Da es kein Standard-Setup für die Integration von künstlicher Intelligenz in Geräte und Maschinen gibt, müssen Entwickler sich damit beschäftigen, welche KI-Lösung für ihr Desgin überhaupt passt.

Da es kein Standard-Setup für die Integration von künstlicher Intelligenz in Geräte und Maschinen gibt, müssen Entwickler sich damit beschäftigen, welche KI-Lösung für ihr Desgin überhaupt passt. (Bild: Avnet)

Künstliche Intelligenz (KI) wird mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit. Schon ist sie bei der Bilderkennung in Smartphones alltäglich. KI ist also keine Vision mehr, die weit weg in der Zukunft liegt. Sie ist vielmehr bereits Realität und kann schon heute z. B. für Smart Cities bereitgestellt werden, bei denen Kameras die Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt erkennen können. Für solche und viele weitere Applikationen haben Halbleiterhersteller ihre Embedded-Prozessoren bereits umfassend KI-befähigt. Eingebettete KI wird auf kurz oder lang auch in industriellen Applikationen allgegenwärtig, wie es derzeit klassische Mikrocontroller sind. Schlussendlich ist dies nur die konsequente Weiterentwicklung bisheriger MCUs.

ML ist mehr als nur ein Bauelement

Dies wirft infolge für nahezu jeden Geräte-, Maschinen- oder Anlagenentwickler eine sehr wichtige Frage auf: Wofür lässt sich KI in seiner speziellen Lösung nutzen und wie ist sie zu integrieren? Nach diesen ersten Überlegungen taucht jedoch eine noch viel wichtigere Frage auf. Nämlich: Welche KI-Lösung ist die richtige für mein Design? Es gibt schließlich kein universelles KI-Setup. Entwickler müssen vielmehr unter den unterschiedlichen KI-Lösungsbausteinen das beste Setup für ihre Anwendung finden.

Oft erschließen sich Anwendungsfälle und mögliche Lösungswege zwar von selbst. In dieser Hinsicht ist die KI wie jedes weitere Feature. Bei KI geht es jedoch nicht nur um ein Bauelement oder eine Schnittstelle. Es existiert vielmehr ein komplexes Ökosystem rund um die KI. Da KI im Softwarebereich entstanden ist, sind die wahren Experten beispielsweise nicht nur die Hardwarehersteller, sondern vor allem auch die Softwareunternehmen. Sie haben in unterschiedlichsten Applikationsfeldern nicht selten mehr als zehn Jahre Erfahrung aufgebaut. Um ihre KI-Software auf den Markt zu bringen – insbesondere in vertikalen Bereichen wie Industrie, Medizin und Luft- und Raumfahrt – ist jedoch auch die zur Applikation passende Hardware erforderlich.

Machine Learning für die industrielle Bildverarbeitung

Bei der Entwicklung eines Bildverarbeitungssystems kann die Auswahl des richtigen Bildsensors eine der wichtigsten Entscheidungen sein. Dies gilt umso mehr, wenn ML für die Analyse der Bilddaten verwendet wird. Wenn ML beispielsweise dafür zum Einsatz kommen soll, etwas zu prüfen, was sich schnell bewegt – wie eine Flasche in einer Produktionslinie – muss ein Kameramodul mit einem Global Shutter verwendet werden. Ein Rolling Shutter würde in dieser Anwendung nicht funktionieren, da Bildverzerrungen entstehen und somit Details nicht erfasst werden.

Der Bildsensor muss zudem für die Betriebsumgebung geeignet sein. Bei manchen Anwendungen ist es erforderlich, einen Bildsensor zu wählen, der auch bei schlechten Lichtverhältnissen eine gute Leistung bietet. Diese Überlegungen gab es zwar schon bei der maschinellen Bildverarbeitung, sie werden jedoch noch relevanter, wenn Daten entstehen, die mit Hilfe von ML interpretiert werden sollen.

Da die Daten bei ML von einem Algorithmus und nicht von einem Menschen analysiert werden, bietet sich aber auch die Möglichkeit, weitere Erfassungssensoren in das Bildverarbeitungssystem zu integrieren. Neben Bildsensoren also auch Sensoren mit Laufzeitmessung mittels Licht sowie Radar und Lidar. Daraus folgt wiederum die Notwendigkeit der Sensorfusion. Ihr Ziel ist, die Daten dieser unterschiedlichen Quellen zu einem einzigen Datensatz zusammenzuführen – noch bevor dieser in ein neuronales Netz eingespeist wird. Dies ist ein entscheidender Schritt, denn nur so können die Daten der einzelnen Sensoren homogen an die ML-Instanz übermittelt und ihre jeweilige Relevanz für die endgültigen Entscheidungen gewichtet werden.

ML-Training und Transferlernen in industriellen Applikationen

Die Erstellung eines Demonstrators als Proof of Concept für ML-Applikationen ist zwar nicht mehr so schwierig wie früher. Die Überführung solcher Konzepte in eine produktive Lösung kann jedoch eine Herausforderung darstellen. Zu Demonstrationszwecken lassen sich z. B. Standarddatensätze heranziehen. Oft sind diese Standarddatensätze jedoch nicht für die reale Implementierung in konkreten Applikationen geeignet. Sie müssen oftmals applikationsspezifisch erzeugt werden – vor allem in industriellen Applikationen, bei denen es nicht um die Erkennung von Menschen, Gesten und Mimik oder Beschriftungen geht. Hierzu können Unternehmen beauftragt werden, die Erfahrung mit der Erstellung solcher Daten haben – oder der Anwender muss sie selbst erstellen.

Hierbei können Techniken wie das Transferlernen nützlich sein, bei dem Daten, die für einen bestimmten Anwendungsfall erstellt wurden, auf einen neuen, ähnlichen Anwendungsfall übertragen werden. Eine andere Möglichkeit ist die Erstellung synthetischer Daten durch virtuelle 3D-Modellierung. So lassen sich vergleichsweise schnell besonders viele Bilder erstellen, die zum Trainieren eines ML-Algorithmus Verwendung finden können, ohne dass Aufwand und Kosten für deren physische Erstellung anfallen. Auch können Technologien wie Sparse-Modeling helfen, bestehende KI-Inferenzen durch wenige neue Bilddaten zu optimieren.

Vom Edge zur Cloud und wieder zurück

Die Entscheidung zwischen Edge oder Cloud hängt vom Anwendungsfall ab. Wenn beispielsweise Sicherheit oder Latenz eine besondere Anforderung im Anwendungsfall sind, kann die Edge-Verarbeitung angemessen sein. Wenn die Anwendung jedoch einen Algorithmus erfordert, der kontinuierlich verbessert werden soll, muss auch die Verarbeitung in der Cloud möglich sein. Es kann sogar sinnvoll sein, Daten vom Edge zur Cloud und dann wieder zurückzuschicken. Dies immer dann, wenn ein Produkt an verschiedenen Standorten installiert ist, etwa ein intelligenter Thermostat. Dessen Daten lassen sich vergleichsweise einfach am Edge des Sensors analysieren. Die gemeinsame Nutzung der Daten über die Cloud könnte jedoch zu Verbesserungen des Applikationsalgorithmus führen, die dann schlussendlich wieder an das gesamte Thermostaten-Netzwerk übertragen werden könnten.

Das Hard- und Software-Setup ist entscheidend

Der Einsatz von maschinellem Lernen in der Industrie nimmt zu, was zum Teil dem verbesserten Zugang zu Hochleistungsprozessoren mit leistungsstarker ML-Beschleunigungstechnologie zu verdanken ist. Die Software ist jedoch ein ebenso wichtiger Teil der Gleichung – sowohl beim Training der KI als auch beim Einsatz der KI-Inferenzalgorithmen. Modellierungstechniken und Transfer Learning können helfen. Hardware und Software müssen jedoch Hand in Hand zusammenarbeiten, um einen erfolgreichen Anwendungsfall mit maschinellem Lernen zu realisieren. Welche Lösungsbausteine OEMs schlussendlich hierzu nutzen, um ihre ML-Applikation zur Marktreife zu führen, ist keine einfache Evaluierungsaufgabe. Avnet und seine Lösungspartner für KI und ML unterstützen Entwickler bei der Markeinführung des maschinellen Lernens. (na)

Michaël Uyttersprot

Manager System Solutions, AI/ML & Vision bei Avnet Silica

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