Längst vorbei ist die Zeit von hintergrundbeleuchteten Leisten mit grauen Knöpfen, gekennzeichnet mit unklaren Symbolen, schlecht aufgeteilten LCDs oder Drehelementen. An ihrer Stelle sehen wir eine Reihe neuer Technologien, die Karten deutlicher zeigen, verbesserte Status-Updates über die On-Board-Systeme des Fahrzeugs geben und die umfassende Integration von Geräten im Fahrzeug ermöglichen. Außerdem bieten sich dem Fahrer beziehungsweise allen Passagieren mehr Möglichkeiten, das Fahrzeuginnere entsprechend ihrer Persönlichkeit, Stimmung und ihren Wünschen anzupassen, wie etwa mit einer individuellen Innenraumbeluchtung.
Seit der Markteinführung der ersten MP3-Player mit kapazitiven Scrollrädern vor zehn Jahren verfolgt Atmel den Ansatz, diese Technologie voranzutreiben. Millionen von Menschen weltweit nutzen diese Technik täglich, etwa bei Smartphones, Kaffeemaschinen oder Waschmaschinen. Allerdings bleibt eine Frage bis jetzt unbeantwortet – welchen Einfluss werden kapazitive Touch-Elemente im Automotive-Bereich haben? In seiner AvantCar genannten Mittelkonsole hat Atmel ein Zukunftskonzept für Fahrzeuginnenräume umgesetzt, das bereits erhältliche, selbstentwickelte Technologien zu einem innovativen Gesamtsystem zusammenführt und bereits heute in ein Fahrzeug eingebaut werden kann.
AvantCar-Konzept
Das AvantCar-Konzept geht an die Grenzen des Machbaren. Das auffälligste Design-Element ist das glatte und dynamische Profil der Mittelkonsole mit seiner gebogenen Oberfläche. Der obere Teil der Konsole beinhaltet das Navigationssystem, während sich darunter eine ebenso große Fläche mit übersichtlichen Knöpfen befindet, mit denen sich das Musiksystem sowie Komfortoptionen nach individuellem Bedarf einstellen lassen. Allerdings sind diese keineswegs mechanisch, sondern Teil eines Touchscreens. Insgesamt verfügt die Mittelkonsole über zwei Touchscreens, jeweils in den Abmessungen eines größeren Tablets, welche Entwicklern entsprechenden Spielraum für die Gestaltung der Benutzeroberfläche bietet. Beispielsweise steuert der untere, grafisch in zwei Berührungszonen geteilte, Bildschirm Licht, Klimaanlage sowie das Multimedia-Center. Um Ablenkungen zu vermeiden, ermöglichen klare Symbole den Zugang zu einer umfangreichen Benutzeroberfläche. So bietet etwa eine Berührung des Bereichs für die Klimaanlage im Anschluss eine Vielzahl weiterer Optionen an, die eine detaillierte Steuerung ermöglichen. Sobald eine andere Funktion (wie zum Beispiel Multimedia) ausgewählt wird, wandert die Darstellung in einen freien Bereich des Bildschirms oder rückt ganz in den Hintergrund.
Durch die Bereitstellung einer „leeren Leinwand“ als HMI-Startpunkt eröffnet das AvantCar-Konzept viele neue Möglichkeiten der Interaktion mit den Fahrzeugsystemen, denn damit lassen sich individuelle Einstellungen realisieren, was im Smartphone- und PC-Bereich längst eine Selbstverständlichkeit ist. Das Umsetzen neuer Fahrzeugmerkmale oder eine Modellüberarbeitung ist damit vergleichsweise kostengünstig möglich. Die interessanteste und zugleich eindrucksvollste Eigenschaft ist allerdings, dass sich die Mittelkonsole nach ihrem jeweiligen Nutzer richtet. Möchte etwa der Fahrer seine Sitzheizung einstellen, so erscheinen die notwendigen Symbole nur auf seiner Seite des Bildschirms. Möchte der Beifahrer das Gleiche tun, wird nur seine Seite angesteuert. Dies erleichtert die Handhabung, und der Fahrer kann sich schneller wieder dem Verkehr zuwenden. Auch die Integration von Smart Devices sowie anderer Multimedia-Anwendungen, wie man sie von Smart Phones, Tablets und Apps kennt, ist damit möglich.
Sensortechnologie XSense
Eines der beiden wichtigsten Elemente des kapazitiven Touch-Designs sind die Sensoren. In den ersten Sensoren für Smartphones und Tablets diente Indiumzinnoxid (ITO) als elektrischen Leiter. Hierfür wurde das ITO auf einen Kunststoffträger aufgetragen und auf eine Plastik- oder Glasscheibe laminiert. Leider sind einige Eigenschaften des Indiumzinnoxid nicht optimal. Die Lichtdurchlässigkeit des Materials im Vergleich zu Alternativen hat zur Folge, dass zum Erreichen einer vergleichbaren Helligkeitsstufe eine stärkere Hintergrundbeleuchtung erforderlich ist. Das führt zu einem höheren Energiebedarf und Herausforderungen bei der Wärmeableitung. Ein weiterer Risikofaktor ist dabei das begrenzte Vorkommen von Indium. Außerdem ist ITO leicht zerbrechlich und nicht biegbar. Schließlich hat ITO einen relativ hohen Widerstand, was eine hohe Empfindlichkeit gegenüber elektrischen Störquellen in Verbindung mit den Messmethoden zur Berechnung der Kapazität der Knoten auf der Touch-Oberfläche bedeutet.
AvantCar-Konzept
Das AvantCar-Konzept verwendet erfolgreiche Technologien, über die aktuelle Serienfahrzeuge bereits verfügen. AvantCar verknüpft diese Technologien und vermittelt einen Eindruck davon, wie Mittelkonsolen in wenigen Jahren wirklich aussehen können.
Atmel nutzt bei den XSense-Touch-Sensoren Kupfer als Material für die Sensorelektroden – ein Element, das ausreichend vorhanden ist und außerdem einen sehr viel niedrigeren Leistungswiderstand als ITO aufweist. Dadurch bietet XSense ein besseres Signal, das zur Fingererkennung dienen kann, während die Sensoren gleichzeitig auch weniger anfällig für Störquellen sind. Durch das Auftragen des Metalls auf einen dünnen Träger lässt sich der daraus entstehende Sensor auch an gebogene Oberflächen und Ecken anbringen, was neue Freiheiten für Produktdesigner zur Folge hat. Obwohl Kupfer eine unterdurchschnittliche Lichtdurchlässigkeit aufweist, bewirkt die Konstruktionsart des Sensors, dass es mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen ist und so mehr Licht vom Display durchlässt. AvantCar verfügt über zwei gebogene XSense-Sensoren im oberen Teil der Konsole.
Touchscreen-Controller maXTouch
Das zweite wichtige Element des touch-basierten Designs ist die Elektronik, welche die Sensordaten der Touchscreen-Knoten bei Berührungen und Gestensteuerung verarbeitet. Auch wenn sich die Funktionalität einfach beschreiben lässt, so liegt die Herausforderung in der Umsetzung. Touchscreens verfügen üblicherweise über hunderte Knoten, die ständig und schnell verarbeitet werden müssen. Dies ist nicht so einfach, wie es klingt, denn jeder Knoten hat eine Kapazität von wenigen Picofarad, und das Auflegen eines Fingers führt zu einer Veränderung von Bruchteilen von Picofarad. Zusätzlich müssen die Algorithmen binnen Millisekunden erfolgreich zwischen einer falschen, absichtlichen oder unbeabsichtigten Berührung unterscheiden können. Außerdem müssen Bewegungen, die Gesten wie etwa Zoom oder Wischen darstellen, binnen wenigen hundert Millisekunden erkannt werden. Nur wenn dies zuverlässig erreicht wird, ist das System reif für die Integration in ein Fahrzeug ohne dass eine schlechte Erkennung die Bedienung erschwert. Mit ihrer analogen Sensor-Verarbeitung sowie dem integrierten Post-Processing bieten Atmels maXTouch-Geräte hierfür die richtigen Voraussetzungen.
Die Abfrage einer Touch-Oberfläche stellt hohe Anforderungen an die Echtzeit-Verarbeitungsprozesse. Das analoge Frontend der maXTouch-Lösung sorgt dafür, dass das Eingangssignal in höchstmöglicher Qualität für das digitale Post-Processing zur Verfügung steht. Das digitale Backend lässt sich umfangreich konfigurieren und auch dynamisch verändern. Die Geräte filtern verschiedene Störquellen, erkennen die Eingabe mit oder ohne Handschuhe und unterdrücken sogar unbeabsichtigte Eingaben, wie etwa mit dem Handballen. Sobald eine korrekte Berührung erkannt wird, wird sie als Berührung oder Geste samt aller erforderlichen Parameter (Richtung, Geschwindigkeit etc.) kategorisiert. Diese zusammengefaßte Information der Eingabeabsicht des Nutzers an den Host verringert so Reaktionszeit des Gesamtsystems.
Viele aktuelle Fahrzeuge in der Oberklasse sind mit einem Drehknopf ausgestattet, über den beispielsweise die Eingabe von Straßen- oder Städtenamen in das Navigationssystem erfolgt. Seit der Einführung wird dieser Drehknopf als gewöhnungsbedürftiges Instrument gesehen. Mit ihrer Tastrate von bis zu 280 Hz ermöglichen die maXTouch-Produkte in Verbindung mit einem passenden externen Post-Processing die Erkennung von auf dem Touchpad geschriebenen Buchstaben. Dies stellt eine neue Eingabemöglichkeit in einem Fahrzeug dar, die ohne kapazitive Touch-Systemen umständlich wäre.
QTouch-Technologie
Manchmal ist für den Nutzer ein haptisches Element, ähnlich einem mechanischen Eingabelement, von Vorteil – beispielsweise bei der Bedienung der Klimaanlage. In solchen Fällen ermöglicht es die QTouch-Technologie von Atmel, Schieberegler und Drehknöpfe einzubauen, die größere Displays ergänzen. Beim AvantCar gibt es zwei kapazitive Schieberegler am unteren Bildschirm. Sie bieten alternative Eingabemöglichkeiten und ergänzen die Auswahl des Bildschirm-Menüs. Eine kleine Rille an der gebogenen Konsole ermöglicht den Fingern das Auffinden dieser Schieberegler.
Die Software-Bibliothek QTouch erleichtert hierbei die Realisierung kapazitiver Knöpfe, Regler und Räder sowie die Implementierung von Näherungssensoren. Letztere sind mittels eines AVR-basierten Mikrocontrollers auch im unteren Bereich des AvantCar-Konzepts enthalten. Sie erkennen, ob der Fahrer oder der Beifahrer die Konsole bedienen möchte und ermöglichen so die bereits erwähnten individuellen Anzeigeoptionen.
Die Softwarebibliothek unterstützt bis zu 64 kapazitive Kanäle, wobei Schieberegler und Räder jeweils drei Kanäle benötigen und eine Auflösung von bis zu 256 Bit liefern. Die QTouch-Funktionalität lässt sich in vielen 8- und 32-Bit-AVR-MCUs von Atmel implementieren. Ein noch einfacherer Ansatz zur Umsetzung ist mithilfe funktionsspezifischer Produkte möglich, die eine festgelegte Funktionalität aufweisen und ebenfalls den Anforderungen im Automotive-Bereich entsprechen.
LIN-basierte Umgebungsbeleuchtung
Heute ist es üblich, seine elektronischen Geräte zu personalisieren – ein Thema, das auch für Automobilhersteller wichtig ist. Das AvantCar-Konzept zeigt, welche Möglichkeiten sich hier bieten, etwa in Form einer Kette von LEDs. Die Besonderheit ist die dabei verwendete Steuerschnittstelle, der LIN-Bus, der es ermöglicht, eine Vielzahl von Modulen miteinander zu verbinden und dabei nur die Stromversorgung sowie eine LIN-Verbindung benötigt, was Gewicht und Komplexität auf ein Minimum reduziert. Zwischen dem Systembus und den LEDs befindet sich die in einem 7 mm x 7 mm großen QFN-Gehäuse untergebrachte 8-Bit-Automotive-MCU ATA664251 von Atmel mit integriertem System-Basis-Chip (SBC). Der SBC übernimmt mit seinen robusten analogen Schaltkreisen die Signalgebung der LIN-Bus-Kommunikation und enthält einen mit 5 V/80 mA spezifizierten Spannungsregler, einen Watchdog sowie acht Spannungsquellen mit Schaltern.
Über das Menü-System können Fahrer und Beifahrer bestimmte Lichtoptionen auswählen und ihrer Stimmung anpassen. Die Installation und der Austausch der LED benötigt für jedes Lichtmodul jeweils einen Strang eines dreiadrigen Kabelbaums.
Stephan Thaler
(av)