Branchenexperten schätzen, dass in der Region Asien-Pazifik bis zum Jahr 2030 eine Solarleistung von 420 GW installiert sein wird. Besonders stark ist das Wachstum in China und Japan. Aber auch in Ländern wie Indien, Korea, Thailand und den Philippinen wird der Markt für Photovoltaikanlagen immer wichtiger.
In Gegenden, wo es immer wieder zu schweren Regenfällen und Überschwemmungen kommt, sind die Einsatzanforderungen an die Technik und ihr Zubehör besonders hoch. Sind die Leitungen der Photovoltaikanlagen unterirdisch in Schutzrohren verlegt, besteht das Risiko, dass Regenwasser in die Rohre eindringt und nicht wieder abfließt. Die Leitungen liegen dann über Monate permanent unter Wasser. Mit Photovoltaikleitungen, die nicht dafür ausgelegt sind, war das ungeschützt bisher nicht möglich. Für solche Fälle haben die Wissenschaftler des Leitungsherstellers Lapp eine Lösung entwickelt. „Herausgekommen ist die erste dauerhaft wasserdichte Solarleitung Ölflex Solar“, erläutert Bernd Leushake, Manager Renewable Energy für die Region Asien-Pazifik bei der Lapp Holding Asia.
Bei Standard-Solarleitungen, die nicht für Anwendungen unter Wasser konzipiert sind, kann sich der Isolationswiderstand verringern, was die Gefahr von Kurzschlüssen erhöht. Der Ölflex Solar XLR WP macht permanente Nässe dagegen nichts aus. Ihren ersten großen Einsatz hat sie in der Provinz Kanchanaburi in Thailand, wo die Firma Ensys in einer Anlage mit einer Leistung von 18 MWp 192 km der wasserdichten Solarleitung im Auftrag des Betreibers Conservation of Energy verlegte. Zuvor führten die Experten in einem Versuchsfeld über einen Zeitraum von einem Jahr alle drei Monate Isolationswiderstandsmessungen durch, um die Standfestigkeit der Leitung zu überprüfen. „Die gemessenen Werte lagen jedes Mal konstant bei 11 GΩ“, bestätigt Leushake. „Die neue wasserdichte Leitung ist die perfekte Lösung für Solaranlagen in Gebieten mit einem hohen Risiko von Überschwemmungen.“
Durch Strahlenvernetzung zum ‚Superkunststoff‘
Die Ölflex Solar ist eine strahlenvernetzte Solarleitung (Typ PV1-F gemäß TÜV 2PfG 1169/08.07) für den langlebigen, witterungsbeständigen Einsatz in Photovoltaikanlagen. „Durch ihr Leitungsdesign und einen konstanten Durchgangswiderstand funktioniert sie auch nach 25 Jahren im Wasser noch zuverlässig“, erklärt Vorada Serios, Vertriebsingenieurin bei JJ-Lapp Cable, ein Joint-Venture-Unternehmen von Lapp und Jebsen&Jessen in Thailand. Aktuell läuft außerdem die Zertifizierung nach der DIN-Norm EN 50618, die Leitungen für höhere Anforderungen an die Betriebsspannung mit 1,5 kV beschreibt.
Lapp fertigt die wasserdichte Solarleitung in Korea, wo das Unternehmen im Jahr 2014 die erste eigene Elektronenstrahlvernetzungsanlage in Betrieb genommen hat. Durch die Energie der eingesetzten Strahlung, die im Kunststoff absorbiert wird, bilden sich bei der Elektronenstrahlvernetzung Radikale. Diese reagieren chemisch miteinander und stellen eine Verbindung zwischen den Molekülketten her, wodurch sich die mechanischen und chemischen Eigenschaften verbessern. Kunststoffe wie Polyethylen oder Polyamid werden mithilfe der Technologie zu hochleistungsfähigen Polymeren, die bei hohen Gebrauchstemperaturen eine bessere Wärmeformbeständigkeit aufweisen. Außerdem verbessern sich Verschleiß- und Abriebfestigkeit, Rückstelleigenschaften und Beständigkeit gegenüber Lösungs- und Reinigungsmitteln oder anderen Betriebsstoffen. Strahlenvernetzte Kabel eignen sich daher für den Einsatz in der Photovoltaik, im Schienenverkehr, in Schiffen und in besonders heißen Umgebungen.
Nachgefragt bei Bernd Leushake
Herr Leushake, welche Anforderungen muss eine Solarleitung auf die Leistung bezogen erfüllen?
Eine Solarleitung ist nicht einfach nur ein Kabel. Die Leitung ist ein wichtiger Bestandteil der gesamten Anlage, die über Jahrzehnte dauerhaft vielfältigen Belastungen wie UV-Strahlung, Hitze, Kälte, Witterungseinflüssen, Luftschadstoffen, Bakterien und Pilzen ausgesetzt ist. Die Industrie erwartet eine Gebrauchsdauer von 25 Jahren. Gleichzeitig müssen Leitungen unter anderem definierte Anforderungen an den Brandschutz erfüllen.
Die Strahlenvernetzung von Kunststoffen ist nicht neu, warum brachte Lapp erst 2015 eine Leitung mit diesem Verfahren auf den Markt?
Strahlenvernetzung wenden wir schon seit Jahren an, um die lange Lebensdauer unserer Leitungen auch unter schwierigen Umweltbedingungen zu ermöglichen. Die Strahlenvernetzung steht nicht in direktem Zusammenhang mit der Wasserdichtigkeit der Leitung. Mit der Ölflex Solar haben wir, wenn Sie mir den Vergleich erlauben, nun sozusagen einen Sportwagen unter den Solarleitungen entwickelt. Sie bietet neben den normativen Vorgaben auch einiges an Extras, vor allem eben die Wasserdichtigkeit, aber auch eine erhöhte Verschleiß- und Abriebfestigkeit. Diese Entwicklung war recht aufwendig und brauchte ihre Zeit, auch um die langwierigen Prüfungsprozeduren zu absolvieren.
Wie kostenintensiv ist das Verfahren der Elektronenstrahlvernetzung im Vergleich zu anderen?
Die Vernetzung mit Elektronenstrahlen verleiht gewöhnlichen Kunststoffen die Eigenschaften von Hochleistungskunststoffen, sodass sie auch unter Bedingungen eingesetzt werden können, für die sie normalerweise nicht geeignet sind. Das Verfahren stellt somit eine Alternative zu der Verwendung teurer Spezialkunststoffe dar. Da die Strahlenvernetzung zudem unabhängig von der eigentlichen Herstellung der Leitung erfolgt, kann der ursprüngliche Fertigungsprozess beibehalten werden. Generell kann man sagen, dass selbst unter Berücksichtigung aller Kosten für die Vernetzung das Endprodukt immer noch günstiger ist als bei der Verwendung von Hochleistungsmaterialien.
Bei unserer WP-Variante ist es allerdings etwas komplexer. Auch hier nutzen wir die Elektronenstrahlvernetzung. Um aber den zusätzlichen Nutzen der Wasserdichtigkeit zu erzielen, müssen wir zusätzliche Maßnahmen treffen, die sich auf die Fertigungskosten auswirken.
Können Sie sagen, was das für Maßnahmen sind?
Das würde sicher auch andere Kabelhersteller interessieren, deswegen kann ich dazu leider keine Details nennen.
Warum sollte ein Solaranlagen-Errichter einen höheren Preis zahlen, Standardleitungen halten doch bis nach der Gewährleistung?
Der bei der Investitionsrechnung großer Solaranlagen betrachtete Zeitraum geht mit mindestens 25 Jahren weit über die Dauer der eigentlichen Gewährleistung hinaus. Daher ist es wichtig, dass die verwendeten Leitungen auch nach Ablauf der Garantie über die gesamte Lebensdauer der Anlage zuverlässig funktionieren. Die Mehrkosten für die Solarleitung gegenüber der Standardversion sind zudem vergleichsweise gering. Wenn dem Betreiber oder Errichter einer Anlage bekannt ist, dass die Gefahr von Überschwemmungen besteht, ist es in jedem Fall sinnvoll, etwas mehr zu investieren. Die direkten und indirekten Kosten, die beim Versagen einer Photovoltaik-Leitung entstehen, sind in jedem Fall höher.
Von welcher Lebensdauer ist dann für die wasserdichte Solarleitung auszugehen?
Die wasserdichte Version basiert auf unserer Standardleitung Ölflex Solar XLR-R und ist vom TÜV Rheinland nach 2PfG 1169/08.07 (PV1-F) Bauart zertifiziert. Die erwartete Lebensdauer beträgt daher mehr als 25 Jahre.
Die Leitungen müssen nicht nur Wasser, sondern auch Sonne und Hitze standhalten. Was kann das durch die Strahlenvernetzung entstandene Polymer hier erreichen?
Strahlenvernetzung verbessert die thermischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften technischer Kunststoffe.
Hat das Verfahren Auswirkungen auf andere Leitungseigenschaften?
Bei der Strahlenvernetzung werden die Polymerketten des Kunststoffs dreidimensional fest miteinander verkettet. Dadurch wird die Leitung unter anderem biegefester, härter und abriebfester und ist somit etwas steifer als eine Leitung, die zum Beispiel chemisch vernetzt wurde. Der Mindestbiegeradius vom Vierfachen des Außendurchmessers der Leitung ist gewissermaßen Industriestandard.
In welchen Branchen mit ähnlichen Anforderungen lässt sich die wasserdichte Leitung noch einsetzen?
Zurzeit ist die Ölflex Solar aufgrund ihrer zweckbestimmten Eigenschaften und Zulassungen nur für den Einsatz in der Photovoltaik vorgesehen. Dies schließt aber nicht aus, dass es in Zukunft auch andere Anwendungsbereiche geben kann.
Welche Entwicklungsaufgaben stehen bei Ihnen an?
Wir wollen die Eigenschaften unserer jetzigen XLR WP auch in die neue EU-Norm 50618 umsetzen. Neben dieser Herausforderung sind wir dabei, Anschluss- und Leitungstechnologie für die neuen Technologien in der Photovoltaik zu entwickeln. Die organische Photovoltaik ist zum Beispiel ein wichtiges Feld. Dabei arbeiten wir eng mit Instituten und Unternehmen zusammen.
Hannover Messe: Halle 11, Stand C03
(mns)