Bild 1: Diagramm der Architektur eines supraleitenden Quantencomputers.

Bild 1: Diagramm der Architektur eines supraleitenden Quantencomputers. (Bild: Keysight Technologies)

Damit supraleitende Quantencomputersysteme eine kritische Massenanwendung erreichen können, müssen sich die Praktiken für das Design von Quantencomputern weiterentwickeln, sodass mehr Entwickler und mehr Arbeitsabläufe der elektronischen Designautomatisierung (EDA) zum Einsatz kommen. Wenn Mainstream-Praktiken aus anderen Disziplinen – wie dem Design von Hochfrequenzkomponenten und -systemen – für bestehende und künftige Entwickler von Quantencomputern eingeführt würden, könnten die Entwicklungszyklen verkürzt werden und die Entwicklung würde sich auf spezifische Funktionsinnovationen und Differenzierung konzentrieren.

Es gibt heute genügend Designs für supraleitende Quantensysteme, sodass sich ein Muster von Lösungen für Design-Herausforderungen abzeichnet. Damit zeigt sich auch ein Weg zu quantenspezifischen EDA-Tools, die in Aussehen und Handhabung eher den HF-EDA-Tools entsprechen, mit denen viele Entwickler heute vertraut sind. Die Senkung der Einstiegshürde für Fachwissen wird das Design supraleitender Quantensysteme demokratisieren und dazu beitragen, dass es sich schneller im Mainstream durchsetzt. Im Folgenden werden die Hauptelemente dieser Designs, einige Parallelen zum konventionellen Mikrowellen-Design und die Merkmale von Design-Tools und -Workflows, die für die Herausforderungen des Designs supraleitender Quantensysteme erforderlich sind, kurz erläutert.

Drei Hauptelemente des Designs von supraleitenden Quantensystemen

Supraleitende Quantencomputer revolutionieren mit ihrer einzigartigen Architektur den Bereich der Datenverarbeitung. Sie integrieren Prinzipien aus dem konventionellen digitalen und analogen Computing, nutzen die Physik auf atomarer Ebene und setzen aktuelle Supraleiter-Technologie in ihren Chip-Designs ein. Diese Innovation bieten Rechenkapazitäten, die mit der Anzahl der Qubits exponenziell ansteigen und Aufgaben ermöglichen, die die Grenzen selbst der fortschrittlichsten digitalen Systeme weit überschreiten.

Plattformen folgen in der Regel einer Hardware-Architektur, die in Bild 1 dargestellt ist und aus drei Hauptelementen besteht: Qubits, quantenbegrenzte Verstärker (QAs) und ein Tieftemperatur-Mikrowellensystem.

Qubits bilden die Grundlage für eine QPU (Quantum Processing Unit), bei der ein einzelnes Qubit im Wesentlichen ein künstliches Atom ist, das bei entsprechender Anregung eines von zwei Energieniveaus annimmt, wobei n verschränkte Qubits 2n stabile Zustände darstellen. Transmon-Qubits verwenden zwei Josephson-Kontakte (Josephson Junctions, JJ) und einen großen Shunt-Kondensator, der den Widerstand gegen Ladungsrauschen verbessert. Die Qubits sind über abgestimmte Mikrowellenresonatoren miteinander verbunden, wobei die Resonatoren und die Qubits jeweils bei spezifischen, einzigartigen Frequenzen schwingen – das erfordert ein systemweites Design-Management, was mit der wachsenden Anzahl von Qubits eine zunehmende Herausforderung darstellt.

Bild 2: Resonanzfrequenz für einen perfekten elektrischen Leiter (grüne Kurve) gegenüber einem Supraleiter mit modellierter kinetischer Induktivität (blaue Kurve).
Bild 2: Resonanzfrequenz für einen perfekten elektrischen Leiter (grüne Kurve) gegenüber einem Supraleiter mit modellierter kinetischer Induktivität (blaue Kurve). (Bild: Keysight Technology)

Was Sie schon immer über Quantencomputer wissen wollten

Themenschwerpunkt Quantencomputer auf all-electronics.de
(Bild: Bartek Wróblewski – Adobe Stock)

Als im Juni 2021 der erste Quantencomputer in Deutschland von IBM eingeweiht wurde, war das Interesse groß. Aber was verbirgt sich hinter der Technologie? Was kann sie eines Tages leisten, woran wird geforscht und wo lauern Gefahren? Das und mehr erfahren Sie hier.

Quantenbegrenzte Verstärker (QAs) verbessern die Auslesetreue von Qubits durch rauscharme Verstärkung bei tiefsten Temperaturen, indem sie schwache Mikrowellensignale mithilfe von Prinzipien der Quantenmechanik aus dem Rauschen gewinnen. Aktuelle QAs erreichen mit fortschrittlicher Technologie, wie dem parametrischen Josephson-Wanderwellenverstärker („Josephson traveling wave parametric amplifier“, JTWPA), neue Leistungsniveaus. In JTWPAs sind Tausende von JJs entlang eines engen, mäandernden Pfades angeordnet und erzeugen so Verstärkungsstufen mit hoher Verstärkung und extrem geringem Rauschen über einen breiten Frequenzbereich in einem kompakten Gehäuse.

In kryogenen Mikrowellensystemen sind Qubits und QAs integriert, die Systemsteuerungsfunktionen und das Auslesen von Messungen ermöglichen. Stimuli und Reaktionen erfordern ein präzises Timing, was mit zunehmender Größe der Systeme eine wachsende Herausforderung darstellt. Kleine QPUs passen in einen einzigen Misch-Kryostaten, aber die Forscher untersuchen verteilte Implementierungen mit mehr als einer Kühleinheit, was die Komplexität der Quantenverschränkung und die Anforderungen an die Verbindungen erhöht.

Die gemeinsame Herausforderung für alle drei Elemente ist die Skalierung. Die Handhabung von komplexeren Quantencomputer-Designs übersteigt die Möglichkeiten von selbst entwickelten Design-Workflows und erhöht das Risiko von teuren Fehlern, die erst spät beim Hardware-Prototyping entdeckt werden. Glücklicherweise können Durchbrüche bei der umfassenden virtuellen Modellierung und Simulation von Quanten-Designs, die auf den Erfahrungen mit Mikrowellen-Designs beruhen, die Komplexität und das Risiko bewältigen.

Supraleitende Quantensysteme haben Mikrowellentechnologie unter der Haube

Auch wenn supraleitende Quantencomputer auf den ersten Blick exotische Physik zu nutzen scheinen, arbeiten ihre praktischen Design-Elemente mit Mikrowellentechnologie, oft im Bereich von 4 bis 10 GHz. Die genaue Modellierung von Verhaltensweisen wie den folgenden bildet die Grundlage für die Simulationen supraleitender Quantensysteme.

  • JJs weisen einen sehr geringen Energieverlust bei extrem nichtlinearer Induktivität auf. Diese Eigenschaften machen sie ideal für die Erzeugung künstlicher Atome mit stabilem Abstand zwischen den Energieniveaus in zwei verschiedenen Zuständen, wobei kleine Eingaben einen Zustandswechsel auslösen.
  • Layouts, die auf ein und demselben Chip implementiert werden sollen, können sowohl große Strukturen, wie im JTWPA, als auch winzige Merkmale, wie koplanare Wellenleiter (CPWs) in Resonatoren, aufweisen. Die Modellierung muss beides mit einer angemessenen Auflösung berücksichtigen, um ein originalgetreues Verhalten zu erreichen.
  • Multilayer-Implementierungen können die Skalierung von Qubits verbessern, indem Qubits in 3D-Layouts gestapelt werden, um die Chip-Footprints relativ klein zu halten. Die Modellierungs- und Simulationsanforderungen für 3D-Chip- und Gehäuselayouts werden immer komplexer.
  • Die kinetische Induktivität von Supraleitern muss bei der Modellierung besonders berücksichtigt werden. Wird die kinetische Induktivität von Supraleitern in Materialmodellen übersehen, können die Resonanzfrequenzen in einigen Fällen um bis zu 40 Prozent verfehlt werden (Bild 2), und jede daraus resultierende Frequenzüberlappung zwischen Qubits oder Resonatoren kann die Quantenverschränkung verhindern.
  • QAs sind Beispiele für parametrische Mikrowellenschaltungen und können mit nichtlinearen Schaltungssolvern analysiert werden, die ursprünglich für nichtlineare Mikrowellen-Leistungsverstärker entwickelt wurden. Die Reaktionen von QAs sind nichtlinear und von der Eingangsleistung abhängig. Die Leistungsmetriken für QAs sind ähnlich – einschließlich Verstärkung, Quanteneffizienz und Rauschen über die Betriebsbandbreite.
Bild 3: Fünf integrierte Funktionen in einem einheitlichen EDA-Quantum-Design-Workflow.
Bild 3: Fünf integrierte Funktionen in einem einheitlichen EDA-Quantum-Design-Workflow. (Bild: Keysight Technology)

Die EDA-Technologie ermöglicht heute Modelle mit definierten physikalischen Layouts und elektromagnetischem (EM) Verhalten, die einen Großteil des für das Design supraleitender Quantensysteme erforderlichen Detailwissens erfassen. EM-Simulatoren, die diese robusten Modelle verwenden, können schnelle Ergebnisse erzielen und Erkenntnisse für die Design-Optimierung liefern, was zu besseren Chancen für den direkten Erfolg bei der Herstellung von Chips, Modulen und Systemen führt.

Verbesserung von EDA-Tools und Arbeitsabläufen für die Herausforderungen des Designs von Quantensystemen

Die Keysight-Forschung auf dem Gebiet des Designs supraleitender Quantensysteme führte zur Entwicklung von QuantumPro, einer Reihe von EDA-Bibliotheken und -Tools in einem zusammenhängenden Workflow, der Designaufgaben und erweiterte Analysen automatisiert. Ein Quanten-Design-Workflow (Bild 3) führt Entwickler von bibliotheksbasierten Schaltungslayouts zu Quanten-Parameterlösungen, die die vorhersagbare Qubit-Quantenverschränkung verbessern, bevor sie in Hardware umgesetzt werden.

QuantumPro basiert auf der Keysight-ADS-Plattform (Advanced Design System) für Mikrowellen-Design und verfügt über viele quantenspezifische Verbesserungen, darunter integrierte, voll parametrisierte Quanten-Artworks und die Möglichkeit, Layouts automatisch aus Schaltplänen zu generieren. Mehrere Verbesserungen optimieren den Arbeitsablauf für eine schnelle und genaue Analyse.

Erstens: schnellere EM-Simulationstechniken. Anstatt ein ganzes 3D-Volumen zu simulieren, wie es ein konventioneller EM-Solver tun würde, löst die QuantumPro EM-Simulation mit der Momentenmethode (Method of Moments, MoM) nur die Ströme auf den Metalloberflächen, was die Simulationszeit erheblich verkürzt und gleichzeitig schnelle und genaue Ergebnisse liefert. Als Nächstes folgen neuartige nichtlineare Schaltungs/EM Co-Simulationstechniken. Eine vollständige EM-Analyse, die sowohl die Finite-Elemente-Methode (FEM) als auch MoM verwendet, erzeugt S-Parameter an Eingangs- und Ausgangsanschlüssen. Die Energiebeteiligungsanalyse ermöglicht es, die Eigenmoden des Systems mit dem FEM-Solver zu ermitteln. Die Kombination der EM- und nichtlinearen Schaltungsströme durch JJ-Modelle, wie in dem in Bild 4 gezeigten Beispiel, ermöglicht eine genaue Untersuchung und Charakterisierung des leistungsabhängigen QA-Verhaltens unter Verwendung der Harmonic Balance Simulation.

Die automatische Extraktion von Quantenparametern vereinfacht die Analyse und bestätigt genaue Ergebnisse mit drei verschiedenen Extraktionsmethoden – quasistatisch, Black-Box-Quantisierung und Energiebeteiligungsverhältnis (Energy Participation Ratio, EPR). Anwender können die Ergebnisse der Quantenparameter-Extraktionen in derselben Benutzeroberfläche sehen und vergleichen, in der auch die Schaltpläne und Layouts vorhanden sind, notwendige Änderungen vornehmen und die Extraktionen sofort wiederholen. Python-Skripte helfen den Anwendern, den Arbeitsablauf und die Benutzeroberfläche anzupassen, was den Übergang von einem selbst entwickelten Arbeitsablauf erleichtert.

Bild 4: Co-Simulation deckt dispersive Verschiebung des QA-Auslesesignals bei steigender Leistung auf.
Bild 4: Co-Simulation deckt dispersive Verschiebung des QA-Auslesesignals bei steigender Leistung auf. (Bild: Keysight Technology)

Mit Design supraleitender Quantensysteme Skaleneffekte erzielen

Die Skalierbarkeit von Quantencomputern wird letztlich von der Berechenbarkeit des Designs abhängen. Die Design-Praktiken für kleine Systeme müssen überdacht werden, wenn die Anzahl der Qubits und die Komplexität zunehmen, wobei effizientere Arbeitsabläufe und Automatisierung eingeführt werden müssen. Supraleitende Quantensysteme profitieren von der Einführung von Design- und Simulationstechniken für Mikrowellen, die auf die Nuancen der Quantenumgebung abgestimmt sind. Leistungsstarke, einfach zu bedienende und präzise virtuelle Design-Tools werden dazu beitragen, den Prozess zu demokratisieren und mehr Entwickler und Ideen in den Bereich des Designs supraleitender Quantencomputer zu bringen. (neu)

Autor

Autor Mohamed Hassan
(Bild: Keysight Technology)

Mohamed Hassan ist Bereichsleiter für Quantum EDA bei Keysight

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