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(Bild: Kontron Electronics)

Eckdaten

Das industrietaugliche Raspberry-Pi-Starterkit von Kontron ermöglicht den industriellen beziehungsweise kommerziellen Einsatz der Raspberry-Pi-Plattform in Unternehmen und Organisationen.

Der Aufstieg des Raspberry Pi ist tatsächlich unaufhaltsam. Das hat weniger damit zu tun, dass er technologisch einzigartig ist, vielmehr damit, dass er bei Berufseinsteigern bekannt und erprobt ist. Im späteren Job lassen sich dann die Erfahrungen aus der Ausbildung nutzen . Viele Proof-of-Concept (PoC)-Untersuchungen in Firmen basieren heute schon auf einer Raspberry-Pi-Plattform.

Das sind seit etwa fünf Jahren auch die Erfahrungen von Kontron Electronics, der früheren Exceet Electronics aus dem österreichischen Ebbs und heute Teil der Kontron und S&T-Gruppe: Von Kunden gelieferte Designs beruhen mittlerweile immer häufiger auf Prototypen auf Basis von Raspberry Pi. Ingenieure und Entwickler auf Kundenseite sind auf der Plattform ausgebildet und kommen deshalb schnell zu Ergebnissen. Diese werden vermehrt auf kostengünstigen Plattformen wie Raspberry Pi, Arduino oder Beagle-Board geliefert, wobei Raspberry Pi den Löwenanteil einnimmt. Für diese Entwicklung ist auch Kontron Electronics mitverantwortlich, denn für Bachelor- und Masterarbeiten, die das Unternehmen unterstützt, wird häufig auch Raspberry Pi verwendet.

Raspberry Pi: von Anwendern und Entwicklern auf Kundenseite gefordert

Kontron Electronics verfügt über langjährige Erfahrung darin, für Kundenanforderungen die passende Embedded-Plattform auszuwählen beziehungsweise einen vorliegenden Designentwurf zur Serienreife zu bringen. In vielen Fällen mussten aber komplette Designs, die auf Basis von Raspberry Pi entstanden waren, von Grund auf neu entwickelt werden, damit sie einer Industrie-Prozessor- und Board-Plattform für die Serienfertigung genügen. Der finanzielle und zeitliche Aufwand für Kunden war entsprechend hoch; die Markteinführungszeiten der Produkte, vom ersten Design bis zur serienreifen Plattform entsprechend lang. Das war für Kontron Electronics Grund genug, Raspberry Pi als Alternative beziehungsweise als Ergänzung zu Standard-Industrie-Plattformen zu etablieren.

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Viele Applikationen und Programme, die für Raspberry Pi von der Open Source Community frei verfügbar sind, können ohne zusätzlichen Entwicklungsaufwand auch im Industrieeinsatz verwendet werden. Kontron

Kontron Electronics hat mittlerweile die ersten kommerziellen Projekte mit Raspberry Pi abgeschlossen und kann ein erstes Fazit ziehen: Der günstige Ausgangspreis für die Plattform spiegelt den Preis für ein serienreifes Produkt im industriellen Einsatz meistens nicht im Ansatz wieder. Es zeigt sich, dass auch für Prototypen auf Basis von Raspberry Pi Beratung bei der Umsetzung zum serienreifen Industrieprodukt notwendig ist. Die daraus entstehende Industrieplattform ist in manchen Fällen nicht günstiger als eine standardisierte Embedded-Plattform. Kontron Electronics kann sogar auf Einsatzfälle verweisen, bei denen sich nach der Beratungsphase zeigte, dass industrielle Standardprodukte für den Serieneinsatz in Summe günstiger waren.

Nicht immer spricht der Preis für Raspberry

Oftmals ist aber der Preis nicht das einzige ausschlaggebende Argument: Bei Raspberry ist die Einfachheit der Software-Handhabung häufig wichtiger. Denn das Raspberry-Betriebssystem Raspian OS auf Basis von Linux ist sehr einfach in der Anwendung. Beispielsweise lassen sich Software-Pakete leicht nachinstallieren, was eine enorme Zeitersparnis bringt. Embedded Linux etwa ist deutlich schwerer und aufwendiger zu installieren und zu administrieren. Auch hier ist die Einfachheit darin begründet, dass der Raspberry ursprünglich nur für den Einsatz in Forschung und Lehre gedacht war.

Auch das spricht häufig für den Einsatz von Raspberry: der verfügbare Support durch eine weltweite Community von Fans und Spezialisten, wie sie kein kommerziell orientiertes Unternehmen anbieten kann. So profitieren auch die Unternehmen insbesondere von der Offenheit und Hilfsbereitschaft vieler Schüler, Studenten und junger „Maker“, die sich für Raspberry engagieren. Sie kommunizieren und helfen sich gegenseitig in Social Networks. Es heißt sogar, dass Raspberry inzwischen die größte Linux-Support-Community weltweit aufweisen kann.

Raus aus der Tüftlerecke dank Support und Community

Durch die Größe der Community liegt ein weiterer Vorteil auf der Hand: insgesamt wurde die Raspberry-Plattform rund 18 Millionen Mal verkauft (Stand Anfang 2018). Auf eine vergleichbar große Nutzerbasis kommt kein Standard-Industrie-PC; eine höhere Testabdeckung ist praktisch nicht möglich. Dementsprechend ausgereift ist die Plattform, weshalb das „Tüftler“-Image nicht mehr unbedingt zutreffend ist.

Die Open-Source-Basis des Betriebssystems und vieler Anwendungen dagegen sind nur von eingeschränktem Vorteil für industrielle Anwender. Zwar sind viele Anwendungen unter einer freien Lizenz verfügbar, doch gegebenenfalls angepasster Source Code muss auch wieder unter der freien Lizenz veröffentlicht werden. Damit tun sich viele kommerzielle Unternehmen natürlich schwer, wenn „ihre Software“ wieder kostenlos jedermann verfügbar gemacht werden muss. Nicht viel anders sieht es aus, wenn nur einzelne Module aus bestehenden Applikationen verwendet werden, üblicherweise müssen auch daraus abgeleitet Programme wieder unter freier Lizenz veröffentlicht werden. Wer aber nicht auf Linux angewiesen ist, kann auch Windows IoT Core auf der Plattform betreiben.

Thema der nächsten Seite ist das Industrial Starterkit von Kontron Electronics

Die Nutzung von Raspberry Pi im industriellen Umfeld hat aber auch ihre Mankos, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Eines ist die fehlende Standardisierung, im Vergleich zu Standards wie Smarc, COM Express oder Qseven. Zudem wird der Raspberry nur von der Raspberry Foundation beziehungsweise ihren Distributoren vermarktet. Deshalb gibt es keine Variantenvielfalt, zum Beispiel in punkto Leistung, Stromaufnahme oder Ausstattung.

Des Weiteren sind derzeit nur zwei Prozessorgenerationen als Compute Modules verfügbar: Das Compute Module 1 aus dem Jahr 2014 und das Compute Module 3, das Anfang 2017 vorgestellt wurde. Eine Prozessorauswahl für unterschiedliche Anwendungszwecke, wie etwa bei Intel, AMD oder NXP, gibt es bei Raspberry nicht. Auch eine garantierte Langzeitverfügbarkeit über sieben Jahre hinaus, wie sie zum Beispiel Kontron für viele Standard-Industrie-PCs anbietet, ist für Raspberry Pi nicht erhältlich. Dies zeigt auch, dass eine generelle Aussage, bezüglich der Anwendungen oder Branchen für die Raspberry geeignet ist, nicht zu treffen ist. Es hängt immer vom jeweiligen Einsatzzweck ab.

Kontron Electronics hat sich daher entschlossen, ein „Industrial Starterkit“ anzubieten, auf dessen Basis sich sehr schnell ermitteln lässt, ob das Raspberry Compute Module den Anforderungen entspricht. Das Starterkit verfügt über alle in der Industrie verbreiteten Schnittstellen, wie Ethernet, CAN-Bus, 1-Wire und RS485/RS232. Das erprobte Schaltungsdesign und der industriell übliche Stromanschluss mit 24 V sorgen für eine zuverlässige Einsatzfähigkeit. Weitere industrielle analoge und digitale I/Os erlauben die Integration in vorgegebene Anwendungen. Auf der Basis des Starterkit lässt sich damit der Weg zum Prototyp und anschließend zum fertigen Produkt deutlich verkürzen.

Raspberry im Krankenhaus – ein Anwendungsbeispiel

Kontron Electronics entwickelte gemeinsam mit einem Kunden eine mobile Lösung zur kontinuierlichen Echtzeiterfassung der Vitaldaten bettlägeriger Patienten. Berührungslos und unsichtbar unter dem Krankenhausbett untergebracht, misst eine Box Vitaldaten und zeichnet sie auf und alarmiert bei gravierenden Abweichungen Schwestern und Ärzte. Für die Aufzeichnung von Herz- und Atemfrequenz sowie Daten zur Dekubitus- und Sturzprophylaxe ist kein direkter Patientenkontakt erforderlich. Durch den Akkubetrieb lässt sich die Box einfach unter jedem Bett installieren.

Bei der Entwicklung der Hardware standen zudem folgende technische Anforderungen im Vordergrund: die Linux-Unterstützung – in dem Fall sollte yocto Linux verwendet werden; der Support mehrerer Schnittstellen wie WLAN, LAN und Bluetooth; hohe Rechenleistung, die auch Machine Learning erlaubt; Integration eines zusätzlichen unabhängigen Prozessors für die Gewährleistung der Messergebnisse.

Für den medizinischen Bereich ist Zertifizierung möglich

Generell sollte das Produkt natürlich für den Einsatz im Klinikumfeld zertifizierbar sein: Es sollte als Medizinprodukt der Klasse 2b anerkannt werden, das entspricht der zweithöchsten Klasse, wie etwa auch bei Anästhesie- und Beatmungsgeräten. Außerdem sollte es der EN 60601 genügen, die Sicherheitsanforderungen und ergonomische Forderungen an medizinische elektrische Geräte und in medizinischen Systemen definiert. Daneben war die schnelle Umsetzung, Langzeitverfügbarkeit und natürlich ein gutes Preis-Leistungsverhältnis gefragt.

Gemeinsam mit dem Kunden wurde entschieden, für das Produkt auf das Compute Module 3 zu setzen. Verglichen mit den Anforderungen hatte es zwar Nachteile in punkto Stromverbrauch und Langzeitverfügbarkeit. Die Vorteile bei der Rechenleistung, beim Linux-Support und nicht zuletzt beim Preis-Leistungsverhältnis, machten die Nachteile in dem Fall jedoch wett.

Eine Umsetzung erfolgte sehr schnell auf Basis des Starterkits; bei der Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit, die für die Krankenhausumgebung sehr wichtig ist, überzeugte der Prototyp sofort. Die Schnittstellen ließen sich mit Raspian OS sehr schnell verifizieren. Probleme gab es lediglich bei der Übertragung des Prototyps auf das geforderte yocto Linux, hier half teilweise die Community weiter, aber auch die professionelle Kompetenz aus der S&T-Gruppe zu der Kontron Electronics gehört.

Andreas Schlaffer

Head of R&D bei Kontron Electronics

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