Testsysteme müssen offen nach innen für die Kombination verschiedener Kommunikationsbusse sein, sowie offen nach außen zur Anbindung an den Gesamtproduktionsablauf. Selbstdiagnostik der Systeme erhöht die erzeugte Datenmenge und die Komplexität von Organisationsentscheidungen. Dieser Artikel beleuchtet die historische Entwicklung einzelner Bussysteme, die eine wichtige Dimension auf dem Weg zum Testen unter Industrie 4.0 spielen. Softwarethemen werden an dieser Stelle nicht erörtert.
Serielle Schnittstelle (RS-232)
RS-232 entstand ursprünglich in den 1960er Jahren als Schnittstelle zur Datenübertragung zu beispielsweise Lochstreifenleser und -stanzer. Die Geschwindigkeit der ursprünglichen seriellen Schnittstelle war verglichen mit anderen verfügbaren Schnittstellen sehr langsam und wurde nahezu komplett durch modernere Schnittstellen, unter anderem USB (Universal Serial Bus) ersetzt. Noch bekannte Weiterentwicklungen sind RS-422 oder RS-485.
Parallele Schnittstelle
Dieser asynchron übertragende 8-Bit-Datenbus entwickelte sich zunächst primär für den Einsatz von Druckern (Centronics-Schnittstelle). Erst 1994 kam es mit der Definition einer byteparallelen bidirektionale Hochgeschwindigkeits-Schnittstelle (50 bis100 mal schneller als Centronics) zu einer klar definierten Standardisierung als IEEE-1284. Der Ansatz spielte in der Messtechnik nie eine Rolle.
HPIB und GPIB (IEEE-488)
Der erste speziell auf die Messtechnik zugeschnittene Bus war der in den späten 1960ern entwickelte HP-IB (Hewlett Packard Interface Bus), der später zur allgemeinen Normierung als GPIB (General Purpose Interface Bus / IEEE 488) eingereicht wurde und sehr schnell seinen Siegeszug in der Messtechnik antrat. Bis nach der Jahrtausendwende wurde der Standard weiterentwickelt und dabei auch beschleunigt, wobei schnellere Versionen nicht unbedingt kompatibel mit älteren sind. Trotz dieser Nachteile sind bis heute noch viele Messinstrumente mit dieser Schnittstelle ausgestattet.
VXI-Bus
Der früher in der industriellen Messtechnik sehr erfolgreiche VXI-Bus (VME Extension for Instrumentation-Bus) war der erste Standard, der Messgeräte als Einschubplatinen und Testsysteme als Einschubkartensysteme realisierte. Er geht auf eine Entwicklung für das US-Militär aus dem Jahre 1985 zurück und wurde 1987 vom IEEE standardisiert. Der VXI-Bus stellt eine, für die Messtechnik, modifizierte Version des vor allem für Motorola‘s 68000er Prozessoren entwickelten VME-Busses dar. Allerdings besitzt der VXI-Bus eine dynamische Adressierung mit manuellen Adress- und Interrupt-Vergaben. Damit sollen Fehlfunktionen aufgrund von Doppeladressierungen vermieden werden. Dieses Konzept wurde später auch für PCs beim Wechsel vom ISA- zum PCI-Bus verfolgt.
Mehrfach abgekündigt und wieder verlängert, werden immer mehr VXI-Produkte eingestellt und es wird zusehends schwerer, an Ersatzteile für die wenigen verbliebenen VXI-Systeme zu kommen.
PCI-Einsteckkarten
Bereits Anfang der 1990er Jahre wurde in der PC-Technik der PCI-Standard (Peripheral Component Interconnect) vorgeschlagen, der bis Mitte der 1990er den zuvor vorherrschenden ISA-Bus ablöste. Bereits zu dieser Zeit begann man, PC-Einschubkarten mit messtechnischer Funktionalität zu entwickeln. Kleinere Aufgabenstellungen konnten so schnell und kostengünstig realisiert werden. Aus dem PCI-Standard wurden zahlreiche Varianten entwickelt, so zum Beispiel PCI-X, PC-Card/Cardbus (für Notebooks). Für einfachere, messtechnische Anforderungen relevant sind Compact PCI (cPCI) und PCI Express (PCIe). PXI(e) hat sich als messtechnische Spezialisierung auch für komplexe Aufgabenstellungen aus dem PCI-Bus entwickelt.
PXI(e)
PXI und PXIe stehen für PCI(e) Extension for Instrumentation. Der Standard geht auf National Instruments zurück und ist eine Weiterentwicklung des parallelen PCI- beziehungsweise des schnellen, seriellen PCIe-Busses der Computerwelt. Seit 1998 als offener Industriestandard definiert, sind aktuell über 60 Unternehmen im Konsortium zusammengeschlossen.
Ein PXI(e)-System besteht aus einem Mainframe mit integrierter Stromversorgung und Einschubplätzen für eine definierte Anzahl von PXI(e)-Modulen beziehungsweise Einsteck(karten)instrumenten. Der „Computer“ kann als Einschubkarte direkt in den Mainframe integriert werden. Alternativ lässt sich der PCI(e)-Bus eines externen Rechners mit sogenannten Bridges auf das Mainframe erweitern. Die Kommunikation untereinander erfolgt über eine gemeinsame Backplane.
Trotz der namentlichen, sehr engen Verwandtschaft unterscheiden sich PXI und PXIe grundlegend. Wie auch in der Computerindustrie gibt es die etwas ältere, parallele PXI- und die neuere, serielle PXIe-Architektur. In Mainframes können beide Kartentypen nicht beliebig gemischt werden, da sie nicht automatisch steck-kompatibel sind.
PXI(e) ergänzt den Datenbus um einen 10 MHz Referenztakt und Trigger-Funktionen, die jedem Modul zur Verfügung stehen. Im Vergleich mit Einzelinstrumenten sind Einsteckkarten sichtbar kompakter. Das führt zwangsläufig zum Wegfall des Frontpanels und zur Limitierung der elektrischen Leistung je Modul.
Aufgrund der hohen Datenraten und der geringen Latenzzeiten eignet sich PXI(e) für Systeme, die viele Daten erfassen und verarbeiten müssen. Die hohe Packungsdichte der Instrumente lässt sehr kompakte Messsysteme zu, die aufgrund der integrierten Rechner vollständig ohne externe Bedienelemente auskommen oder durch den Einsatz von FPGA-Karten Echtzeiteigenschaften zeigen können.
Die Steuerung der Instrumente erfolgt über mitgelieferte Treiber. Somit verschiebt sich das „Frontpanel“ in die Software und steht dort zur Visualisierung über den Treiber zur Verfügung. Die hohe verfügbare Daten-Bandbreite in Verbindung mit vielkanaligen Datenerfassungsmodulen macht PXI(e) bei der schnellen, zeitlich synchronisierten, präzisen Datenerfassung von vielen Kanälen interessant. Hierbei können je nach Applikation schnell Datenmengen von mehreren GByte in sehr kurzer Zeit aufgenommen werden.
LXI
LXI (LAN Extension for Instrumentation) wurde 2004 vorgestellt und füllte die Lücke eines bis dato noch fehlenden gemeinsamen Standards für Instrumente verschiedener Hersteller LAN-basierter Messgeräte. Das Konsortium ist heute auf zirka 50 Mitglieder gewachsen, die bisher über 2700 Produktfamilien registriert haben. LXI ergänzt die Basistechnologie Ethernet durch die Definition einheitlicher Konzepte für die Konfiguration, Triggerung, interaktive Bedienung und automatisierte Steuerung der Geräte.
Einzelinstrumente haben den großen Vorteil, dass die Gesamtfunktion des Instrumentes sichergestellt ist. Jedes Instrument kann direkt an das Stromnetz angeschlossen werden und bietet ein in sich geschlossenes Bedienkonzept. LXI erweitert dieses Konzept und bietet weitere Vorteile:
- Hohe Daten-Bandbreite durch Ethernet (bis 1 Gbit/s).
- Geringe Kosten aufgrund der hohen Verbreitung (Kabel, Switches).
- Einfache Bedienbarkeit: Zusätzlich zu einem eventuell vorhandenen Frontpanel lassen sich die meisten LXI-Geräte über integrierte Webserver direkt über einen Webbrowser konfigurieren und bedienen.
- Ebenso werden gängige Netzwerkprotokolle unterstützt, die die Instrumente im Netz selbstständig finden und in die Software integrieren (mDNS, VXI-11, HiSLIP, …).
- Plattformunabhängigkeit: Obwohl für alle Geräte fertige IVI-Treiber zur Verfügung stehen, lassen sich die meisten Instrumente auf Wunsch auch unabhängig mit geringem Aufwand programmieren, zum Beispiel über SCPI-Befehle.
LXI ist sehr vielseitig anwendbar. Zwar bieten andere Standards noch höhere Datenraten und geringere Latenzzeiten, jedoch spielen diese bei genauer Betrachtung in vielen realen Einsatzgebieten nur eine untergeordnete Rolle.
Bei Anwendungen wie im klassischen Funktionstest, wird oft zwischen vielen Messpunkten umgeschaltet. Die hierbei physikalisch auftretenden Schaltzeiten der eingesetzten Relais liegen üblicherweise im Millisekunden-Bereich. Auch Einstellungen wie Messfunktion und -bereiche der Messinstrumente werden häufig für jede Messung verändert. Deshalb haben ein durchdachtes Systemdesign und eine gute Applikationssoftware den größten Einfluss auf die tatsächliche Testzeit der Prüfobjekte.
Auch im Bereich der verteilten Datenerfassung kann LXI für die Überbrückung von großen Distanzen seine Vorteile ausspielen. Eine räumliche Verteilung der einzelnen Messerfassungen verbessert die Signalqualität, da geringere Kabelwege bei üblicherweise sehr kleinen Sensorsignalen notwendig sind. Außerdem wird der Messaufbau deutlich übersichtlicher, da von jeder Aufnahmestelle lediglich eine Netzwerkverbindung weiter geführt werden muss. Gerade bei Datenerfassungssystemen ermöglicht das IEEE-1588-Protokoll die präzise Zeitsynchronisation aller Komponenten im Netzwerk und sichert auch bei verteilten Systemen eine zeitlich korrelierte Erfassung räumlich getrennter Messstellen. Der LXI-Standard definiert diese und weitere Zusatzfunktionen, wie zum Beispiel Triggerung und stellt die gemeinsame Verwendung von Komponenten unterschiedlicher Hersteller sicher.
USB seriell / USB TMC
Für Computer wurde 1996 der Universal Serial Bus erstmalig vorgestellt. In der aktuellen Version 3 wurde er zum vorherrschenden Standard für jede Art von PC-Erweiterungsmodulen.
Die Messtechnikwelt hat USB mit dem Software-Protokoll USB TMC erweitert. USB TMC steht für „USB Test & Measurement Class”. Dabei handelt es sich um eine USB-Geräteklasse, die eine Kommunikation mit Prüf- und Messgeräten erlaubt. Die Spezifikation basiert auf USB 2.0 und wurde bereits Ende 2002 verabschiedet. USB TMC wird vom VISA-Standard unterstützt und definiert eine USB488-Unterklasse für Geräte, die Nachrichten auf Basis von IEEE 488.1 und IEEE 488.2 (GPIB) übertragen. Dadurch können Gerätehersteller ihre Schnittstellen von GPIB auf USB ändern und können trotzdem die volle Softwarekompatibilität zu bestehenden Lösungen gewährleisten. Ist ein VISA-Treiber installiert, werden USB-TMC-Geräte automatisch erkannt und können von den entsprechenden Anwendungen verwendet werden.
Für die Kommunikation definiert USB TMC zwei bis drei Endpunkte, zusätzlich zu dem vom USB-2.0-Standard vorgeschriebenen Control-Endpunkt. Der Bulk-OUT-Endpunkt dient zum Senden von Daten vom Host zum USB-Gerät und der Bulk-IN-Endpunkt zum Senden vom Gerät zum Host. Der Interrupt-IN-Endpunkt ist optional und sendet ebenfalls Daten vom Gerät zum Host. In USB488 wird der Interrupt-IN zum Beispiel verwendet, um Service Requests zu versenden.
Die Datenübertragung basiert auf Transfers, wobei ein Transfer aus mehreren Datenpaketen (Transaktionen) bestehen kann. USB-TMC-Nachrichten können über einen oder mehrere Transfers verschickt werden. Die erste Transaktion eines Transfers beginnt immer mit einem Header. Er enthält unter anderem den Nachrichtentyp, eine Transfer ID und die Anzahl der zu übertragenden Bytes. Die Transfer ID wird genutzt, um Antworten des Geräts der passenden Anfrage des Hosts zuzuordnen. Sie wird außerdem beim Abbrechen eines Transfers verwendet.
In der Messtechnik-Praxis wird USB (serial und TMC kommen parallel vor) heute gern für schnell zu bauende und weniger komplexe Messanwendungen eingesetzt.
AXIe
ECK-DATEN
Die Messtechnikzukunft könnte in verteilten, hybriden Systemen liegen. In der Kombinatorik verfügbarer Busse werden die Vorteile miteinander kombiniert. In den meisten Fällen kann dies LXI, PXI und USB sein, denkbar sind aber selbst Ethernet-Varianten aus der Automatisierung. Ansätze, die die Offenheit mitbringen, all diese Busse zu verwalten und die Vorteile auszuspielen, bringen das Prüffeld einen guten Schritt näher an Industrie 4.0. Hier könnte die offene Testplattform (OTP2) eine interessante Rolle spielen.
Der derzeit jüngste Spross der Messtechnikbus-Familie wurde 2009 aus der Wiege gehoben. Advanced TCA EXtensions for Instrumentation and Test versucht als Standard alles unter einen Hut zu bringen. Basierend auf ATCA, einem in der Messtechnik kaum bekannten Standard, dürfen PXI und LAN/LXI kombiniert werden, wobei die grundsätzliche Struktur mit einem Chassis, in das Karten eingeschoben werden und die Selbstbezeichnung, als größerer Bruder von PXI, die Orientierung vorgeben. Zielmärkte für AXIe-Anwendungen sind speziell die Märkte Aerospace/Defense und Halbleitertest, die besonders hohe Geschwindigkeiten fordern. Das Konsortium ist mit 15 Mitgliedern deutlich kleiner als PXI und LXI.
Weitere Exoten-Busse
Immer vielfältigere Anforderungen an Testsysteme führten in den letzten fünf bis zehn Jahren auch zur Verwendung von Hardware mit Bussen, die man im Test nicht erwartet. Man orientiert sich hierbei oft an der Anwendung des Prüflings. Da heutige Messinstrumenten modular aufgebaut werden, lassen sich Funktionsbereich und zum Beispiel Kommunikationsschnittstelle voneinander trennen, letztere kann „ausgetauscht“ werden. Am einfachsten ist das zwischen PCIe und PXI(e) zu realisieren. So findet man vereinzelte Systeme auf Basis von ATCA, MTCA, CAN oder sogar Automatisierungsstandards.
In der Testsystemwelt haben sich weitere Sonderformen wie ABex, Compact TSVP und OTP2 entwickelt, die strenggenommen aber keine eigenständige Busstruktur darstellen.
Und jetzt: Industrie 4.0
Mit Industrie 4.0 ist ein neues Konzept zur Gestaltung der Organisation eines (Produktions-) Systems entstanden:
- Vernetzung: Maschinen, Geräte, Sensoren und Menschen können sich miteinander vernetzen und kommunizieren. So entstehen sich permanent an die Gegebenheiten anpassende Prozesse.
- Informationstransparenz: Sensordaten erweitern das Datenbild zur Selbstdiagnostik von Prozess und System auf Schwachstellen und potenzielle Fehler.
- Technische Assistenz: Assistenzsysteme unterstützen die Entscheidungsfindung durch vorab zusammengefasste, visualisierte Informationen und so das Abweichungsmanagement und Fehlerkorrektur.
- Verteilte, dezentrale Entscheidungen: (Teil-) Systeme können eigenständige (Teil-) Entscheidungen treffen und (Teil-) Aufgaben autonom erledigen.
Vorteile moderner Bussysteme
Messgeräte mit LXI sind seit der ersten Stunde Vorreiter im Zeitalter der wachsenden Bedeutung von Industrie 4.0. LXI und USB ermöglichen das einfache Vernetzen von Messinstrumenten. PXI(e) ist ein Einsteckkartensystem, das die Vorteile der schnellen Kommunikation zwischen Einsteckkarten nutzt. Durch geschickte Kombination der Bussysteme lassen sich moderne hybride Systeme mit hoher elektrischer Leistung, schneller Signalverarbeitung zum Beispiel für Echtzeitanwendungen, parallelem Test von Baugruppen bis hin zu räumlich verteilten Datenerfassungssystemen mit Zeitsynchronisierung realisieren. Diesem Gedanken folgt auch der bereits erwähnte OTP2-Ansatz sehr stark. Eine genauso offen gestaltete Softwarestruktur ist hierfür essenziell.
Christian Korreng
Roland Blaschke
(jj)