmodell abbilden. So kann ein Unternehmen den eigenen Fortschritt und Status bei der Digitalisierung analysieren. Zwei Aspekte des Reifegradmodells sind für die IT/OT-Konvergenz wesentlich:

Der Einstieg in einen bestimmten Reifegrad kann nur auf Basis der vorherigen Reifegrade erfolgen. Wenn zum Beispiel keine Echtzeitdaten aus der Produktion verfügbar sind, dann lassen sich verlässliche Vorhersagemodelle nur bedingt erstellen.

Je höher die Implementierungsstufe, desto höher ist auch der wirtschaftliche Nutzen. Während bei Reifegrad 1 und Reifegrad 2 noch die Investitionen für Konnektivität und Engineering im Vordergrund stehen, entsteht bei der Implementierungen auf Höhe der Reifegrad-Ebenen 4 und 5 echte Wirtschaftlichkeit durch Kosteneinsparungen und neue Umsatzpotenziale.

Dieses IoT-Reifegradmodell aus der IT lässt sich sehr gut mit dem Stack für die vertikale Kommunikation aus der OT in Zusammenhang bringen: Ein bestimmter Reifegrad basiert auf den zugrundeliegenden Kommunikationstechnologien und semantischen Standards. Im Bereich OT korrelieren Reifegradmodell und die Schichten der vertikalen Integration. Im Bereich der IT stellen die Schichten 4 und 5 gemeinsam den Reifegrad 4 dar. Die Geschäftsprozesse, die auf den entsprechenden Modellen basieren, entsprechen dem Reifegrad 5 mit der Umsetzung der IoT-Strategie in Geschäftsmodelle.

Diese Schichten der vertikalen Kommunikation unterstützen so eine vertikal durchgängige Architektur für die Digitalisierung der Produktion und Logistik. Also sind auch offene Standards, von der Netzwerktopologie bis zur Ebene der Informationsmodelle genauso wie auf der Ebene der Verwaltungsschale, für den digitalen Zwilling unabdingbar.

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Vertikale Kommunikation und Integration von IT und OT: Ohne standardisierte Kommunikation und digitalen Zwilling gehen viele wertvolle Informationen verloren. SAP

Vertikale Kommunikation ist essenziell

Die vertikale Kommunikation stellt somit das technische Fundament für die Konvergenz von IT und OT bereit. Auf allen fünf Schichten werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln die folgenden Architekturelemente und Datenstrukturen implementiert:

  • Sichere Identitäten, die eine eindeutige Zuordnung von physikalischem Asset und der virtuellen Instanz als digitaler Zwilling gewährleisten.
  • Daten mit gültiger Semantik werden von anderen Schichten erhalten und weitergegeben.

Es werden Informationen über die Struktur und Zusammenhänge der jeweiligen Objekte (Assets) als Topologie-Informationen benötigt.

Jede Schicht ist Teil einer Sicherheitsarchitektur.

Darum sind diese Technologieebenen und ihre Standardisierung wichtig: Sie ermöglichen das automatische Onboarding der Assets bei Bestandsanlagen genauso wie bei Neuanlagen. Das automatische Onboarding wiederum ist unabdingbar für die Integration von umfangreichen Anlagen in das Asset-Management.

Eine weitere wichtige Frage ist: Wie hoch ist die Synergie zwischen den verschiedenen Ebenen? Ohne Standardisierung auf den Schichten L1 bis L3 (Feldebene bis zum OPC-UA-Informationsmodell) gehen bei einer vertikalen Kommunikation viele Information verloren; Informationen die alternativ dann in der Verwaltungsschale (L4) oder abstraktes IT-Model (L5) nachgebildert werden müssten, obwohl sie in den OT-Schichten (L1-L3) vorhanden sind, aber oben mangels Standardisierung nicht ankommen.

Standards für Kooperationen notwendig

Genauso wie die durchgängige Integration von Applikationen und Kommunikation erforderlich ist, muss auch die Kooperation zwischen den beteiligten Partnern gestaltet werden.

Das Verhältnis von Kunde zu Lieferant muss um eine Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen für Betreiber und Hersteller erweitert werden. Der Betreiber schafft in seiner Produktion die Voraussetzungen für Reifegrad 1 und 2 und unterstützt Hersteller bei Implementierungen der Reifegrade 2 bis 4. So werden die Geschäftsmodelle des Reifegrads 5 möglich, die dann auch aus Sicht der Betreiber die Wandlung von Investitionskosten (CAPEX – Capital Expense) in Betriebskosten (OPEX – Operational Expense) ermöglichen. Diese Partnerschaftsmodelle werden realisiert mit offenen Architekturen, standardisierten und offenen Schnittstellen und einem Wegfall von Herstellerabhängigkeiten aufgrund der bislang proprietären Lösungen.

Perspektive der Digitalisierung

Digitale Plattformen der Zukunft werden die Grenze von IT und OT aufheben und die Definition beider Begriffe verändern. Die Hersteller können die Wertschöpfung wesentlich erweitern hin zu einem Software-basierten Angebot.

Die Herausforderung wird für alle sein, die benötigten Informationen effektiv zu erzeugen, zu übertragen und für die Applikationen nutzbar zu machen. Das heißt, die Information vertikal ohne Verluste verfügbar zu machen und genauso horizontal für die Wertschöpfung der Geschäftsprozesse zu nutzen.

Jetzt kommt es für Unternehmen darauf an, eine Digitalisierungsstrategie mit wirtschaftlichen Investitionen auf Basis der eigenen, bestehenden Wertschöpfung und Kunden- und Lieferantenbeziehungen umzusetzen.

Armin Pühringer

SAP Leonardo & Analytics Advisor, SAP Deutschland SE & Co.KG in Düsseldorf

(sk)

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