Eine mangelhafte Kontaktierung von Steckverbindern ist häufig die Ursache bei Elektronikversagen [1], unter anderem, weil es immer schwerer wird, die Zuverlässigkeit miniaturisierter Bauteile hinreichend zu prüfen. Die entwickelte Mikromesszelle ermöglicht in einer bisher unerreichten Auflösung und Präzision die Qualifizierung besonders kleiner Rechteckverbinder (kleiner als 1,2 x 0,6 mm²) und gewährt darüber hinaus die Möglichkeit der Mehrpunktmessung auch in schwer zugänglichen Messumgebungen.

Nyatec

Nyatec ist eine Forschungsprojekt der Universität Magdeburg, das durch das Förderprogramm Exist-Forschungstransfer des BMWi Finanzierung erhält. Ziel des Förderprogramms ist die Ausgründung eines Unternehmens aus der Universität. Im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelt Nyatec Mikrokraftsensoren für die Qualitätssicherung und Kraftmessung in kleinen Bauteilen. Hauptanwendungsfeld der Technik in der Industrie ist die Kontaktnormalkraftmessung von Steckverbinderkontakten.

Auf Basis von Silizium-MEMS-Technologie entwickelt, besitzt das mikromechatronische Messsystem von Nyatec weiteres Miniaturisierungspotenzial und ist im Wesentlichen unempfindlich gegenüber Störgrößen wie Temperatur- und Quereffekten. Dem Qualitätsmanagement sind damit Möglichkeiten gegeben, dem Trend der Miniaturisierung und der Anforderung an hohe Zuverlässigkeit zu entsprechen.

Kontaktierung von elektronischen Systemen

Komplexe elektronische Systeme eröffnen immer mehr Funktionen in Produkten, die im täglichen Leben Einsatz finden. Im Personenkraftfahrzeug wird diese Entwicklung durch Beispiele wie den Airbag oder ABS/ESP deutlich. Kabelbäume, die  Stromversorgung und die Signalübertragung ermöglichen, erreichen eine Länge von über 3000 m[2] und vernetzen durchschnittlich 75 Steuergeräte (ECU, Electronic Control Unit)[3].

Steckverbinder sind die Nadelöhre der Kabelbäume. Sie sind äußerst flexibel und oft untereinander kombinierbar. Diesem Vorteil steht allerdings ein gravierender Nachteil gegenüber: das Risiko der Kontaktunterbrechung. Durch geeignete Spezifikationen und aufwändige Prüfungen versucht man, dem entgegenzuwirken.

Fehlerquelle Steckverbinder

Laut ADAC-Pannenstatistik ist die Elektronik der Hauptgrund für Fahrzeugausfälle – bis 40 Prozent sind sie direkt der Elektronik zuzuordnen[4]. Eine häufige Ursache dafür ist die mangelhafte Kontaktierung von Steckverbindern. Diese sind trotz Systemen wie CAN- oder LIN-Bussystemen weiterhin in großen Mengen verbaut und das nicht nur im Auto: bis zu 41.000 Stück finden sich etwa in einem Airbus des Typs A380 oder zirka 3000 Stück in einem Mittelklassewagen[5].

Auf einen Blick

Der Anspruch an Qualität, Zuverlässigkeit sowie gewichtsoptimierte und reproduzierbare Verbindungen sowie der Druck durch Normen und Auflagen steigen. Entwicklungen, wie die Nanotechnologie werden die Miniaturisierung von Steckverbindern verändern, sodass physikalische Aspekte an Bedeutung gewinnen, die bisher eine untergeordnete Rolle spielten[7,8]. Die Mikromesszelle kann ein Baustein der zukünftigen Qualitätssicherung sein und bereits beim Entwickeln von Stecksystemen zu einer Verbesserung der Kontaktsicherheit beitragen.

Umwelteinflüsse wie Vibrationen, Stöße, Korrosion oder Temperaturschwankungen können die Funktionalität beeinträchtigen. In Einzelfällen kann die Kontaktierung abbrechen und die Signalübertragung ausbleiben und damit ein Fahrzeug zum Stillstand bringen. Bei Stecksystemen, die die Stromversorgung sicherstellen, ist darüber hinaus die Wärmebildung am Kontaktpunkt ein Problem, da die thermischen Verhältnisse die Kontaktierung signifikant beeinflussen[6].

Eine wichtige Kenngröße für die Zuverlässigkeit eines Kontakts ist die Kontaktnormalkraft. Um diese zu messen, ersetzt man das Steckelement des Steckers durch eine verformbare Struktur (Prüftab). Auf diese Struktur wird ein Dehnungsmessstreifen (DMS) aufgeklebt, der indirekt die Kontaktnormalkraft misst. Diese Methode ist aus technischen Gründen bei sehr miniaturisierten Baugruppen nicht verwendbar. Die Größenverhältnisse der Stecksysteme machen die Platzierung der konventionellen Kraftsensoren schlicht unmöglich. Für Steckverbinder mit einer kleineren Baugröße als 1,2 x 0,6 mm² existiert dazu am Markt kein geeignetes, direktes Messsystem.

Zwar führt man schon im Produktionsprozess optische Qualitätskontrollen durch – auf diese Weise lässt sich die Geometrie des gestanzten Steckers mit den Vorgaben aus der Entwicklung abgleichen – aber die tatsächlich wirkenden Kräfte kann man damit nicht prüfen. Bei einer Kontaktierungszone mit hintereinander liegenden Kontaktpunkten sind die Möglichkeiten der optischen Kontrolle noch begrenzter.

Mikrosysteme im Einsatz

In größeren Steckerbuchsen wurde bisher ein Summenwert über die an allen Kontaktpunkten wirkende Kontaktnormalkraft ermittelt. Dieses Messverfahren ist in schwer zugänglichen Mikrosteckverbindern nicht mehr ohne Weiteres einsetzbar.

Das entwickelte Verfahren setzt auf die Mikrosystemtechnik mit der Fertigung mikroelektromechanischer Systeme (MEMS). MEMS zur experimentellen Stressanalyse sind in kleinen Strukturgrößen aufbaubar. In Tabelle 1 sind die Möglichkeiten zur Qualitätssicherung von miniaturisierten Steckverbindern sowohl der heutige Stand als auch der beschriebene Ansatz von Nyatec dargestellt. Dieser punktet mit hoher Messgenauigkeit, eröffnet Möglichkeiten zur Mehrpunktmessung, weist eine geringe Störempfindlichkeit auf und eignet sich für muniaturisierte Bauelemente.

Die Mikromesszelle

Der mikroelektromechanische Ansatz basiert auf der Verwendung von Mikromesszellen. Diese Messzellen (Bild 1) bestehen aus einer Biegebrücke mit dehnungssensitiven Kraftsensoren. Besonders an dieser Bauart ist der Einsatz von Silizium als Träger- und Basismaterial, was kleine Messpunkte ermöglicht.

Dabei sind die Mikromesszellen an den Stellen der Krafteinwirkung eingebracht, passend zur Steckerbuchsen-Geometrie, und erlauben dadurch Mehrpunktmessungen in der Steckerbuchse. Bild 1 zeigt den CAD-Entwurf des Prüftabs auf dem die Messzellen integriert sind. Zu erkennen sind die vier Biegebrücken auf der Oberseite des Tabs. Jede dieser Biegebrücken stellt eine Messzelle dar, die die Kontaktnormalkraft abbildet. Integrierte Leiterbahnen und ein daran angeschlossener Mikrocontroller wandeln die elektrischen Werte in die entsprechende Kontaktnormalkraft um.

Zur Durchführung der Messung führt man den Prüftab in die Steckerbuchse ein, bis die Biegebrücken genau unter den Kontaktpunkten platziert sind (Bild 2). Bei der Messung kommt zu diesem Zweck ein automatisiertes Positionierungssystem zum Einsatz, das den Prüftab exakt zu den Federkontakten ausrichtet und so eine Beeinträchtigung der Messung verhindert. Bild 3 verdeutlicht den Aufbau der MEMS-Prüftabs und Tabelle 2 fasst den Nutzen der Mikromesszelle noch einmal zusammen.

In der Warenein- und Ausgangsprüfung

Ein Stand-Alone-Gerät (Bild 4) für die Warenprüfung eröffnet eine schnelle und effektive Möglichkeit, stichprobenhaft Chargen zu überprüfen. Darin vorgesehen sind Halterungen für fünf Steckerbuchsen, um eine signifikante Aussage zur Kenngröße Kontaktnormalkraft zu erhalten. Eine integrierte Schnellwechselvorrichtung erlaubt den Umbau auf verschiedene Steckerbuchsentypen. Mithilfe eines Bediendisplay und automatisierten Achsensystemen lassen sich die Buchsen zügig und störungsfrei vermessen. Die ermittelten Messwerte sind über eine Ethernet-Schnittstelle mit bestehenden Datenbanksystemen vernetzbar.

Quellenverzeichnis

  • [1] Borgeest, K., Elektronik in der Fahrzeugtechnik, 2010, Springer, Seite 284ff
  • [2] Pape, U., Automobilelektronik – Anforderungen an elektronische Baugruppen für den Hochtemperatureinsatz und hohe Zuverlässigkeit, Seite 8
  • [3] Elektrik/Elektronik-Architekturen im Kraftfahrzeug, VDI-Buch, 2012, Seiten 79-116.
  • [4] ADAC Pannenstatistik 2009, 2010, 2011
  • [5] http://www.westfalenhallen.de/messen/innovationsforum/downloads/innovationsforum/07_Innovationsforu m_2012_SGS.pdf
  • [6] Leidner, M. 2008, Kontaktphysikalische Simulation von Schichtsystemen, Seite 9
  • [7] Ergebnisbericht des BMBF Verbundprojektes ProUFD, Kontaktierungsverfahren und Prozesstechnik für Ultra-Fine-Pitch-Baugruppen (2010)
  • [8] Aufbau- und Verbindungstechnik in der Elektronik- Aktuelle Berichte, Band 8: Materialmodifikation für geometrisch und stofflich limitierte Verbindungsstrukturen hochintegrierter Elektronikbaugruppen – Live (2009)

Jörg Fochtmann

ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mikro- und Sensorsysteme (IMOS) in Magdeburg tätig.

(rao)

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