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„Blauen LED gehört die Zukunft bei den optischen Inkrementalgebern“, sind Matthias Padelt (rechts), Geschäftsführer von Pepperl + Fuchs Drehgeber, und Stefan Horvatic, Leiter Produktmanagement, überzeugt. (Bild: Redaktion IEE)

Wie kam es zur Entscheidung, bei der neuen Drehgeber-Generation auf blaues Licht zu setzen?

Stefan Horvatic: Optische Dreh­­­­geber basieren meist auf infrarotem Licht und diese Technologie ist seit Jahrzehnten nahezu unverändert im Einsatz. Vor zwei Jahren hat die Firma IC-Haus einen Abtast-Chip speziell für blaue LEDs auf den Markt gebracht. Im Bereich Inkrementalgeber sind wir jetzt der erste große Anbieter, der diese Technologie nutzt.

Das blaue Licht hat den Vorteil, dass es kurzwelliger ist und dadurch hochfrequenter. Ein Beispiel aus dem Consumerbereich , das die Vorteile aufzeigt, ist das Thema Blu-ray versus CD oder DVD. Früher wurde die CD mit einem Infrarotlicht ausgelesen, dann kam die DVD mit kürzerer Wellenlänge im roten Bereich, gefolgt von Blu-ray mit einer blauen LED als Lichtquelle. Bei den Blu-rays hat sich so das Speichervolumen enorm erhöht, bei unseren Drehgebern die Präzision und Robustheit.

Wie ist hier der Zusammenhang?

Stefan Horvatic: Wenn kurzwelliges Licht auf eine Kante stößt, ist die Lichtintensität hinter dieser Kante stärker und erhöht so den Kontrast. Deswegen kann ich mit blauem Licht schärfer ausleuchten und so feinere Strukturen besser detektieren.

Durch die bessere Abtastung der Codescheibe wird der Inkrementalgeber also entsprechend präziser?

Matthias Padelt: Wir nutzen die kürzeren Wellenlängen nicht nur, um feinere Strukturen aufzulösen. Uns ist wichtig, dass das System robuster gegen äußere Einflüsse wird. Dabei kommen uns die Eigenschaften des blauen Lichts zu Gute. Denn Infrarot-basierte Drehgeber müssen sehr fein justiert sein, gerade was den Abstand der Scheibe zur Blende angeht. Und das stellt sehr hohe Anforderungen generell an das Personal und an den Produktionsprozess.

Welche Rolle spielt hier das blaue Licht?

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Anwender können sich über den höheren Wirkungsgrad Ihres Regelsystems freuen. Matthias Padelt Redaktion IEE

Matthias Padelt: Wir nutzen hier zwei Vorteile: Zum einen können wir mit Bluebeam größere Abstände zwischen Scheibe und Blende realisieren – im Vergleich zu Infrarot mehr als verdoppeln. Außerdem steigt die Signalgüte deutlich an. Praktisch nutzen wir die Möglichkeiten des blauen Lichts nicht nur in eine Richtung. Plakativ gesprochen haben wir 50 Prozent in die Präzision und 50 Prozent in die Robustheit gesteckt.

Stefan Horvatic: Wir heben damit das Commodity-Produkt Inkrementalgeber auf ein höheres Niveau und können so neue Applikationsfelder erreichen. Daher statten wir alle optischen Drehgeber künftig mit der Bluebeam-Technologie aus.

Matthias Padelt: Wir hätten auch einen High Precision-Geber entwickeln können, wenn wir unser bewährtes Aufbauprinzip weiterhin verwendet hätten. Aber in diese Richtung wollen wir nicht. Wir wollten einen Geber, der hinsichtlich Präzision und Robustheit besser ist als die Konkurrenz und gleichzeitig mehr Flexibilität in der Produktion bietet.

Stefan Horvatic: Was man allerdings ganz klar sagen muss: Es gibt durchaus Drehgeber mit der Genauigkeit die Bluebeam bietet. Aber das sind dann alles eher Spezialdrehgeber, die wurden ex­tra für die jeweiligen Applikationen aufwändig gefertigt. Wir liefern diese Performance jetzt mit einem Standardportfolio.

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Für mich gibt es keinen Grund mehr, auf Infrarot zu setzen. Stefan Horvatic Redaktion IEE

Welche Werte haben sich verbessert?

Stefan Horvatic: Vor allem die elektrischen Kennwerte bezogen auf die Signalgüte haben sich verbessert. Zum Beispiel können wir nun eine Toleranz der Phasenlage von A zu B weit unter 10 Prozent über alle verfügbaren Varianten garantieren. Neben der Abtastung haben wir natürlich sehr viel Wert auf das mechanische Design gelegt. Beispielsweise haben wir jetzt auch verblockte Lager. Das heißt, ein Bund verhindert, dass die Kugellager bei zu starker Belastung durchgedrückt werden.

Matthias Padelt: Eigentlich müssen die Drehgeber als messendes Bauteil ohne Last eingebaut werden. De facto ist es aber so, dass auch sie unter Lagerlasten stehen. Die radialen Lasten sind dabei nicht so kritisch. Allerdings war die axiale Last immer problematisch. Die hat im Laufe der Zeit die Achse eingedrückt. Jetzt haben wir diese verblockten Lager, bei denen die Last gegen einen Kragen drückt, der die Last abfängt.

Stefan Horvatic: Bei den Themen Schock und Vibrationen erreichen wir mittlerweile Werte von 300 g Schock und 30 g Vibration. Damit liegen wir deutlich über dem Marktstandard. Auch hier kommt der Vorteil der Bluebeam-Technologie zum Tagen, weil die Signalgüte bei hohen mechanischen Belastungen besser ist als bei vergleichbaren Drehgebern. Diese hohen Schock- und Vibrationswerte werden gefordert in Offshore- beziehungsweise in Heavy Duty-Anwendungen sowie bei Mobile Equipment oder bei starken Beschleunigungen. Die erreichten Werte haben sich verdreifacht, wenn man sie mit denen von vor drei Jahren vergleicht. Allerdings hat sich in den letzten ein bis zwei Jahren auch ein gewisser Wettbewerb breitgemacht unter den Mitstreitern, wer den robustesten Standard-Drehgeber hat. Dabei ist diese Robustheit in vielen Anwendungen nicht einmal gefordert.

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Wir sind der erste größere Anbieter,
der diese Technologie nutzt.
Matthias Padelt Redaktion IEE

Wie erreichen Sie diese höhere Robustheit?

Matthias Padelt: Zum einen haben wir das Thema des Scheibenmaterials. Mit dem größeren Abstand zwischen Scheibe und Blende können wir von Glas auf einen Hightech-Kunststoff wechseln. Dieses Material ist inzwischen sehr präzise bezüglich Planschlag und auch für die gleichen Temperaturbereiche wie Glas geeignet. Gleichzeitig zerbröselt mir die Kunststoffscheibe nicht sofort, falls es doch mal eine Belastung gibt. Und hinsichtlich Handling in der Produktion ist Kunststoff deutlich einfacher als eine Glasscheibe.

Außerdem haben Sie das Thema, dass es bei Beaufschlagung von mechanischen Lasten immer irgendwo auch auf die Scheibe drückt. Das heißt: Entweder schwingt die durch oder sie fängt an zu vibrieren. Da der Abstand Scheibe-Blende bei Bluebeam größer sein darf, kann die Scheibe ruhig vibrieren. Dadurch geht zwar etwas an Signalgüte verloren, was aber bei dem blauen Licht nicht wirklich ein Problem ist.

Laut ihrem Datenblatt sinkt die Schutzklasse mit steigender Drehzahl von IP 67 auf IP 65. Was sind die Hintergründe?

Matthias Padelt: Das Problem ist die Temperatur. Bei einem rotierenden System haben Sie Kugellager, die eine gewisse Dichtigkeit vorgeben. Wollen Sie eine höhere Dichtigkeit erreichen, müssen sie von außen eine Dichtung aufbringen, typischerweise ein Radialwellendichtring. Für eine hohe Dichtigkeit muss der Anpressdruck relativ stark sein. Wenn die Drehgeberachse dann mit bis zu 12 000 Umdrehungen rotiert, wird der Dichtring extrem warm und ist ruck zuck verschlissen.

An dieser Stelle kämpfen wir immer auch gegen unsere Mit­bewerber. Da werden teilweise aberwitzige Umdrehungszahlen und Dichtigkeiten angegeben, die aber in Kombination langfristig nicht funktionieren können. Wir legen hier Wert auf Seriosität. Was wir in die Datenblätter schreiben, das wird auch eingehalten.

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Die empfindlicheren Code-Scheiben aus Glas lassen sich jetzt durch Kunststoff ersetzen, ohne Einbußen bei der Präzision. Redaktion IEE

Gibt es bei den Ansprüchen an die Robustheit Unterschiede in den internationalen Märkten?

Matthias Padelt: Wir sind als Pepperl+Fuchs Drehgeber sehr früh in Asien präsent gewesen und haben uns dort zum Teil blutige Nasen geholt, einfach weil die Prozessbedingungen dort andere sind; sowohl was die mechanische als auch was die elektrische Belastung angeht. Sprich: Produkte, die in Europa und auch in Amerika von ihrer Qualität und Robustheit völlig ausreichend waren, sind beispielsweise in China ausgefallen. Typische Auslöser sind unter anderem eine mangelhafte oder schlechtere Netzteile. Deshalb haben unserer Drehgeber eine elektrische Robustheit, die deutlich über den CE-Anforderungen liegt. So können wir die Produkte auch in Applikationen einsetzen, in denen die für das CE-Zeichen geforderten Prüfpegel nicht ausreichen.

Wie sieht es mit Applikations-spezifischen Zulassungen wie E1 im Fahrzeugbereich, Germanischer Lloyd oder anderen aus?

Matthias Padelt: Das ist immer wieder ein Thema. Diese Zulassungen haben wir zwar nicht auf dem Papier, aber was die Anforderungen angeht, dürfte das kein Problem sein. Wir verwenden zum Beispiel extra salz- und seewasserbeständiges Si-Aluminium als Gehäuse. Die Basis ist also durch die Verwendung entsprechender Materialien und dem Erreichen einer sehr hohen Störfestigkeit gelegt. Zulassungen sind daher eher eine Formsache.

Warum sollten Anwender auf die neue Technologie setzen?

Stefan Horvatic: Sie können durch den Drehgeber ihre Anlage viel präziser regeln und somit Geld sparen. Beispielsweise im Bereich Windenenergie: Je genauer sie die Drehzahl des Rotors rückführen, umso effizienter arbeitet der Generator bei seiner optimalen Drehzahl. Wenn wir 10 % Jitter beziehungsweise einen 10 %-igen Phasenversatz zwischen den Rechtecksignalen der A/B-Kanäle auf der Codescheibe annehmen, schwankt auch die Drehzahl mit 10 Prozent. Das bedeutet bei einer Größenordnung von Megawatt deutliche finanzielle Einbußen. Die Bluebeam-Technologie verringert diesen Phasenversatz und dadurch auch die Toleranz. Die Signalgüte geht eins zu eins auf die Drehzahlmessung in der Anlage ein und somit auf die Effizienz. Und diese Gleichung kann man auch für andere Applikationen aufstellen.

Matthias Padelt: Früher hat sich außer in der Energieerzeugung kaum einer um den Wirkungsgrad geschert. Aber gerade wenn ich an Antriebe denke, wie viel Energie in einer Fabrik verbraucht wird, ist die Effizienz ein Riesenthema geworden.

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Die BlueBeam-Technologie schafft Vorteile bei Präzision und Robustheit.
Stefan Horvatic Redaktion IEE

Sind die Drehgeber einbaukompatibel zu den alten?

Stefan Horvatic: Komplett einbaukompatibel, zu allen gängigen mechanischen Varianten, also Steck-, Hohl- und Vollwelle mit den bekannten Flanschversionen wie Klemm- oder Synchroflansch. Des Weiteren sind auch Varianten für den US-Markt verfügbar.

Muss ich auf der Antriebsseite etwas beachten, etwa bei der Programmierung?

Stefan Horvatic: Nein, komplett kompatibel.

Matthias Padelt: Die Anwender können sich über den höheren Wirkungsgrad Ihres Regelsystems freuen.

Und zum Serienstart ist alles verfügbar?

Matthias Padelt: Unser Portfolio basiert auf unserer Geberfamilie R58. Davon wird zum Serienstart etwa 90 % zur Verfügung stehen, da wir letztendlich aus einem bestehenden Baukasten schöpfen. Deswegen sind die Themen Stecker, Kabel und Flansch kein Problem.

Sind auch OEM-Versionen angedacht?

Stefan Horvatic: Absolut. Das Produkt basiert wie gesagt auf einem Baukasten. Daher haben wir viele Gleichteile. Und ein großes Feature dieser Reihe wird sein, dass wir schnell kundenspezifische Varianten erzeugen können, entweder aus dem vorhandenen Bestand oder mit leichten Modifikationen.

Sie sagen, es ist die Ablösung eines etablierten Produkts. Haben Sie schon entschieden, wie Sie die Drehgeber preistechnisch
positionieren?

Stefan Horvatic: Wir können bei dem Commodity-Produkt keinen Aufpreis verlangen, leider. Wir werden wie bisher den üblichen Preis halten, jedoch mit einer deutlich besseren Performance.

Das Interview führten Martin Large und Stefan Kuppinger,IEE.


(sk)

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