OEM erklären immer wieder ihre Boards nicht testen müssen, da die Auftragsfertiger ja eh nur zu 100 Prozent geprüfte, arbeitsfähige Boards liefern dürfen. Ausgehend von dieser Premisse ist der Test der Boards auch kein Thema für die Entwicklungsabteilungen der OEM-Kunden. Andererseits kann vermutlich kein OEM diese Anforderung – nur zu 100 Prozent geprüfte Boards zu erhalten – vollständig durchsetzen. Und wenn doch, wie sehen diese Test aus?
Detaillierte strukturelle Tests lohnen sich
So führen Auftragsfertiger vielleicht lediglich einen oberflächlichen Hot-Mock-up-Funktionstest (System-Simulator) durch und beobachten einfach, ob eine Power-up-Sequenz wie erwartet erfolgt. Besteht das Board diesen Test nicht, wird es durch ein weiteres Exemplar ersetzt, bis der Auftrag vollständig abgearbeitet ist. So landet je nach Prozessqualität und -ausbeute eine beliebige Anzahl Boards auf dem Stapel der fehlerhaften Baugruppen. Die Kosten dafür tragen letztendlich die OEM-Kunden.
Wenn sich die Fehler der Boards aber diagnostizieren lassen, die Reparaturkosten den Baugruppenwert (Materialkosten, Produktionskosten und Gemeinkosten) nicht überschreiten und auch der Produktionsprozess überprüft wird, machen detailliertere strukturelle Tests indes durchaus Sinn. Vor der Entscheidung für die optimale, sprich kostengünstigste Teststrategie sollten OEMs und Auftragsfertiger gemeinsam Aspekte wie fertigungsgerechtes Design (DfT), Fehlerabdeckung, Diagnosetiefe (Leistung des Testsystems) und mehr diskutieren.
eckdaten
Reparatur statt Ausschuss
Wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung für ein Testsystem ist der Testumfang. Einfache Funktionstests reichen bei Baugruppen nicht aus. Erst strukturelle Tests, die den Prozess auf die Funktionalität der kleinsten Bestandteile des Geräts herunterbrechen, identifizieren detaillliert die Verursacher von Ausfällen und ermöglichen damit die gezielte Reparatur von Boards, die andernfalls als Ausschuss geendet wären. Der Artikel erklärt Schritt für Schritt den Entscheidungsprozess für ein geeignetes Testsystem.
Festlegen der Teststrategie
Hat sich ein OEM dafür entschieden eigene Testanforderungen festzulegen, gilt es das optimale System zu definieren. Wichtige Voraussetzung dafür ist die Beantwortung folgender Fragen:
- Wie groß ist der größte zu testende Prüfling?
- Sind die Boarddesigns primär analog oder digital?
- Unterstützen die Boards JTAG/Boundary-Scan?
- Gibt es spezielle Aspekte, die zu testen sind (HF, Hochspannung)?
- Welche Stückzahlen sind zu testen? Sind mehrere Systeme erforderlich?
- Sollen externe Dienstleister die Tests durchführen?
Sehr große Boards schließen bestimmte Tester wie etwa Flying Prober aus. Boards mit vielen Testpunkten können vakuum- oder druckluftbetriebene Adaptersysteme erfordern, um die Prüflinge mit den Testnadeln zu verbinden. Hochfrequenz-Boards können dagegen Tests in einer abgeschirmten Umgebung (faradayscher Käfig) erfordern, um Einflüsse elektromagnetischer Felder zu eliminieren. Hochspannungsboards benötigen zusätzlichen Ausfallschutz und Abschaltmechanismen, um Benutzer und Prüfling vor gefährlichen Versorgungsspannungen zu schützen. Für diese Fälle empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Adapter-Lieferanten, der in Sachen Test- und Adaptersysteme beraten und beispielsweise auch abschätzen kann, ob ein allgemeines, rekonfigurierbares System zum Einsatz kommen könnte.
Auswahl des richtigen Equipments
Der Testadapter an sich ist ein Zugangsmechanismus, der die Kontaktierung der Testpunkte des Prüflings mit der erforderlichen Genauigkeit ermöglicht. Für sich alleine ist das Ding ziemlich nutzlos, bis es mit der Testeinrichtung verbunden wird. Indes sollte nicht die gleiche Testeinrichtung zum Einsatz kommen wie beim Debugging des Designs. Denn die meisten Entwicklungswerkzeuge sind nicht für die rauen Bedingungen eines Produktionstests ausgelegt und unterstützen nicht immer die Produktionstest-Software, was die Integration in eine breitere Testumgebung verhindert. So kommt es zu verschiedenen Benutzerschnittstellen und verwirrenden Testverfahren.
Besser ist es, sich zunächst für eine Test-Executive-Software zu entscheiden und dann robuste Instrumente auszuwählen, die diese Software anschließend steuert. Daraufhin ist die Diagnosetiefe festzulegen, da sie Einfluss auf den Umfang der erforderlichen Messgeräte hat.
JTAG/Boundary-Scan- und digitale Funktionstests
Ein typisches strukturelles ATE-System wie ein Manufacturing Defects Analyser (MDA) benötigt nur wenige Messverfahren, um Spannung, Frequenz, Zeit und elektrischen Durchgang an einigen hundert Kanälen zu erfassen. Kommen die Generierung und Erfassung von Testmustern über digitale Kanäle hinzu, lässt sich die Diagnose um digitale Funktionstests erweitern. Bedient man sich darüber hinaus des JTAG/Boundary-Scan-Tests, kann das System die Verbindungen zwischen Bauteilen prüfen, Verbindungstests an Memory-Clustern sowie Logiktests durchführen und Bauteile wie Flash-Speicher oder CPLDs programmieren und so weiter.
Alle genannten Features sind im ultrakompakten Testmodul JT 5705/FXT von JTAG Technologies bereits vorhanden. In der Tat bietet das Modul JT 5705 für sich allein bereits alle Funktionen für die erforderliche Diagnosetiefe. Bei besonderen Anforderungen lassen sich problemlos entsprechende Instrumente wie Oszilloskope, HF-Generatoren, Leistungsmesser, Zeitgeber/Zähler oder Schaltmatrizen hinzufügen. Testsysteme, die funktionale und strukturelle Testaspekte miteinander verbinden, sind als Kombitester bekannt.
Der Einsatz feldprogrammierbarer Gate-Arrays (FPGA) ermöglicht rekonfigurierbare Instrumente mit PXI- oder JTAG-Schnittstellen und verbessert damit die Flexibilität der Testsysteme erheblich. JTAG Technologies Mios-Systeme JT 5705 und JT 5112 sind
Beispiele für rekonfigurierbare Testmodule, die sich über JTAG umprogrammieren lassen. So sind etwa serielle Busse wie SPI, CAN, I2C und E-net oder DDRx-Memory-Interfaces als Testinstrumente möglich.
Softwareauswahl für Kombitester
Sobald Adapter, Instrumente und Spannungsversorgungen ausgewählt sind, steht die Entscheidung für eine Test-Executive-Software an. Dabei steht die Auswahl eines der bekannteren Softwarepakete an:
- National Instruments (NI) bietet verschiedene Möglichkeiten an: vom allgegenwärtigen Paket Labview über Labwindows/CVI bis zu Teststand. Das grafische Programmiersystem Labview war ursprünglich als Softwarewerkzeug für die Forschung gedacht, übt aber inzwischen große Anziehungskraft auf Nicht-Programmierer in der ATE-Welt aus. Labview/CVI bietet eine herkömmlichere Programmierschnittstelle (API), aber ohne vollständige Implementierung von ANSI C. Zahllose Instrumententreiber unterstützen die Software.
- Python, bekannt als Programmierwerkzeug für Ingenieure. Das Open-Source-Tool verbindet die Einfachheit von BASIC mit vielen erweiterten Funktionalitäten von C. Der Python-Wrapper Pyvisa bietet einen einfachen Zugang zu Shared Libraries (DLLs), die die Spezifikation der virtuellen Instrumenten-Softwarearchitektur (VISA) umsetzen und die Hochsprachen-Steuerung herkömmlicher Instrumente erlauben. Hierfür bietet JTAG Technologies eine eigene Bibliothek für Boundary-Scan-Aktivitäten an.
- .NET ist Microsofts aktuelle Programmierumgebung und bietet Interoperabilität über zahlreiche Programmiersprachen. Für das .NET Framework geschriebene Programme laufen nicht in der Hardware, sondern in einer Softwareumgebung ab (Common Language Runtime, CLR) und bieten als virtuelle Maschine für Applikationen Dienste wie Security, Memory Management und Exception Handling. Unterstützte Sprachen reichen von C# bis zu Visual Basic.
- Dazu kommen weitere Softwarelösungen wie Marvins ATEasy, Keysights VEE oder JTAG Technologies AEX-Manager.
Spezifikationen und Dokumentation
Nach der Makrobetrachtung der Testumgebung ist eine detaillierte Testspezifikation je Prüflingstyp erforderlich, damit Systemprogrammierer die Aufgabe logisch strukturiert angehen können. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn externe Dienstleister wie Ingenieurbüros oder Systemintegratoren die Aufgabe übernehmen. Anweisungen wie „Testen Sie so viel wie möglich“ sind völlig sinnlos und führen später oft zu Diskussionen oder gar Vertragsstreitereien. Die Testspezifikation beinhaltet auch die Abnahmekriterien für die Prüfeinrichtung und Konformitätschecks bezüglich der elektrischen Sicherheit sowie Maßnahmen für die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV).
Die Dokumentation des fertigen Systems ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Denn viele sorgfältig entwickelte Systeme sind nur deshalb nicht mehr in Betrieb, weil der Projektleiter den Arbeitgeber gewechselt hat, ohne eine angemessene Dokumentation zu hinterlassen.
Inbetriebnahme und Wartung
Noch vor dem ersten Einschalten ist das System in jedem Fall auf Konformität mit den Sicherheitsvorschriften zu überprüfen. Anschließend lässt sich das Prüfprogramm zum Aufdecken möglicher Fehlalarme an einer bekanntermaßen guten Baugruppe (Golden Board) verifizieren und falls verfügbar auch an Baugruppen mit bekannten Fehlern. So lassen sich die Grenzwertparameter der Messungen genau einstellen.
Die Wartung ist der möglicherweise am meisten vernachlässigte Aspekt eines Prüfsystemdesigns. In jedem Testsystem befinden sich Verbrauchsmaterialien, die regelmäßig zu ersetzen sind. Prüfnadeln, Teststecker und -kabel haben eine endliche Lebensdauer und sind daher regelmäßig zu ersetzen. Die meisten analogen Messsysteme erfordern eine regelmäßige Kalibrierung oder zumindest einen Vergleich mit einem rückführbaren Instrument der vierfachen Genauigkeit. In diesem Sinne muss ein einfacher Zugang zu den Komponenten des Testsystem bereits in der Entwurfsphase sichergestellt werden, um Wartung und Service effizient durchführen zu können.
electronica 2016: Halle A1, Stand 221
(mou)