Zusammen mit der DIN EN 60601-1:2006, 3rd edition hat das Deutsche Institut für Normung auch eine Norm für „Home Care“-Geräte eingeführt. Die DIN EN 60601-1-11 beinhaltet Richtlinien, die sich an ME- (Medizinische elektrische) Geräte richtet, deren Betrieb in häuslicher Umgebung erfolgt. Sie ist ohne Übergangsfrist sofort mit ihrer Einführung europaweit gültig und wird als Ergänzung zur Basisnorm als IEC 60601-1-11 definiert.
Auf einen Blick
Auf den Einsatzort kommt es an: wird ein medizinisches Gerät auch im Home Care genutzt, ist es dadurch weiteren einflussnehmenden Faktoren ausgesetzt als wenn es sein Leben in der Klinik fristet. Gemäß der Norm DIN EN 60601-1-11 müssen diese Geräte, also auch die Netzteile, inzwischen den Anforderungen der Schutzklasse II genügen. Aufrüsten lassen sich ME-Geräte nicht, aber ein Netzteil nach Schutzklasse II läßt sich in einer Applikation der Schutzklasse I verwenden.
Den Anforderungen entsprechen
Das Problem bei der bisher gültigen EN 60601-1:1988, 2nd edition, war, dass die dort berücksichtigten Umgebungsbedingungen nicht denen entsprechen, die man in der Praxis vorfindet. Die Norm berücksichtigte nicht, dass sich ME-Geräte auch außerhalb einer kontrollierten und abgesicherten Krankenhausumgebung betreiben lassen. Außerhalb des Klinikgebäudes herrschen eventuell andere klimatischen Umgebungen; mit Regen ist genauso zu rechnen wie mit hohen oder tiefen Temperaturen.
Aus diesem Grunde fordern die neuen Normen für ME-Geräte mindestens die Schutzart IP21. Die Geräte sind gegen senkrecht einfallendes Tropfwasser und auch stärker gegen Schock sowie Vibration zu schützen. Weiter wird berücksichtigt, dass in häuslicher Umgebung oft kein medizinisch ausgebildetes Personal die Gerätebedienung übernimmt. Deshalb muss die Bedienung unmissverständlich für den Laien möglich sein. Auf eine korrekte und verständliche Bedienungsanleitung ist hier zu achten. Auch müssen die Bedienelemente des ME-Gerätes klar angeordnet und farblich korrekt gekennzeichnet sein; beispielsweise sollte man die Signalfarbe „Rot“ ausschließlich für Warnfunktionen verwenden.
Unter die Norm, die im VDE-Normenwerk als VDE 0750-1-11 erscheint, fallen Geräte
- die man in häuslicher Umgebung betreibt,
- die sich ohne professionelle Überwachung benutzen lassen,
- die man auch außerhalb von Behandlungsräumen anwendet (wie in klinischer Umgebung),
- die man häufig an Orten nutzt, an denen die elektrische Spannung beziehungsweise Sicherheitsmaßnahmen nicht zuverlässig sind.
Für Stromversorgungsnetze in medizinischen Einrichtungen gelten spezielle Vorschriften. Details sind in der DIN VDE 0100-710 (Errichten von Niederspannungsanlagen – Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – medizinisch genutzter Räume) festgehalten. Es ist bei elektrischen Anlagen außerhalb von medizinisch genutzten Räumen nicht immer sichergestellt, dass sie zuverlässig funktionieren – oder aber, dass schlechte Erdungsverhältnisse vorliegen.
Es wird gefordert, dass ME-Geräte für den Heimeinsatz zwingend in Schutzklasse II ausgeführt sein müssen. Dieses ist gegeben, wenn das Gerät über ein schutzisoliertes Gehäuse verfügt und kein Schutzleiteranschluss vorhanden ist. Es gibt auch Schutzklasse II-Geräte, die mit einer dreipoligen IEC-Buchse ausgestattet sind. Das ist zulässig, wenn der Schutzleiter an Netz und Geräteseite nicht angeschlossen ist. Des Weiteren muss sich auf dem Typenschild ein Hinweis auf ein Schutzklasse II-Gerät befinden (Doppelquadrat).
Stromversorgung – drei Mal anders
Bild 1 zeigt das medizinisches Schaltnetzteil MPM-X30 in Schutzklasse II-Ausführung. Erkennbar ist es an dem schutzisolierten Gehäuse ohne Schutzleiteranschluss. Der AC-Eingang ist mit der Euro-Buchse (C8) versehen. Zum Verbessern der EMV-Werte leitet man bei einem Standardnetzteil die auftretenden Störspannungen über Y-Kondensatoren gegen Erde ab. Diese Möglichkeit entfällt durch die Forderung nach Schutzklasse II. Des Weiteren muss beispielsweise bei einem Tischnetzteil neben der Basisisolierung eine weitere Schutzisolierung vorhanden sein. Generell ist darauf zu achten, dass bei einem Schutzklasse II-Netzteil größere Luft und Kriechstrecken bestehen müssen. Ein Schutzklasse II-Netzteil ist also grundlegend anders konzipiert als ein Schutzklasse I-Gerät.
Bild 2 zeigt den Eingangskreis des 200 W medizinischen Netzteils MPM-G200. Es handelt sich um ein Schutzlasse II-Netzteil, bei dem man wahlweise eine Funktionserde über die zwei Kondensatoren CX1 und CX2 wechselstrommäßig in das Netzteil eingekoppelt hat. Das Netzteil ist für Heimanwendungen geeignet, lässt sich aber auch durch Anbringen eines Schutzleiters in ein professionelles Medizingerät mit Schutzklasse I einbauen.
Bild 3 zeigt das Typenschild des medizinisches Netzteils MPM-X60, ausgeführt in Schutzklasse II (erkennbar am Doppelquadrat). Da in häuslicher Umgebung häufig Kinder zugegen sind, benötigt es Berührungsschutz. Die geforderte Schutzart IP21 schreibt vor, dass mittelgroße Fremdkörper (>12 mm) nicht mit spannungsführenden Bauteilen in Berührung kommen dürfen. Außerdem wurde ein spezieller VDE-Kinder-Prüffinger entwickelt. Er ersetzt bei der Zulassungsprüfung den Standard-VDE-Prüffinger, der bei der Zulassung nach DIN EN 60601-1 zur Anwendung kommt.
Ausnahmen bestehen insoweit, dass es produktspezifische Normen gibt, die die DIN EN 60601-1-11:2010 ausdrücklich ausnehmen. So existiert beispielsweise die Norm IEC 60601-1-2-39, die besondere Festlegungen für die Sicherheit von Peritoneal-Dialyse-Geräten (Bauchfelldialyse) trifft. Diese Geräte – obwohl für den Heimgebrauch geeignet – nimmt das Deutsche Institut für Normung nicht nach der DIN EN 60601-1-11 ab, sondern prüft sie nach der DIN EN 60601-1-2-39. Zusätzliche Prüfungen oder Einschränkungen sind in den produktspezifischen Normen vorgegeben und gelten vorrangig.
Zusammenfassend lässt sich für die DIN EN 60601-1-11 angeben:
- die Ergänzungsnorm ist mit sofortiger Wirkung gültig,
- sie verlangt verschärfte Schock- und Vibrationstests,
- sie benötigt mindestens Schutzklasse IP 21,
- sie beachtet geänderte Umgebungsbedingungen,
- sie ist verpflichtet zur der Schutzklasse II und
- sie fordert Prüfungen mit Prüffinger für Kinder.
Realisieren und Umsetzen der Norm
Bei Magic Power entwickelt man Netzteile für den Medizintechnikmarkt überwiegend als Schutzklasse II-Modelle. Der Grund dafür ist klar: immer öfter finden aus Kostengründen Behandlungen ambulant zu Hause statt. Ein Schutzklasse I-Gerät darf man aber nur in einer professionellen Umgebung benutzen. Ein nachträglicher Umbau von einem Schutzklasse I- auf ein Schutzklasse II-Gerät ist in vielen Fällen ausgeschlossen. Der Entwickler der Bio- und Medizintechnik tut also gut daran, den späteren Einsatzbereich der Applikation im Vorfeld genau zu prüfen.
Ist ein Einsatz außerhalb von medizinisch geprüften Räumen nicht ausgeschlossen, sollte er auf jeden Fall die Applikation als Schutzklasse II-Gerät konzipieren. Fällt die Entscheidung dennoch auf die Konstruktion einer Schutzklasse I-Applikation, lässt sich in jedem Fall auch ein Schutzklasse II-Netzteil einsetzen. Bei Magic Power-Netzteilen ist bei den Open-Frame-Netzteilen der Schutzklasse II auch ein Anschluss für eine Funktionserdung vorhanden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Entwickler beim Einsatz eines Schutzklasse II-Netzteils schon der Grundstein für den spätern Einsatz in häuslicher Umgebung legt.
Sollten Fragen zur EMV oder elektrischen Sicherheit aufkommen, steht bei Magic Power in Dahn ein komplett ausgestattetes EMV- und Elektroniklabor bereit. Dort lassen sich komplette Kundenapplikationen vermessen. Dort beantwortet man aufkommende Fragen und unterstützt den Kunden beim Design-In Vorgang.
(rao)