Ziel der Time-Sensitive-Networking-Task-Group (TSN-TG) ist es, die gesamte industrielle Kommunikation auf eine einheitliche Basis zu stellen, die das klassische Ethernet mit den für industrielle Kommunikation nötigen Echtzeitfunktionen kombiniert. Dabei sind garantierte Latenzzeiten und ein entsprechender Determinismus die entscheidenden Größen. Bei klassischem Ethernet sind diese vor allem unter hoher Netzauslastung nicht mehr zu erreichen, da der herkömmliche Switch die Nachrichten meist erst zwischenpuffert, dann das Ziel der Übertragung festlegt und erst anschließend die Nachrichtenweiterleitung stattfindet. Neue Anwendungen, gerade in Zeiten von IoT und Industrie 4.0 verlangen jedoch vielmehr nach Technologien, die es erlauben, Bandbreitenzuweisung viel schneller und genauer unter Kontrolle zu halten.
TSN bietet Echtzeitfähigkeit und Determinismus
TSN beziehungsweise dessen Substandards sollen es künftig ermöglichen, das klassische Ethernet auch bei hohen Datenübertragungsraten bis in den Gigabit-Bereich um Echtzeiteigenschaften zu ergänzen. Neben Echtzeitfähigkeit und Determinismus bietet TSN einen weiteren enormen technischen Vorteil. Durch die Möglichkeit zur Skalierung der Netzwerke lässt sich TSN sowohl für 10 Mbit/s, 100 Mbit/s, 1 Gbit/s oder 10 Gbit/s einsetzen. Dies erfordert jedoch eine detaillierte und damit aufwendigere Netzwerkkonfiguration. Übertragungsraten von 1 Gbit/s und mehr sind eine logische Weiterentwicklung der heutigen Vernetzung – 1 Gbit/s öffnet Wege für neue (IoT-) Anwendungen und hilft zur Überwindung von Performance-Engpässen bei datenintensiven Applikationen. Allerdings kann TSN als System seine maximale Wirksamkeit erst dann komplett entfalten, wenn sowohl die Endgeräte als auch die Ethernet-Switche die TSN-Funktionen beziehungsweise-Standards unterstützen (Bild 1).
Fehlende (Sub-) Standards definieren
Das aus den dargestellten Substandards bestehende, komplette TSN-Paket ist aktuell jedoch noch nicht fertig geschnürt. Wie in Bild 1 farblich markiert, befinden sich die beiden Unterstandards IEEE 802.1AS-REV (Time Synchronization) und IEEE 802.1Qcc (Stream Reservation) noch in Diskussion innerhalb der IEEE-802.1-Time-Sensitive-Networking-Task-Group. Wann die Definition dieser offenen Substandards abgeschlossen ist, ist momentan nur schwer abzuschätzen, aber tendenziell sind die Arbeiten bis Mitte 2019 beendet. Nichtsdestotrotz war es bereits möglich, mit dem derzeitigen Stand der TSN-Standards eine aufwärtskompatible Weiterentwicklung von Standard-Ethernet nach IEEE 802.1 zu schaffen. Beispielsweise bieten die unlängst verabschiedeten Substandards eine interoperable Methode, die im Netzwerk verteilten Taktsignale miteinander zu synchronisieren. Gleichzeitig ermöglichen sie deterministische Echtzeit auf einem gemeinsamen, auch von anderen Geräten genutzten Übertragungsmedium. TSN regelt somit die in Schicht 2 des ISO/OSI-Referenzmodells stattfindende Datenkommunikation (Bild 2).
Genau betrachtet stellt TSN eine echtzeitfähige Schicht 2 im Ethernet dar, jedoch kein vollständiges Echtzeitprotokoll. Das heißt TSN wird Profinet, Ethernet/IP und vergleichbare Ethernet-Protokolle nicht ersetzen. Vielmehr sollen diese industriellen Ethernet-Protokolle TSN in Schicht 2 auf Dauer unterstützen – klassische industrielle Ethernet-Protokolle verschwinden demnach nicht, sondern setzen in Zukunft selbst auf TSN auf. Bei Feldbussen hingegen ist davon auszugehen, dass Ethernet diese mit hoher Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang verdrängt.
Hardware und Modelle für den Übergang auf TSN
Um all die industriellen Standards künftig auch unterstützen zu können, ist eine spezielle, flexible Hardware in Form von anwenderspezifischen ASICs notwendig, wie zum Beispiel dem Multiprotokoll-Chip Fido 5000 von Analog Devices (Bild 3). In diesem Ethernet-Switch-Chip ist die für TSN erforderliche Hardware bereits integriert. Sobald alle Substandards fertig definiert sind, lässt sich dieser Chip ohne viel Aufwand durch ein Firmware-Update anpassen und ist anschließend bereit für den TSN-Einsatz.
Damit jedoch der Übergang von industriellen Standard-Ethernet-Anwendungen zu TSN schrittweise und möglichst einfach geschehen kann, sehen die Standardisierungsgremien Modelle vor, wie bestehende Anlagen mit neuen TSN-basierten Geräten kooperieren können. Dabei werden die vereinheitlichten Schichten 1, 2 und 3 des ISO/OSI-Referenzmodells herangezogen, die ganz neue Ansätze hinsichtlich Skalierbarkeit und Performance ermöglichen. Hierzu ist es allerdings erforderlich, dass das komplette Netzwerk sowie seine ganzen Komponenten, wie beispielsweise Switche, die diversen Kommunikationsprotokolle unterstützen. Dies ermöglicht eine einheitliche, deterministische Infrastruktur und die TSN-Netzwerke können ihre Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Standard-Ethernet ausspielen.
Aufgrund des noch nicht vollständig definierten kompletten TSN-Standards zögern viele Unternehmen derzeit jedoch mit der Umsetzung von TSN. Die Umstellung dürfte wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen, obwohl Endgeräte schon heute von TSN-Netzwerken profitieren können, da Determinismus und Echtzeitfähigkeit bereits durch existierende TSN-Switche gegeben sind. Dass TSN somit ein künftiger Ethernet-Standard sein wird, ist daher keine Frage. Offen ist nur, wann das komplette TSN-Paket fertig geschnürt ist und entsprechende Anerkennung in der Industrie findet.
(aok)