Eck-DATEN
Der Beitrag zeigt, dass ein 2-Port-Einzelsignalquellen-VNA in der Lage ist, die exakten Zeitbereichsantworten zu liefern, die zur Berechnung von Laufzeitversatz und Differenzialimpedanz benötigt werden. Selbst einfache kostengünstige Vektornetzwerkanalysatoren mit geeignetem Softwarealgorithmus und dazugehöriger Automatisierung kann VNA-basierte Signalintegritätsmessungen durchführen, einschließlich aller relevanten Prüfabläufe im Zeit- und Frequenzbereich.
Bei einer Automatisierung ist es notwendig, einen speziellen Moduladapter für einen speziellen Leiterplattentyp mit dem Testsystem zu verbinden, bevor die Messung durchgeführt werden kann. Bei Multilayer-Leiterplatten mit Mehrfachanschlüssen kommt es zu einer Herabsetzung der Impuls- und Anstiegszeit im Messverfahren. Jedoch werden durch Verwendung eines Vektornetzwerkanalysators (VNA) zum Durchführen von Frequenzbereichs-Reflektometrie-Messungen sämtliche Prüffrequenzen an den Modulausgang übermittelt, gemeinsam mit besseren Lösungs- und Testmethodiken, einschließlich optimierter Fehlerkorrekturverfahren und De-Embedding-Tools zum Beseitigen der Auswirkungen des Messadapters. Eine solche Konfiguration wird besonders nützlich, wenn die beweglichen Messköpfe mithilfe von sehr langen Kabeln an eine Einzelsignalquelle angeschlossen werden. Die Einführung kleiner kostengünstiger Hochleistungs-VNAs bedeutet, dass die Vorteile der Automatisierung, der höhere Durchsatz und die schnellere Messung der Signalintegrität bei gleichzeitig geringeren Kosten verfügbar gemacht werden.
FDR im Vergleich zu TDR
Die meisten modernen Analysatoren nutzen die Frequenzbereichs-Reflektometrie (FDR) – ein Verfahren, bei dem HF-Frequenzen zur Analyse der Daten genutzt werden, wodurch es möglich ist, Änderungen und Herabsetzungen bei der Betriebsfrequenz zu lokalisieren.
Das FDR-Messverfahren erfordert einen gewobbelten Frequenzeingang an der Übertragungsleitung. An den reflektierten Signalen wird eine umgekehrte FFT (Fast Fourier-Transformation) durchgeführt, um diese Informationen in den Zeitbereich zu übertragen. Die FFT unterscheidet sich vom TDR-Verfahren (Time Domain Transmission, Zeitbereichsübertragung), das gepulste Gleichstrom- oder Halbsinuswellensignale in eine zweiadrige Kupferleitung sendet und anschließend die Antwort der reflektierten Impulse digitalisiert. Die gepulste TDR war die ursprünglich zur Anwendung kommende Methode zur Evaluierung der Eingangsimpedanz von Komponenten. Sie nutzt einen rasch ansteigenden Gleichstromimpuls als Quelle. Dadurch wird nur eine geringe Menge an Energie gesendet. Dieses Verfahren ermöglicht präzise Lokalisierungen potenzieller Quellen von Gleichstrompegelfehlern und deren Feststellung. Es stehen jedoch keine Informationen zu Leistungsproblemen bei Sollbetriebs-HF-Frequenzen zur Verfügung.
Der Hauptvorteil der Nutzung FDR-basierter Technologien im Vergleich zur TDR besteht darin, dass die Quellenergie im Betriebsband viel höher ist. Dies resultiert in einer höheren Sensibilität, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, kleine Probleme aufzudecken, bevor diese zu großen Problemen führen.
Multilayer-Leiterplatten mit Mehrfachanschlüssen führen zu einer Herabsetzung der Impuls- und Anstiegszeit im Messverfahren und stellen daher eine größere Herausforderung bezüglich der Messdurchführung unter Anwendung herkömmlicher TDR-Messverfahren dar. Da VNAs die Fähigkeit besitzen, sowohl im Frequenz- als auch im Zeitbereich zu messen und über bessere Fehlerkorrekturverfahren und De-Embedding-Tools verfügen, bieten sie ein umfangreicheres und präziser funktionierendes Paket an Prüfroutinen.
Bislang war der Kostenunterschied zwischen einem VNA und einem TDR erheblich. Mit der Einführung neuer Technologien und einer neuen Architektur, die zu schnelleren Erfassungsgeschwindigkeiten führen, wurde diese Barriere wirksam beseitigt.
Ausgleichsmöglichkeiten für das Prüfmodul
Bei Multilayer-Leiterplatten und Mehrfachanschlüssen ist es notwendig, die durch das Prüfmodul eingebrachten Störeffekte auszugleichen. Dies umfasst die Berechnung der Differenzialimpedanz aus den Zeitbereichsantworten und die anschließende Anpassung der Spuren in jedem differenziellen Paar zur Schaffung eines Ausgleichs für den Bitversatz, der in den Modulen der Messvorrichtungen auftreten könnte.
Bevor eine Messwerterfassung durchgeführt wird, muss eine Referenzebene geschaffen werden: der Punkt, an dem die Kalibriernormale angewendet werden (Bild 1).
Laufzeitversatz-Analyse
Da ein Open als Vollreflexion definiert ist, kann die Position eines offenen Endes gefunden werden, indem man schaut, wo sich der Maximalwert in der ersten Ableitung befindet, die von der TDR-Antwort berechnet wurde. Die Ableitung wird analytisch von der TDR-Antwort berechnet, die vorher geglättet wird. Die Rauschunterdrückungs- und Glättungsverfahren sind gegebenenfalls für mittels Sampling-Oszilloskop gemessene Zeitantworten erforderlich. Die von einem VNA berechneten Zeitantworten sind in der Regel – durch die zur Anwendung kommende Filterung – viel reiner. Die VNA-Methode läuft automatisch ab, ist universell und unempfindlich gegenüber Amplitudenrauschen.
Um die exakteste offene Ableitung für beide Spuren zu bestimmen, wird eine Gewichtung über einen Softwarealgorithmus vorgenommen, um andere Spitzenwerte zu beseitigen beziehungsweise zu unterdrücken, bevor diese auftreten.
Vor dem offenen Ende gibt es vermutlich andere scharfe Übergänge (Transienten) mit ähnlichen oder sogar größeren Ableitungen. Jedoch hat der Übergangsprozess am offenen Ende viel größere Amplituden, die für eine Kontrasterhöhung dieser anderen Transienten innerhalb dieses kleinen Intervalls genutzt werden können. Durch Nutzung dieser Gewichtungsfunktion werden alle vor dem offenen Ende auftretenden Spitzenwerte stark unterdrückt. Mögliche Transienten, die nach dem offenen Ende vorkommen, sind für gewöhnlich sehr viel langsamer. Ihre Ableitungen werden daher nicht mit dem vom offenen Ende erzeugten Spitzenwert konkurrieren. Die Zeit wird von der Referenzebene gemessen, erfasst während der Koaxialkabelkalibrierung des VNA und der Kabel.
Der gemessene Laufzeitversatz kann genutzt werden, um die TDR/TDT-Antworten (TDR, Time Domain Transmission) numerisch anzupassen, die von der Referenzebene gemessen wurden. Der Laufzeitversatz Δt wird als (T2-T1)/2 definiert, da T1 und T2 Umlaufzeiten sind.
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über Laufzeitversatz-Berechnung und Differenzialimpedanzprofile.
Laufzeitversatz-Berechnung
Zum Abfragen dieser Backplanes wird eine „Opfer“-Platine genutzt, wie in Bild 2 dargestellt. Die Positionen des offenen Endes (auf der Zeitskala) in diesen Geräten sind so angeordnet, wie in Bild 1 erläutert. Die von der Differenzialspur in einer Backplane gemessenen TDR/TDT-Antworten werden anschließend angepasst, um den Laufzeitversatz, der in das Modul beziehungsweise in die Opferplatine eingebracht wurde, zu beseitigen. Nach einer solchen Anpassung ist es möglich, eine Differenzialantwort oder Gleichtaktantwort zu berechnen. In einem echten Differenzial-Sampling-Oszilloskop müssen die Schrittgeneratoren, die die Signale in ein Differenzialpaar einspielen, zuvor eingestellt werden. Für Linear- und Passivnetzwerke, wie zum Beispiel Backplanes, stellen asymmetrische (single-ended) Messungen und die numerische Signalverarbeitung jedoch eine um ein Vielfaches kostengünstigere Lösung dar, als beim echten symmetrischen Modus (Differenzialmodus).
Zur Bestimmung der Robustheit des Messverfahrens werden die gleichen Messungen über verschiedene Verbinder der Hauptleiterplatte der Backplane durchgeführt. Anschließend wird eine Korrektur vorgenommen, um den Unterschieden in den Messergebnissen Rechnung zu tragen.
Während es für den Laufzeitversatz keinen Standardbetrag gibt, den ein Differenzialpaar tolerieren kann, gilt als Faustregel, dass es ein Viertel des Dateneinheitsintervalls dauert, bevor sich die Signalqualität verschlechtert und Daten verloren gehen.
Da der Laufzeitversatz ein relativer Parameter ist, werden alle Unsicherheiten hinsichtlich der exakten Position beseitigt. Der bereits erwähnte Berechnungsalgorithmus für den Laufzeitversatz mit allen beliebigen vom VNA erfassten TDR-Antworten funktioniert und ist automatisch, universell und unempfindlich gegenüber Amplitudenrauschen.
Differenzialimpedanzprofile
Ein Differenzialpaar wird als 4-Port-Linearnetzwerk behandelt, wie in Bild 3 dargestellt. In diesem Falle müssen die vier TDR/TDT-Antworten erfasst werden – und zwar alle von der Netzwerkseite her. Die Enden 2 und 4 bleiben offen. T11(t) und T33(t) sind die asymmetrischen TDR-Antworten, während T13(t) und T31(t) das Übersprechen (Crosstalk) zwischen den Spuren ist. Wird ein VNA verwendet, werden die Werte für Tij(t) aus den gemessenen Reflexions- und Übertragungskoeffizienten berechnet, und Tij(t) muss justiert werden, um den seitens der Messvorrichtungen eingebrachten Laufzeitversatz auszugleichen. Um reale Anwendungsbedingungen zu reproduzieren, wird nur der durch die Messvorrichtungen hervorgerufene Laufzeitversatz berücksichtigt, nicht jedoch der Versatz, der von den Spuren in der Backplane herrührt.
Insgesamt vier Antworten werden zur Berechnung der Differenzial- und Gleichtaktantworten verwendet, wobei das Differenzialpaar als 4-Port-Linearnetzwerk behandelt wird. Ein Softwarealgorithmus berechnet die ungeraden und geraden Zeitantworten für die Leiterbahnen A und B, bei denen der Laufzeitversatz bereits beseitigt wurde. Ungerade und gerade Impedanzprofile werden anschließend für jeden Schritt berechnet. Dabei werden die im Messverfahren zur Anwendung kommenden Werte für Referenzimpedanz und Spannungssprung verwendet.
Die stärkste Kopplung zwischen den Differenzialspuren wird in den nicht-koaxialen Verbindern beobachtet: Gemeinsam mit größeren asymmetrischen Impedanzen sind die Verbinder dafür konzipiert, mit einem bestimmten Differenzialimpedanz-Wert in der Backplane übereinzustimmen. Hier wird die Kopplung in einem Differenzialpaar schwächer; sie kann bei der Berechnung der Differenzialimpedanz allerdings nicht vernachlässigt werden. Für eine Hochfrequenz-Backplane, die für die Übertragung von Differenzsignalen konzipiert ist, wäre die Differenzialimpedanz ein informativerer Parameter als eine asymmetrische Impedanz. Die asymmetrischen (single-ended) TDR-Antworten könnten jedoch geeigneter für das Erkennen von Fehlern sein. Sie werden zudem für die Versatzanalyse und die Analyse von Resonanzen in Stichleitungen (Stub-Resonanzen) genutzt. Dies bedeutet, dass für eine umfassende Charakterisierung einer Backplane die kompletten 2-Port-Messungen (TDR und TDT) erforderlich sind: mindestens von einer Seite der Backplane.
Bild 4 zeigt die für die oben beschriebenen Messaufbauten berechneten Differenzialimpedanzprofile unter Verwendung des automatisierten Softwarealgorithmus. Ist eine Kopplung vorhanden (die ab den nicht-koaxial-Verbindern beginnt), beträgt die Differenzialimpedanz immer unterhalb von 2Z0. Der Wert der Differenzialimpedanz lässt sich nicht vorhersagen, wenn nur TDR-Messungen durchgeführt werden. Daher werden – wie vorstehend dargelegt – zusätzliche TDT-Antworten benötigt. Als Vorbereitung der Softwarekompensation müssen die Spuren so justiert werden, dass der seitens der Messvorrichtungen eingebrachte Laufzeitversatz ausgeglichen wird, wie oben erläutert.
Für ein passives Linearnetzwerk sind die echten Differenzialmessungen nicht mehr exakt, da sie ebenfalls ein Laufzeitausgleich-Verfahren erfordern, dass das Einstellen der Startzeiten eines Schrittgeneratorpaars beinhaltet.
Paul Holes
(jj)