Die Photonik ist auch in unserer Alltagsumgebung bereits Tag für Tag, oft unbemerkt, im Einsatz: Glasfasern machen es möglich, Computer oder TV-Empfänger überall problemlos zu nutzen. Lichtwellenleiter übertragen Daten wesentlich schneller und effizienter als die Kabel der traditionellen digitalen Elektronik.
Dasselbe geht auch auf einem Chip. Mit extrem kompakten Strukturen und Glasfasern wird Licht auf den Chip geleitet und damit eine Reihe interessanter Funktionalitäten erschlossen. Dies kann die klassische Verarbeitung oder Übertragung von Daten involvieren. Aber es sind auch spezifische biologische Anwendungen denkbar. Bereits heute wird Licht als Trägermedium in der medizinischen Diagnostik sehr häufig eingesetzt. Mikroskopie und Spektroskopie sind die bekanntesten Beispiele. Licht ermöglicht das Zählen oder Visualisieren von Zellen, die Bestimmung der Eigenschaften von Materialien und Geweben, oder auch die Definition von DNA-Sequenzen.
Biophotonics-on-Chip ist eine relativ neue Forschungsrichtung, die im medizinischen Bereich sehr wichtig werden kann. Das gilt für die Diagnose, die Therapie und die Nachbehandlung. Schon bald werden Ärzte in der Lage sein, diese Technologie zur Analyse von Blutproben einzusetzen, und dabei nicht mehr auf die älteren, klobigen Fluoreszenz-Mikroskope zurückgreifen müssen. Auch die Untersuchung von Gewebeproben wird damit ohne den Einsatz großer Spektroskope möglich.
Natürlich ist es immer noch eine gewisse Herausforderung an die Technologie, derartige photonische Strukturen hinreichend klein zu gestalten und sie auf geeignete Weise in andere photonische Schaltungen zu integrieren. Erst damit können sie die spezifischen Aufgaben der medizinischen Diagnostik und Therapie mit guter Effizienz und Zuverlässigkeit absolvieren. In die bekannten Halbleiterstrukturen auf Silizium für Computerchips oder auf Materialien, die zum Si kompatibel sind, wie SiN, können ohne weiteres elektronische zusammen mit photonischen Funktionen integriert werden. Damit entstehen smarte und zugleich kompakte Systeme für die Medizin.
Von Bedeutung für die diagnostische Entscheidung
Gelingt dies, lassen sich leicht hunderte oder tausende derartiger Systemfunktionen Seite an Seite auf demselben Chip realisieren. Damit gewinnt man die erstrebten Messdaten und Ergebnisse sehr viel schneller als mit getrennten Systemen (Bild 1). Dank Biophotonics-on-Chip werden sehr bald kleinere und preisgünstigere Testchips zur Verfügung stehen, die für Ärzte bei ihren diagnostischen Entscheidungen von großer Bedeutung sind (Bild 2).
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Fluoreszente Labels oder Marker werden in traditionellen Verfahren oft zur Analyse von Blutproben eingesetzt. Diese Marker sind eigentlich Moleküle, die sich spezifísch an Teile eines Bakteriums, oder von Genen, Krebszellen und weitere binden. Mit einem Zytometer werden die Blutproben und damit auch die Marker illuminiert, sodass sie ein Fluoreszenzlicht abgeben, das sich detektieren lässt. So lassen sich Bakterien und Krebszellen auszählen oder die Präsenz eines spezifischen Gens oder eines DNA-Samples kann bestimmt werden.
Zytometer sind derzeit meist sehr große und teure Geräte, die nur in medizinischen Labors eingesetzt werden. Imec entwickelt jetzt kompaktere Lösungen: „Cytometers on a Chip“ genannt. Auf diesen Chips fließen die Zellen in einem mikrofluidischen Kanal. Über und unter diesem Kanal sind weitere Strukturen zur Identifizierung und Auszählung spezifischer Zellen angeordnet, beispielsweise von Zellen mit einem fluoreszenten Marker.
Koppler mit fokussierendem Strahlteiler
Eine weitere neue Entwicklung in diesem Bereich besteht in einer photonischen Struktur mit der Bezeichnung „focusing grating coupler“ (Koppler mit fokussierendem Strahlteiler). Ein solcher Koppler wird meist zur Einkopplung von Laserlicht in die Wellenleiter auf den Chip eingesetzt, sowie zur Weitergabe des Lichts, das aus den Wellenleitern des Chips wieder austritt, auf einen Detektor, der nicht auf dem Chip integriert ist (Bild 3).
In der genannten neuen Entwicklung lässt der fokussierende Strahlteiler und Koppler das Licht, das sich durch einen Wellenleiter bewegt, in Form eines nach oben gerichteten Lichtstrahls aus der Chip-Oberfläche austreten. Der mikrofluidische Kanal, in dem die Zellen fließen, verläuft durch diesen Lichtstrahl. Auf diese Weise werden die Zellen und ihre Marker illuminiert, woraufhin sie Fluoreszenzlicht emittieren. Dieses Fluoreszenzlicht wird von den Beugungsgittern erfasst, die es der Wellenlänge entsprechend aufteilen.
Auf diese Weise lassen sich mehrere Marker gleichzeitig detektieren. Dies ist zugleich ein sehr gutes Beispiel dafür, wie mit kompakten photonischen Chips Zellen ausgezählt und dabei sogar unterschiedliche Zelltypen (mit unterschiedlichen fluoreszenten Markern) erkannt werden können. Der große Vorteil dieses Vorgehens liegt nicht so sehr in der optischen Erkennung einer Zelle, sondern darin, dass Hunderte dieser Strukturen parallel arbeiten und den Messdurchsatz wesentlich vergrößern.
Das genannte Verfahren ist aber nicht nur zum Auszählen der Zellen vorteilhaft, sondern auch zur Untersuchung ihrer Morphologie. Auch dafür hat Imec eine integrierte Lösung entwickelt: das linsenlose Mikroskop.
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Die Spektroskopie wird in der Medizin häufig eingesetzt, um bestimmte Substanzen in Geweben, auf der Haut oder in Gehirnstrukturen zu detektieren. Dazu zählen Cholesterol, Milchsäure und Ethanol. Auch Melamin in Milch, Phthalate in Spielzeugen oder Verunreinigungen in Fleischwaren lassen sich so nachweisen. Das Gleiche gilt für die Authentizität von Medikamenten. Diese Substanzen werden durch ihre spezifísche Interaktion mit bestimmten Lichtwellenlängen erkannt.
Es gibt viele unterschiedliche Verfahren der Spektroskopie, wie Absorptions-, Reflexions-, Fluoreszenz- und Raman-Spektroskopie. Imec zielt jetzt auf die Entwicklung der Mini-Version eines Raman-Spektrometers – auf einem Chip. Das würde die Herstellung eines recht kompakten Geräts ermöglichen, mit dem sich der Nachweis spezifíscher Substanzen in einer Blutprobe regelmäßig und nicht-invasiv durchführen ließe. Mit den heute existierenden Raman-Spektrometern im Tabletop-Format ist das kaum möglich.
Winizge Unterschiede in der Wellenlänge des Lichts messen
Die größte Herausforderung bei der Entwicklung eines Raman-Spektrometers ist die Trennung des sehr kleinen Nutzsignals vom großen Background-Störsignal. Aus diesem Grund muss der eingesetzte Detektor außerordentlich empfindlich sein. Ein gut bekanntes Spektrometer-Design ist das Michelson-Interferometer. Dabei wird ein Lichtstrahl in zwei Teilstrahlen aufgeteilt, die unterschiedliche Wege zurücklegen, bevor sie wieder vereinigt werden und dabei eine gewisse Interferenz aufweisen. Dieser Ansatz ermöglicht die Messung winziger Unterschiede in der Wellenlänge des Lichts. Der Nachteil dieses Prinzips – insbesondere wenn man es miniaturisieren will – besteht darin, dass zwei Spiegel eingesetzt werden, von denen einer beweglich ist. Der bewegliche Spiegel muss sich immer in der absolut korrekten Position befinden, oder die Messung ist inkorrekt.
Imec hat hierfür eine (patentierte) Lösung ohne bewegliche Elemente entwickelt, bei der Hunderte von optischen Strukturen – also Interferometer – unmittelbar nebeneinander angeordnet und eingesetzt werden. Zur Messung wird Licht auf das Gewebe eingestrahlt, und das dabei gestreute Licht wird von einem Kollimator aufgefangen. Dieses Verfahren verteilt das Licht – unter Einsatz eines Strahlformers – über die einzelnen Interferometer. Jedes der Interferometer ist dabei etwas kleiner als das unmittelbar benachbarte, sodass winzige Unterschiede in der Wellenlänge gemessen werden können – wie es beim Michelson-Interferometer der Fall ist (Bild 4).
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Mit der Photoakustik bietet sich eine schnelle, relativ billige und absolut ungefährliche Methode zur Erzeugung von Abbildern des menschlichen Körpers. Sie lässt sich etwa bei der Erforschung von Haut- und Brustkrebs einsetzen.
Der photoakustische Effekt wurde 1880 von Alexander Graham Bell, einem der Erfinder des Telefons, entdeckt. Er beleuchtete einen Block von Selen und bemerkte, dass dabei ein schwacher Schall entstand (daher die Bezeichnung Photoakustik). Der Auslöser ist, dass Licht und Schall, wenn auch materiell unterschiedlich, Schwingungen sind. Lichtschwingungen lassen sich also in Schallschwingungen umsetzen.
Folgerichtig werden beim medizinischen Einsatz der Photoakustik sehr kurze Laserlicht-Impulse auf den Körper des Patienten gerichtet. Dabei wird für jedes untersuchte Gewebe eine unterschiedliche Lichtfarbe verwendet. Wenn ein Laserpuls auf das Gewebe trifft, wird er in Wärme umgesetzt. Das Gewebe expandiert und kontraktiert dabei und bewirkt Druckunterschiede, die als Ultraschall abgestrahlt werden. Diese Ultraschallsignale werden von einem speziellen Mikrophon aufgefangen. Sie lassen sich als spektroskopische Information über ein Material auswerten und auch in eine Abbildung umformen. Der große Vorteil beim Einsatz der Photoakustik besteht darin, dass sie kein störendes Background-Signal erzeugt. Das macht sie zu einer hoch empfindlichen Messtechnik.
Die Photoakustik wird bereits extensiv in der medizinischen Forschung eingesetzt, allerdings noch nicht zur Diagnose von Patienten. Denn die Technologie ist immer noch zu kostspielig. Genau an diesem Punkt setzt Imec an, mit seiner Entwicklung eines photoakustischen Sensors auf einem Chip. Eine wichtige Komponente dieser Entwicklung ist das „Mikrophon“, das in der Lage sein muss, Ultraschall zu erfassen. Das „Mic“ von Imec verwendet eine Membran aus Siliziumdioxid mit integriertem photonischem Wellenleiter. Wenn die Membrane unter dem Druckstoß einer akustischen Welle ausgelenkt wird, dehnt sich der Wellenleiter entsprechend. Diese Bewegung wird aufgezeichnet und ausgewertet (Bild 5).
EU-Forschungsprojekt „PIX4life“
Das „PIX4life“-Projekt läuft seit Anfang 2016 als EU-Forschungsprojekt im Rahmen von Horizon 2020. Koordinator ist Imec (Grant Agreement 688519). Als erster Schritt wird eine „Bibliothek“ photonischer Komponenten erstellt. Diese Bibliothek wird anschließend von den beteiligten Firmen, darunter auch kleine und mittlere Unternehmen (SMU), genutzt, um medizinische Applikationen zu entwickeln und zu produzieren. Durch die Verwendung von Multi-Projekt-Wafern können die photonischen Chips preisgünstiger hergestellt werden.
Das Ziel der Projektpartner ist es, die Eintrittsschwelle für interessierte Firmen so stark zu senken, dass sie biophotonische Systeme schneller auf den Markt bringen können. Das wird die Ärzte dazu befähigen, portable , Zytometer und früher einzusetzen. Und damit ließe sich die Diagnose von Krankheiten und deren Nachbehandlung dank einer revolutionären Behandlungsmethode wesentlich beschleunigen.
(ah)