Durch die wachsende Anzahl an elektronischen Geräten auf immer kleinerem Raum gewinnt die elektromagnetische Abschirmung (EMV) in industriellen Anlagen an Bedeutung. Bauteile im Inneren und in benachbarten Einheiten müssen parallel ohne gegenseitige Einflussnahme arbeiten können. Ziel ist es, sowohl Einstrahlungen von Fremdsystemen zu blockieren, als auch die eigene Störung nach außen zu verhindern. Generell lassen sich interne und externe Störungen unterscheiden. So entsteht die interne Beeinflussung vor allem durch die parasitäre Kopplung einzelner Bauteile oder Systemkomponenten. Zur externen Störung zählen leitungsgebundene Einwirkungen, die zum Beispiel durch Spannungspulse bei Schaltvorgängen auf der Leitung entstehen. Auch strahlungsgebundene Aussendungen können ein elektrisches Gerät beschädigen, zum Beispiel durch hochfrequente Störquellen sowie durch elektrostatische Entladungen (ESD), wenn ein kurzer, hoher Spannungsimpuls auftritt.
Gehäuse mit EMV-Abschirmung
Metall versus Kunststoff
Metallgehäuse haben bei elektrischen Systemen einen inhärenten Schutz und ein freies Erdungskonzept über die leitende Oberfläche. Doch gegenüber Kunststoff- haben die Metallgehäuse nur ein eingeschränktes Design und sind in den meisten Fällen sehr kostenintensiv. Die Herstellung von Umhausungen aus Kunststoff ist gegenüber denen aus Metall günstiger. Kunststoff unterliegt keinen Korrosionserscheinungen und hat mehr Gestaltungsspielräume gegenüber Metall.
Die Qualität einer EMV-Abschirmung bemisst sich aus ihrer Abschirmwirkung – das heißt aus dem Verhältnis der elektrischen und magnetischen Feldstärke vor und hinter der Abschirmung. So entspricht eine Dämpfung von 40 dB einer Abschirmung von 99 Prozent, eine Dämpfung von 60 dB sogar einer Abschirmung von 99,9 Prozent. Dabei ist die Abschirmwirkung eines Gehäuses in erster Linie abhängig von dem verwendeten Material. Meist kommen aufwändige Metallgehäuse aus lackiertem Stahlblech, Aluminium-Zink-Beschichtungen und in Sonderfällen Edelstahl zum Einsatz. Sie haben bei elektrischen Systemen nicht nur einen inhärenten Schutz, sondern auch ein freies Erdungskonzept über die leitende Oberfläche. Doch die Metallgehäuse können nur eingeschränkt im Design gestaltet werden und sind in den meisten Fällen sehr kostenintensiv.
Im Vergleich zu Metallgehäuse sind die Herstellkosten bei Kunststoffgehäusen wesentlich günstiger. Durch ihre Materialeigenschaften unterliegen sie keinen Korrosionserscheinungen. Deutlich leichter, eignen sie sich vor allem für mobile Anwendungen und für den Einsatz in der Luft- und Raumfahrt. Für eine erhöhte Festigkeit erhalten die Werkstoffe je nach Verwendung Additive wie Glasfasern oder Glaskugeln. Zusätzliche Stabilisatoren erhöhen die Witterungsbeständigkeit (UV, Wärme, Alterung), während Flammschutzmittel die Entzündbarkeit der Kunststoffe erschweren.
Die Oberfläche
In Formgebung, Farbe, Oberflächenfinish, Lackierung und Druck eröffnen Kunststofflösungen viel mehr Gestaltungsspielräume als Metallkonstruktionen. So lassen sich beispielsweise wesentlich dünnere Wandstärken realisieren. Die höhere Designfreiheit ist wichtig, denn Aussehen und Haptik gelten auch im industriellen Umfeld immer mehr als wesentliche Erfolgs- und Wettbewerbsfaktoren. Stand noch vor einigen Jahren die technische Funktionalität an erster Stelle, wollen Anwender nun Produkte, die auch in Sachen Design hervorstechen und durch ein freigestaltbares Gehäusedesign die Handhabung optimieren. Dazu stehen für die Ver- und Bearbeitung der Kunststoffe eine ganze Reihe an Verfahren zur Auswahl, vom Spritzgießen, Schäumen, Bedrucken, Lackieren, Fräsen bis hin zum Ultraschallschweißen.
Als Finish sind unterschiedliche Lackierverfahren möglich – angefangen von 2K-Lack, UV-beständige Lackierungen bis hin zu Antigraffiti-Lack. Für Gehäuselösungen aus Kunststoffen stehen eine Vielzahl von EMV-gerechten Beschichtungsverfahren zur Verfügung. Je nach Anwendung können leitfähige Acrylbeschichtungen oder hochleitfähige Lacke auf Basis von Nickel, Graphit, Silber und Kupfer aufgebracht werden. Eine weitere Alternative stellt das Beschichten mit dünnen hochleitfähigen Aluminiumschichten dar. Soll nur partiell beschichtet werden, so ist auch dies sehr wirtschaftlich möglich. Diese Beschichtungen verringern sowohl die Störempfindlichkeit als auch die Störausstrahlung. So bearbeitet, erzielen die Kunststoffgehäuse die gleichen Dämpfungseigenschaften wie Metallkonstruktionen. Zudem haben sie eine hohe elektromagnetische Absorption über einen breiten Frequenzbereich hinweg. Auch Kontaktmaterialien wie Federdichtungen zwischen einzelnen Bauteilen wie Seiten-, Deck- und Bodenteile lassen sich aus Edelstahl fertigen. EMV-Textildichtungen werden in den Frontplatten von Steckbaugruppen eingefügt.
Individuelle Lösungen
Welches Material und welche EMV-Abschirmung nötig sind, hängt letztlich von den individuellen Anforderungen der Applikation und des Einsatzgebietes ab. Grundsätzlich stellt sich im Entwicklungsprozess die Frage, in welchem Frequenzbereich die potenziellen Störgrößen liegen. Daraus ergibt sich die Auswahl der Materialien, die man zur Behebung des “Problems“ wählen muss. Je höher die Störfrequenz, desto enger müssen Kontaktpunkte – wie zum Beispiel ESD-Schraubpunkte und Textildichtungen – berücksichtigt werden. Dabei gilt: Je früher das Gehäuse in der Entwicklung berücksichtigt wird, desto einfacher und kostengünstiger lassen sich individuelle Lösungen für den EMV-Schutz entwickeln.
Maximilian Schober
(jck)
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