Der Soloassist bei einer OP im Einsatz

(Bild: Aktormed)

Eckdaten

Bedeutete vor rund 15 Jahren der Übergang von der manuellen zur robotergestützten Führung der OP-Kamera bei minimalinvasiven Eingriffen eine deutliche Verbesserung für den Operateur, erleichtert die 2017 vorgestellte, sprachgesteuerte Version den Einsatz noch einmal deutlich. Allerdings stellt die dahinterliegende Software zur Spracherkennung und Steuerung des Roboterarms vergleichbar hohe Anforderungen an die Hardware. Reichte für die Version, die per Joystick gesteuert wurde, ein simpler Mikrocontroller aus, kommt in der sprachsteuerbaren Version ein Kontron-Motherboard, also ein vollwertiger Embedded-Industrial-Computer, zum Einsatz.

Viele Operationen finden seit den 1980er Jahren minimalinvasiv statt, so etwa ein Großteil der rund 200.000 Leistenbruchoperationen bei Männern in Deutschland. Minimalinvasive Eingriffe werden auch als Schlüssellochchirurgie betitelt. Denn bei diesen Eingriffen werden über zwei winzige Schnitte die Instrumente und das Endoskop, eine Minikamera mit einem Durchmesser von fünf bis zehn Millimeter, zum Operationsgebiet geführt. Das Bild wird auf einem externen Monitor wiedergegeben und zeigt dem Chirurgen das Operationsgebiet an. In der Klinik bedeutet das, dass bei vielen Eingriffen neben dem Chirurgen auch ein zweiter Arzt für die Führung der Kamera bei Operationen anwesend sein muss. Lediglich bei sehr einfachen Operationen reicht es aus, dass ein Arzt die Kamera selbst justiert.

Immer noch wird bei einem Großteil der minimalinvasiven Eingriffe das Endoskop komplett per Hand geführt. In der Praxis hat das gravierende Nachteile, die sich durch die technologische Entwicklung verstärken: Hochauflösende Kameras produzieren Bilder in 4K- oder sogar 8K-Qualität, sogar 3D-Aufnahmen sind mittlerweile möglich. Für viele darauf beruhende Anwendungen fehlt dem Menschen jedoch die notwendige ruhige Hand, das bis zu 600 Gramm schwere Endoskop minutenlang ruhig in unbequemen Positionen zu halten. Kleinste Zitterbewegungen werden bei der vergrößerten Wiedergabe auf hochauflösenden Bildschirmen so verstärkt, dass sie ein präzises Arbeiten eher erschweren als erleichtern. Dazu kommt, dass Bewegungen des gesamten Körpers, etwa um einem Kollegen Zugang zum OP-Tisch zu erleichtern, trotz aller Bemühungen ebenfalls die Hand, die das Endoskop hält, in Bewegung versetzen. Zudem erschweren oft Verständigungsprobleme die effektive und präzise Arbeit mit dem Endoskop, wenn zwischen dem Chirurgen und seinem Kollegen an der Kamera etwa nicht ganz klar ist, wie weit oder in welche Richtung die Kamera bewegt werden soll.

Ruhig in jeder OP-Lage: der Roboterarm

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Das Herzstück des Soloassists ist das Kontron-Mini-ITX-Board E38 mit einem Intel-Atom-Prozessor der E3800-Serie. Es verfügt über ausreichend Speicherplatz und zahlreiche in der Industrie benötigte Schnittstellen. Kontron

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Der sprachgesteuerte Roboterarm Soloassist erleichtert Chirurgen die Arbeit mit Endoskopen. Aktormed

Der von Aktormed entwickelte Roboterarm, der das Endoskop führt, brachte dabei schon wesentliche Erleichterung: Er kann mit drei Freiheitsgraden flexibel manuell geführt und in der richtigen Position fixiert werden. So konnte zumindest bei einer fixierten Position bereits mit einem absolut ruhigen Bild gearbeitet werden. Der Joystick vereinfachte zudem die Führung, sodass in manchen Fällen bereits auf einen zweiten, Endoskop-führenden Arzt ganz verzichtet werden konnte – beim chronischen Chirurgenmangel in vielen Kliniken ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Zu den Kunden des Unternehmens zählen Krankenhäuser in Deutschland, aber auch Kliniken auf der ganzen Welt. Aktormed ist eine Manufaktur für die Entwicklung und den Vertrieb von Medizingeräten, die im Jahr 2005 in Regensburg gegründet wurde. Mit derzeit 16 Mitarbeitern, vor allem Ingenieuren, Elektrotechnikern und Mechatronikern, wird der Roboterarm Soloassist gefertigt und vertrieben sowie neue Produkte entwickelt.

Hohe Rechenleistung für Sprachsteuerung

Noch flexibler kann der Roboterarm eingesetzt werden, wenn er direkt auf die Sprachbefehle des Operateurs reagieren kann. Damit kann der operierende Chirurg die Kamera mit wenigen einfachen Befehlen in die benötigte Richtung lenken und hat beide Hände für den Eingriff frei.

Im Gegensatz zum Joystick benötigt die Spracherkennung und -verarbeitung allerdings deutlich mehr Rechen- und Speicherleistung. Die Entwickler von Aktormed haben sich deshalb entschieden, auf einen Industrie-PC zu setzen, der diese Voraussetzung und zugleich die strengen Kriterien für Geräte im Operationssaal erfüllt. Neben den reinen technischen Merkmalen gaben auch noch weitere Gründe den Ausschlag, sich für Kontron zu entscheiden: Da Innovationszyklen in der Medizintechnik lang sind und Beschaffungsvorhaben mehrere Jahre dauern können, muss für die Komponenten des Soloassist eine Langzeitverfügbarkeit von mindesten sieben bis zehn Jahren gegeben sein, wie sie Kontron für seine industriellen Boards anbietet. Alleine durch diese Vorgabe schieden bereits zahlreiche Board-Hersteller im frühen Stadium des Auswahlprozesses aus. Weiterhin bestand die Notwendigkeit, auf einen USB-Bus auf dem Board zugreifen zu können; auch dieses Feature war bei vielen Mitbewerbern von Kontron nicht gegeben, sodass der Entscheidungsprozess im Jahr 2015 auf Kontron zulief. Zudem überzeugte das Engagement des Kontron-Partners Aaronn, der gemeinsam mit Kontron alle Ansprüche in puncto Service und Support erfüllen kann.

Kontron-Industrial-Computer-Motherboard als Herzstück

Bei dem eingesetzten Motherboard handelt es sich um das Kontron-Mini-ITX-Board E38 mit Intel-Atom-Prozessor der E3800-Serie, das über ausreichend Speicherplatz und zahlreiche in der Industrie benötigte Schnittstellen verfügt. Für das Betriebssystem steht ein boot-fähiger Flashspeicher bereit, Anwendungsdaten werden über eine SSD-Storage gespeichert. Bis Mitte 2019, nach drei Jahren im klinischen Einsatz, wurde kein einziger Ausfall eines Motherboards verzeichnet. Nicht zuletzt dadurch unterscheidet sich das Board deutlich von dem großen Angebot an Boards für Consumer-Produkte.

Die hohe Ausfallsicherheit garantiert auch die Sicherheit für den Patienten: Der Roboterarm ist gegenüber unkontrollierten Bewegungen über Algorithmen abgesichert. Dadurch ist garantiert, dass das Endoskop den Patienten keinesfalls verletzt.

Soloassist läuft mit den Industriecomputern von Kontron absolut zuverlässig und fehlerfrei. Durch die Services von Kontron und Partner Aaronn bei der Konfiguration kann sich Aktormed ganz auf die Entwicklung des Roboterarms konzentrieren. Im internationalen Vertrieb hilft die Erfahrung von Kontron auf den Weltmärkten, die es dem Unternehmen erleichtert, schnell die notwendigen, oft komplexen Zulassungsverfahren für medizinische Geräte zu bestehen. Für die Zukunft sieht sich das Unternehmen mit Kontron ebenfalls gut gerüstet, wenn Themen wie die Erkennung natürlicher Sprache oder künstliche Intelligenz für die Steuerung des Roboterarms Einzug halten.

Da Zulassungen für Medizingeräte in der Regel komplex, langwierig und in allen Ländern unterschiedlich sind, kann Aktormed hier auf viele notwendige Zertifizierungen wie CE und Bestätigungen sowie Prüfungen zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV), elektrischen Sicherheit und zu den funkspezifischen Anforderungen der US-amerikanischen Federal Communications Commission (FCC) bereits zugreifen. Auch hier macht sich die Langzeitverfügbarkeit bezahlt, denn wenn sich an der einmal zugelassenen Komponente etwas ändert, wäre bei der nächsten Auslieferung eine aufwendige Rezertifizierung notwendig.

Kontron-Partner Aaronn sorgt für passgenaue Auslieferung

Die komplette Software für die Sprachsteuerung des Soloassist II läuft nun unter Windows 7 Embedded reibungslos auf dem Kontron Motherboard. Die Boards werden vom Kontron-Partner Aaronn einbaufertig angeliefert. Vorher werden sie bei Aaronn mit Arbeitsspeicher, einem Lüfter und dem SSD-Speicher ergänzt, dann wird das Software-Image aufgespielt und es finden Funktionstests statt.

Aktormed denkt auch schon über Anwendungen der künstlichen Intelligenz nach: Das Endoskop könnte das zu behandelnde Operationsgebiet, beispielsweise ein Organ, selbstständig finden und sich selbst positionieren. Denkbar ist auch, dass durch Machine Learning bestimmte Operationsverläufe gespeichert werden und der Roboterarm die entsprechende Neupositionierung des Endoskops selbst vornehmen kann.

Stefan Lobmeier

Product Manager Motherboards & SBC bei Kontron

(neu)

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